Robert Lewandowski:Superlative als Normalzustand

Champions League - Group B - Crvena Zvezda v Bayern Munich

Den Vier-Tore-Ball als Andenken unterm Arm: Robert Lewandowski mit Co-Torschütze Goretzka (re.).

(Foto: Reuters)

Der polnische Angreifer festigt mit einem weiteren Rekord beim 6:0 in Belgrad die Erfolgsserie des FC Bayern - und strebt nicht nur in der Königsklasse noch schönere Tore an.

Von Benedikt Warmbrunn, Belgrad

Erstaunt drehte sich Robert Lewandowski um. Gerade noch war er allen vorangegangen, doch nun war niemand mehr hinter ihm. Nur eine geschlossene Tür. Lewandowski blieb stehen, er lächelte. Er, der so oft für sein Einzelgängertum kritisiert worden war, bekam von seinen Mitspielern einen Alleingang spendiert. Also drehte sich Lewandowski wieder um, er blickte in Hunderte Gesichter im Festsaal des Hilton-Hotels in Belgrad. Er winkte. Und die Festgesellschaft applaudierte, und vielleicht standen die Leute dabei nicht nur deshalb, weil sie sich zu einem Stehempfang versammelt hatten. Dann öffnete sich die Tür zum Festsaal wieder, Serge Gnabry trat herein, gefolgt von allen anderen Mitspielern, und schon war Lewandowski wieder bestens integriert.

Es blieb dennoch der Solo-Abend des 31 Jahre alten Angreifers. Das 6:0 (1:0) der Bayern am Dienstag in Belgrad war ja im Wesentlichen ein weiteres Kapitel in der erstaunlichen Lewandowski-Saga, die diese Saison bisher für den Stürmer ist.

Lewandowski hatte zuvor schon ein paar Rekorde aufgestellt. Er hatte als erster Spieler der Bundesliga-Geschichte an den ersten elf Spieltagen getroffen, mit einem neuen Torrekord (16). Auch in den ersten vier Gruppenspielen in der Champions League hatte der 31-Jährige getroffen, insgesamt sechsmal. Im fünften Spiel in Belgrad sicherte er sich nun den nächsten Rekord, den für den schnellsten Viererpack in der Geschichte dieses Wettbewerbs: 14:31 Minuten reichten ihm. "Ich weiß nicht, welche Rekorde er in diesem Jahr noch brechen will", sagte Kollege Leon Goretzka, Toschütze zum 1:0 "aber er scheint mir auf jeden Fall sehr motiviert zu sein." Thomas Müller sagte: "Dass Lewy vier Tore geschossen hat, wäre grundsätzlich außergewöhnlich - wenn das nicht häufiger vorkommen würde, dass er viele Tore schießt." Er erinnerte daran, dass Lewandowski einmal gegen Wolfsburg für fünf Tore nur neun Minuten gebraucht habe.

Ein Elfmeter, ein Kopfball, zwei Treffer aus kurzer Distanz, das war Lewandowskis Bilanz in Belgrad, in 20 Saisonpflichtspielen hat er nun 27 Tore erzielt. Nachdem sie bei den Bayern am Samstag (3:0 in Düsseldorf) heimlich erleichtert waren, dass sie auch gewinnen können, ohne dass Lewandowski dazu treffen muss, so waren sie in Belgrad wieder beruhigt, dass ihr Angreifer weiter an seinem Status als Rekordmann arbeitet. "Er ist einfach komplett, technisch sehr gut, im Sechzehner brandgefährlich, kann mit beiden Füßen schießen, ist gut mit dem Kopf, auch im Passspiel vom Timing her optimal", schwärmte Torwart Manuel Neuer.

Was ihm in seiner Sammlung noch fehlt: Distanztore

Lewandowski selbst erschien als letzter Spieler vor den Journalisten, den Spielball, den er sich nach dem Abpfiff gesichert hatte, hatte er sicherheitshalber schon in den Bus bringen lassen. Und obwohl er eine gewisse Routine im Umgang mit Rekorden haben müsste, sprach Lewandowski kaum über sich selbst. Schon immer arbeitet er penibel an sich selbst; ehrgeizig eignete er sich Fähigkeiten an (Freistöße!), mit seiner Frau Anna tüftelt er an der Ernährung (Nachspeise mit Abstand zum Hauptgang - zur Not auch davor!). Zuletzt hatte er seinen Schlaf auf Steigerungspotenzial untersuchen lassen. Zu Saisonbeginn, erzählte er, habe er "ein bisschen zusätzliches Training gemacht", doch das reichte ihm nicht als Erklärung für seine Torserie: "Ob es daran liegt, weiß ich nicht hundertprozentig."

Was Lewandowski aber weiß, ist, dass Trainer Hansi Flick einen großen Anteil am aktuellen Erfolg hat. Er lobte, dass das Team "sehr kompakt" spiele, sogar die Defensivarbeit hob er hervor. Wohlwissend, dass er von dieser am meisten profitiert. Flick lässt die Bayern früh und geschlossen attackieren, die Wege sind dadurch kurz, für Pässe, aber auch die Wege für Lewandowski zum Tor. "Wir treffen die richtigen Entscheidungen nach vorne", sagte er.

Diesem gefestigten Team hat Klubboss Karl-Heinz Rummenigge in seiner Nacht-Bankettrede ein paar Ziele in Aussicht gestellt. Sollte der FC Bayern auch das letzte Gruppenspiel im Dezember gegen Tottenham gewinnen, hätte er als erster deutscher Klub die Gruppenphase mit sechs Siegen absolviert. In der Liga, erinnerte Rummenigge, ist das Team zurzeit Dritter, und es wäre ja schon schön, "wenn wir es schaffen, bis Weihnachten von der Spitze des Baumes nach unten zu schauen".

Und Lewandowski und seine Rekorde? Für ihn, hat er vor wenigen Wochen gesagt, sei das "etwas für später". Was ihn eher antreibt, das sind weitere Tore. "Natürlich mag ich die besonders schönen und die besonders wichtigen Tore einen Ticken mehr als die normalen Tore", sagte er damals, "aber am meisten freue ich mich, wenn ich ein neues Tor erziele. Eines, das ich bisher noch nicht hatte." Was das sein sollte, bei einem Rekordmann wie ihm? "Ich bin ja meistens im Strafraum, deshalb fehlen mir die Distanztore. Aus 16, 18 Metern, das kommt schon mal vor, aber ein richtig schönes 20-plus-Tor würde ich gerne mal schießen. Das fehlt in meiner Sammlung."

Es könnten also unangenehme Zeiten für die Torhüter und Verteidiger Europas anstehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: