Robert Enke: Merkel über Depressionen:"Wir machen uns was vor"

Vor dem Länderspiel der Nationalmannschaft spricht die Kanzlerin: Sie hofft nach dem Tod von Enke auf mehr Verständnis für depressive Menschen. Auch in der Politik schwiegen viele über ihre Schwächen.

M. Kolb

Vor drei Jahren feierte Deutschland sein Sommermärchen und die Bundeskanzlerin war mittendrin. Oft fieberte sie auf der Tribüne mit und traf die Nationalspieler. Man merkte: Angela Merkel interessiert sich wie die meisten Deutschen für Fußball. Ihr besonderer Liebling Bastian Schweinsteiger bestätigte einst der Bild-Zeitung: "Frau Merkel hat Ahnung."

Robert Enke: Merkel über Depressionen: Angela Merkel mit einem Trikot von Energie Cottbus: Die Kanzlerin ist Ehrenmitglied des ostdeutschen Vereins.

Angela Merkel mit einem Trikot von Energie Cottbus: Die Kanzlerin ist Ehrenmitglied des ostdeutschen Vereins.

(Foto: Foto: ddp)

In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit spricht die Kanzlerin nun nicht nur über die ersten Tage der schwarz-gelben Regierung, sondern auch für den Suizid von Nationaltorwart Robert Enke, der das Land tagelang bewegte und beschäftigte.

Sie hoffe nun auf mehr Verständnis für depressive Menschen, sagte Merkel. Der Tod des 32-Jährigen gebe womöglich vielen Menschen die Möglichkeit, offener über Ängste und psychische Erkrankungen zu sprechen, sagte die CDU-Vorsitzende.

Sie könne deren Sorgen nachvollziehen: "Es gibt bei den Betroffenen auf der einen Seite die große Angst: Wenn man das zugibt, ist man kein Teil der funktionierenden Gesellschaft mehr." Allerdings fordert sie mehr Ehrlichkeit: Kaum ein Mensch könne von sich sagen, dass "er immer der Sonnyboy ist, der leistungskräftig und gutgelaunt zur Arbeit" schreite. Merkel ist überzeugt: "Wenn man krank ist oder etwas nicht kann, sollte man es ruhig sagen."

Die Angst von vielen

Der Tod des Torwarts, der jahrelang an Depressionen gelitten hatte, habe so viele Menschen berührt, "weil sich an einem berühmten Beispiel etwas zeigt, wovor viele Angst haben und was viel öfter passiert, als wir es uns vor Augen führen". Sie hoffe, dass nun "Mitmenschen Verständnis für diese Krankheit entwickeln und sie nicht stigmatisieren", sagte die Kanzlerin.

Als Politiker habe man schon aufgrund des etwas höheren Alters "ein großes Erfahrungspolster". Sie empfinde die Situation der Leistungssportler als schwierig: Diese wüssten stets, dass ihre Karriere "zwischen 30 und 40" vorbei sein werde - dabei erarbeite man sich in diesem Alter gerade erst die perönliche Reife. Die Schlussfolgerung der 55-Jährigen: "Deshalb dürfen wir junge Sportler auch nicht überfordern, dass sie immer funktionieren müssen."

Laut einer Studie der Universität Tübingen fühlt sich jeder zweite Leistungssportler durch die extremen Anforderungen immer wieder ausgebrannt und kraftlos. Fast ein Drittel der befragten Sportler leide an Schlafstörungen, jeder fünfte klage sogar über gelegentliche Depressionen.

In ihrem eigenen Umfeld, dem Politikbetrieb in Berlin, würden psychische Erkrankungen ebenfalls tabuisiert: "Die Politik ist immer ein Spiegel der Gesellschaft - einer Gesellschaft, in der über psychische Erkrankungen generell nicht offen gesprochen wird. Aber auch in der Wirtschaft nicht, gerade dort also, wo Menschen sehr hohem Stress ausgesetzt sind."

Dabei seien, so die Überzeugung Merkels, die graduellen Unterschiede zwischen gesund und krank sehr klein: "Da machen wir uns in der Gesellschaft etwas vor."

Zugleich ist das Gefühl, möglichst stark erscheinen zu müssen, auch Angela Merkel nicht fremd. Sie sagte in dem Zeit-Gespräch, es sei besser, zumindest nach außen keine Schwäche zu zeigen: "Besser ist es. Dann habe ich weniger Ärger." Wenn ihr auf der Regierungsbank mal die Augen zufielen, "habe ich viel Nacharbeit zu leisten".

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