Leichtathletik-EM:Robert Harting hadert dann doch

Diskuswerfer Robert Harting bei der Leichtathletik-EM 2018 in Berlin

Zu kurz geschleudert: Robert Harting in seinem letzten großen Wettkampf bei der EM in Berlin.

(Foto: REUTERS)
  • Robert Harting verpasst bei der Leichtathletik-EM in Berlin die erhoffte Medaille.
  • Im letzten großen Diskus-Wettkampf seiner Karriere ist er zwischenzeitlich Zweiter, wird aber schließlich Sechster.
  • "Da wäre noch ein bisschen Potenzial gewesen", hadert Harting.

Von Saskia Aleythe, Berlin

An Robert Harting hatte Berlino ein paar schwindelige Erinnerungen. 2009 im Olympiastadion hing das Maskottchen der WM kopfüber Richtung Boden, Harting hatte es sich über die Schulter geworfen in seinem Jubeltaumel. WM-Gold setzt besondere Energien frei.

Viel Energie brauchte Harting auch, um neun Jahre später an gleicher Stelle wieder in den Ring zu treten. Seinen maladen Körper hatte er in den vergangenen Jahren mit viel Ehrgeiz durch viele Arenen geschleppt, seine Laufbahn aber wollte der Diskuswerfer nirgendwo anders beenden als in Berlin. "In anderen großen Stadien ist man sehr fokussiert", sagte Harting vor seinem letzten EM- Finale, "hier kommt so eine Glücksebene dazu." Und die sollte ihn weit tragen, darauf hoffte Robert Harting.

Geschultert hat Harting Berlino nun nicht noch einmal, aber innige Szenen gab es dennoch. Zusammen liefen beide die Tartanbahn auf der Ehrenrunde ab, Harting schrieb Autogramme, winkte ins Publikum, mit anderen Gefühlen als 2009. Eine Sehne im Knie hatte er sich leblos spritzen lassen, um überhaupt noch im Ring stehen zu können, Verletzungen prägten seine Karriere. Mit einer weiteren Medaille belohnen konnte er sich dafür nicht: Gold gewann der Litauer Andrius Gudzius mit 68,46 Metern vor dem Schweden Daniel Stahl (68,23) und dem Österreicher Lukas Weißhaidinger (65,14).

"Ich wollte mich als bester Deutscher verabschieden"

Hartings Bestweite an diesem Abend waren 64,33 Meter. "Ich wollte mich als bester Deutscher verabschieden, das habe ich geschafft", sagte er, "aber da wäre noch ein bisschen Potenzial gewesen." Dass die Medaille greifbar war, damit haderte er dann doch.

Drei Mal hat sich Harting zum Weltmeister geworfen, er ist Olympiasieger der Spiele 2012 in London , doch das sind Triumphe aus anderen Zeiten. Er ist ja längst nicht mehr der Trikotzupfer und Dauerdominator, sein letzter Medaillengewinn liegt vier Jahre zurück, es war Gold bei der EM 2014 in Zürich. "Ich werde mit Risiko rangehen", hatte er vor dem Finale noch angekündigt, seine Würfe in der Qualifikation waren ihm "ein bisschen brav" vorgekommen.

Mit 61,09 Metern startete er am Abend in sein letztes EM-Finale, Trainer Marko Badura schüttelte leicht verkniffen den Kopf. Der Ring sei sehr stumpf, hatte Harting am Vortag berichtet, "als ob man auf Sandpapier wirft. Da kannst du keine Drehenergie in die Füße bekommen". Andrius Gudzius aus Litauen, Zweiter der Weltjahresbestenliste, startete mit 65,75 Meter, er lieferte sich mit der Nummer drei der Welt, Daniel Stahl, einen Zweikampf. Im zweiten Versuch wurde es kurios, Stahl kam auf 68,02 Meter, doch die Kampfrichter werteten den Wurf Minuten später als ungültig. Er habe eine Linie übertreten, hieß es.

Harting freut sich nun auf das "Leben danach"

Im zweiten Versuch jubelten Harting und sein Trainer, 63,45 Meter waren ihm da schon gelungen, das lag er zwischenzeitlich auf dem Bronzerang. Der dritte Versuch landet im Netz, der vierte wurde von lautem Jubel im Stadion begleitet: 64,33 Meter, wieder eine Steigerung, weiterhin der Bronzerang. Doch im fünften Versuch sollte ein anderer mitmischen: Weißhaidinger, der Österreicher, schob Harting vom Podest.

Was den Deutschen bei seinen großen Triumphen immer ausgezeichnet hatte, war seine Fähigkeit zum Kontern. 2009 hatte Harting im sechsten Versuch noch den Polen Piotr Malachowski vom Goldrang verdrängt, auch bei seinem Olympiasieg 2012 war es erst der fünfte Versuch, mit dem sich Harting seinen Traum von Gold erfüllen konnte.

Sein Trainer schlägt die Hände vors Gesicht

Insofern war der sechste Versuch für ihn eigentlich wie gemacht: Erst hatte sich der Schwede Simon Petterson vor ihn geschoben, dann auch Gerd Kanter aus Estland. Harting hätte 65,14 Meter übertreffen müssen, um zurück auf den Bronzerang zu kommen. Kein Ding der Unmöglichkeit, seine Bestweite 2018 lag bei 65,13 Metern, die hatte er Anfang Juni geworfen. Doch es blieb bei Rang sechs, Harting hatten an diesem Abend in Berlin die Kräfte verlassen. Sein Diskus landete bei 63,38 Metern. Trainer Badura schlug die Hände enttäuscht vors Gesicht, Harting zog mit einem Kopfschütteln davon.

Doch ihm einen großen Abschied zu bereiten, das hatte Berlin lange geplant, und so bekam er besondere Ehrungen, auf der Anzeigetafel prangte groß "Danke, Robert!", verbunden mit besten Wünschen für die Zukunft. "Es gibt noch ein Leben danach, da freue ich mich jetzt drauf", sagte Harting. "Es war ein bedeutsamer Abend für mich, denn der Kreis schließt sich hier. Es ist aber ein kleiner Wermutstropfen dabei." Dann lief er noch einmal die blaue Berliner Bahn ab, am 2. September folgt der endgültige Abschied beim Istaf-Meeting in der Hauptstadt. Wohl noch mal mit einem Duell gegen seinen Bruder Christoph, der diesmal im Vorkampf scheiterte.

Ein riesiges Foto hatte man zuletzt zu Robert Hartings Ehren auf ein Hotel am Berliner Breitscheidplatz projiziert - Harting war ja, insbesondere in den letzten Jahren, viel mehr als nur ein Diskuswerfer gewesen, er war das Gesicht und die Stimme und der nicht immer angepasste Kopf der deutschen Leichtathletik. 42 Meter breit, 70,66 Meter hoch war der Harting auf dem Hotel. 70,66 Meter - seine Bestleistung mit dem Diskus aus dem Jahr 2012. Das ist schon ein Weilchen her.

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