Robert Harting siegt bei WM:Gold überstrahlt den Schmerz im Kreuz

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Robert Harting feiert seinen dritten WM-Titel nacheinander, trotz Rückenschmerzen nach dem dritten Versuch gelingt ihm ein noch weiterer Wurf. In diesem Jahr hat der Diskuswerfer aus Berlin auch das Gefühl der Niederlage kennengelernt - nun will er sich wieder ans Gewinnen gewöhnen.

Von Thomas Hahn, Moskau

Robert Harting spazierte zwischendurch ein bisschen unschlüssig durch den Innenraum des Luschniki-Stadions. Er war gerade mal wieder Weltmeister im Diskuswerfen geworden. Zum dritten Mal in Serie schon. Er hatte die stattliche Weite von 69,11 Metern in die Ergebnisliste eingebracht, was selbst den Polen Piotr Malachowski überforderte, der mit 68,36 Metern Silber vor dem Esten Gerd Kanter (65,19) gewann. Harting hatte sich eine deutsche Fahne um die Schultern gelegt. Er hatte auch wieder sein Hemd zerrissen, wie immer bei seinen großen Triumphen seit dem WM-Gold in Berlin 2009. Aber die Stimmung um ihn herum war irgendwie seltsam.

Die Moskauer Arena war besser gefüllt als tags zuvor, was vermutlich damit zu tun hatte, dass die russische Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa an diesem Abend ihr Finale im Stabhochsprung bestritt. Aber die Leute auf den Rängen blieben seltsam kühl. Harting beschloss, sich davon nicht irritieren zu lassen. Er lief weiter auf seiner Ehrenrunde. Sein Sieg war schließlich doch sehr groß gewesen.

Der Berliner Robert Harting, 28, hat in diesem Jahr mal wieder das Gefühl der Niederlage kennengelernt. Es war so etwas wie eine Befreiung für ihn, denn immer nur zu gewinnen, ist ja auch nicht lustig. 35 Wettkämpfe in Serie hatte er erfolgreich bestritten, als er am 7. Juni in Hengelo in den Ring trat, seit 1024 Tagen war er unbesiegt. In dieser Phase hatte er bei der WM in Daegu 2011 seinen Titel verteidigt, war praktisch im Vorbeigehen Europameister geworden und schließlich Olympiasieger.

Das war gut, vor allem der Erfolg bei den Sommerspielen in London brachte Harting voran. Er bekam Einladungen zu Talkshows, er konnte den Stand des Leistungssports in Deutschland kritisieren, und endlich hörten ihm dabei sehr viele Leute zu. Seine makellose Serie trug auch dazu bei, dass er am Ende des Olympia-Jahres zum Sportler des Jahres gewählt wurde.

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Trotzdem, die verflixte Siegesserie hing ihm irgendwann am Bein wie ein lästiges Insekt. Die Fragen nach seiner vermeintlichen Unbesiegbarkeit wiederholten sich. Es nervte, aber Harting befindet sich eben gerade in der Hochphase seiner Karriere, da verliert es sich nicht so leicht. Und auch zu der Niederlage in Hengelo wäre es wohl nicht gekommen, wenn nicht ein paar Himmelskräfte mitgespielt hätten. Harting war damals für den Werfertag in Schönebeck gemeldet, aber wegen des Hochwassers fiel der aus.

Harting buchte um und reiste nach Hengelo, dort wiederum hätte er um ein Haar wieder gewonnen. Der Wind stand günstig, Hartings Diskus flog weit, 69,91 Meter, das war zwar nicht die angepeilte Leistung jenseits der 70-Meter-Marke, aber mit etwas Pech reicht auch so eine Leistung zum Sieg. Harting hatte Glück. Der Pole Piotr Malachowski setzte den Diskus fast perfekt in die Luft. 71,84. Polnischer Rekord. Harting gratulierte und nahm die Vorzüge dieses zweiten Platzes gerne hin. Die Serie der dummen Fragen zur Serie war beendet. "Dankenswerterweise", wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung damals sagte. Die Niederlage gab Kraft. "Ich bin auch jeden Fall wieder motiviert, richtig weit zu werfen."

Allerdings will es ein Harting mit dem Verlieren auch nicht übertreiben, und als er drei Tage nach Hengelo auch noch in Ostrau verlor, hatte er langsam genug von diesem Platz-zwei-Gefühl. Zumal sein Bezwinger in Ostrau der Landsmann Martin Wierig aus Magdeburg war. 67,10 zu 67,46 Meter. Unerhört. Danach ging Harting wieder zum Gewinnen über, und auch nach Moskau kam er in Siegerlaune, was sich im Vorkampf am Montag so äußerte, dass er sich gleich mit dem ersten Wurf fürs Finale der besten Zwölf qualifizierte (66,82).

Er wirkte sicher im Wettkampf, aber er war es nicht, wie er später selbst sagte. Er fand seine Wurftechnik zu instabil. Und am Ende der dritten Runde schoss ihm ein Schmerz ins Kreuz. "Auf einmal hat man einen Stein im Rücken", sagte Harting, "das ist natürlich blöd." Er kam aus der Situation nicht raus, der russische Stadionarzt bot Hilfe an, Harting lehnte dankend ab. "Wer weiß, wie die behandeln, mit Hammer und Axt." Er musste da also durch und machte sich an die Arbeit.

Er lag schon in Führung, weil sein zweiter Versuch bei 68,13 Metern gelandet war. Aber: "Ich wusste, dass das nicht reicht." In Runde vier legte er die Siegesweite nach, 69,11. zum Abschluss zeigte er 69,08: "Mit Happiness." Malachowski mühte sich redlich, aber er konnte nie am Deutschen vorbeiziehen; die Tagesbestweite des Polen von 68,36 kam in Runde fünf. Martin Wierig schaffte 65,02 und wurde Vierter, wie wenig später auch die Frankfurter Siebenkämpferin Claudia Rath (6462 Punkte).

Harting war froh, seine nächste Siegesserie fortgesetzt zu haben. Trainer Goldmann freute sich über "einen tollen Wettkampf mit einem glücklichen Ende". Und als Robert Harting den Innenraum verlassen hatte, lebte auch die russische Menge im Stadion auf. Weil Jelena Issinbajewa kam und Weltmeisterin wurde.

© SZ vom 14.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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