Demichelis im Superclásico in Argentinien:1:0 für River Múnich

Demichelis im Superclásico in Argentinien: Martin Demichelis (li.) versuchte vieles, aber auch der River-Coach konnte das Chaos gegen die Boca Juniors nicht verhindern.

Martin Demichelis (li.) versuchte vieles, aber auch der River-Coach konnte das Chaos gegen die Boca Juniors nicht verhindern.

(Foto: Alejandro Pagni/AFP)

River Plate schlägt Boca Juniors im Stadtderby von Buenos Aires auf maximal grausame Weise. Der Trainer Martin Demichelis ist stolz - dabei endet die Partie mit einem formidablen Tumult und reihenweise Platzverweisen.

Von Javier Cáceres

Ein bisschen rührend wurde es dann auch noch: im Presseraum des Estadio Monumental von River Plate, wo sich Trainer Martín Demichelis hingesetzt hatte und fast umgehend gestand, dass er sich gar nicht traue, nach rechts zu schauen. Seine Frau Eva war dort, sagte er, und noch weitere Menschen, die ihm alles bedeuten, unter ihnen sein Sohn Bastian, der Balljunge gewesen war. Und Demichelis traute sich deshalb nicht, über die eigene Schulter zu schauen, weil er meinte, dann weinen zu müssen.

Es lastete also doch Druck auf Demichelis, der einst ein Baum von einem Verteidiger gewesen war, unter anderem beim FC Bayern - vor seinem ersten Superclásico, wie das Duell der zutiefst verfeindeten CA River Plate und Boca Juniors aus Buenos Aires genannt wird. River gewann so, wie sich Fans einen Sieg gegen einen Erzrivalen malen, auf maximal grausame Weise - mit 1:0, per Foulelfmeter, der auch noch in letzter Minute verhängt wurde. Danach erstarb die Partie in einem formidablen Tumult, der den Schiedsrichter in den Windmühlenmodus versetzte: Er verteilte nach einer minutenlangen Rauferei sieben rote Karten.

Ein Sieg im Derby von Buenos Aires kommt immer zur rechten Zeit, für Demichelis galt dies am Sonntagabend doppelt und dreifach. Wenige Tage vor der - alles in allem intensiven, aber mauen - Partie gegen Boca war River Plate in der Copa Libertadores bei Fluminense in Rio de Janeiro 1:5 untergegangen. Es war die schlimmste Libertadores-Niederlage der Geschichte Rivers. Eine Demütigung. Und ein Rückschlag, den so keiner so geahnt hatte. Nicht nach dem verheißungsvollen Beginn der Amtszeit von "Micho", wie Demichelis seit seiner aktiven Zeit genannt wird, als Trainer von River Plate.

Er war aus München in die Heimat gewechselt. Ende vergangenen Jahres hatte er den FC Bayern gebeten, seinen damals laufenden Vertrag als Trainer der zweiten Mannschaft vorzeitig zu beenden, der Klub willigte ein. Bei River übernahm er dann - mit dem früheren Nürnberger Javier Pinola als Assistenten - ein Erbe, das größer kaum hätte sein können.

Unter Vorgänger Marcelo Gallardo, dem "Püppchen", wie dieser genannt wurde, hatte River einen Stil etabliert und Erfolge erzielt, die international Aufsehen erregten. Unter anderem holte River mit Gallardo zwei Mal die Copa Libertadores, auch 2018, als das Finalrückspiel gegen Boca Juniors wegen schwerer Ausschreitungen beim Hinspiel in Buenos Aires in Madrid ausgetragen werden musste. In Buenos Aires gab es durchaus Debatten zur Frage, ob Demichelis nach der kurzen Zeit als Trainer der Bayern-Reserve reif genug sei, einen der größten Klubs Südamerikas zu übernehmen. Aber Demichelis kam, sah - und gefiel.

Demichelis im Superclásico in Argentinien: Szenen nach dem 1:0 für River: Auf dem Platz ging es kernig argentinisch zu.

Szenen nach dem 1:0 für River: Auf dem Platz ging es kernig argentinisch zu.

(Foto: Daniel Jayo/Getty Images)

Nach 15 Spielen führt River die Tabelle vor CA San Lorenzo, dem Lieblingsklub von Papst Franziskus, mit großem Vorsprung an; auch weil River zwischendrin mal eine Serie von acht Siegen ohne Gegentor hinlegte - derlei hatte es in der Geschichte des argentinischen Profifußballs nie gegeben. Das gerade erst erweiterte Stadion füllte sich verlässlich mit mehr als 80 000 Zuschauern, dafür muss nicht Boca vorbeischauen. "Wir lernen jeden Tag dazu", heißt es im Trainerteam von River.

Das beinhaltet, Fehler zu begehen und aus ihnen zu lernen, wie nach der Niederlage gegen Arsenal de Sarandí - danach stärkte das Trainerteam das Mittelfeld, statt wie zu Beginn noch mit drei Stürmern zu agieren. River kam so seriös daher, dass ein neuer Spitzname die Runde machte: Die gallinas (Hühner) und millonarios firmierten plötzlich unter dem Label "River Múnich". Die Ernsthaftigkeit des Übergangs stand überdies im Kontrast zu den Verwerfungen beim Erzrivalen Boca Juniors. Der ist zwar amtierender Meister, geht aber - wie der FC Bayern - durch ein paar turbulente Wochen. Unter anderem wurde Trainer Hugo Ibarra durch Jorge Almirón ersetzt. Der wiederum durfte nach dem Superclásico im Monumental nicht mit den Journalisten reden. Er sah wie drei River- und drei Boca-Spieler die rote Karte.

Die Keilerei hat ihr Nachspiel auf der Pressekonferenz

Im Presseraum wurde Almirón deshalb von Chiqui Romero vertreten, der latente Kritik an seinem früheren Nationalmannschaftskollegen Demichelis äußerte: "Mit dem früheren Trainer hatten sie erreicht, dass alle Welt positiv über sie redete", sagte Romero und deutete damit an: Das sei nun nicht mehr der Fall. Demichelis war darob verschnupft. Romero wiederum hatte seinen Teil zur Keilerei beigetragen. Sie war ausgebrochen, nachdem Miguel Borja in der Nachspielzeit den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte - und einer seiner River-Plate-Kameraden, Agustín Palavecinos, sich vor Boca-Spielern aufgebaut und ihnen ins Gesicht gebrüllt hatte, um den Sieg zu feiern. So etwas mache man nicht, fand Romero - und nahm sich Palavecinos zur Brust.

Es folgte eine Rudelbildung, Demichelis versuchte noch, beruhigend einzugreifen, ohne Erfolg. "Die Leidenschaft in diesem Land, egal wie zu gewinnen, überragt alles. Wir halten es nicht aus zu verlieren", erklärte er. Er war froh, und wie er das war, nach seinem ersten Sieg in einem Superclásico: "Es ist ein Privileg, eines der wichtigsten Derbys der Welt zu gewinnen."

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