Süddeutsche Zeitung

Ringen:Locker durchgerungen bis zum Titel

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Der Sieg bei der Europameisterschaft in Rom und vor allem seine herausragenden Leistungen bestärken Frank Stäbler in seinen ambitionierten Olympia-Plänen.

Von Volker Kreisl, Rom/München

Juri Lomadse konnte nichts dafür. Der Griechisch-Römisch-Ringer aus Georgien hat zwar auch schon Erfahrung, er ist zum Beispiel im vergangenen Jahr WM-Neunter in Nursultan/Kasachstan geworden und gilt als einer der schwierigeren Gegner auf der Matte. Dass er nun aber im EM-Finale der 72-Kilo-Klasse überhaupt keine Chance hatte, lag wohl hauptsächlich an der Euphorie, in der sich sein Gegner Frank Stäbler aus Musberg in diesen Tagen befindet.

Stäbler nähert sich zwar dem Ende seiner Karriere, befindet sich aber zugleich in einer großen Aufbruchsstimmung. Noch einmal hat er etwas Besonderes vor, er will eine Medaille bei Olympia, am liebsten die aus Gold. Dafür muss er außergewöhnliche Hindernisse überwinden, hat aber auch einen ausgeklügelten Plan, und ein Teil davon war nun sein Auftritt bei den Europameisterschaften in Rom.

Es wurde sein zweiter EM-Titel nach 2012, und es war verglichen mit seinen bisherigen Siegen ein Spaziergang. Seine Vorrundengegner hatte er alle beherrscht und schnell besiegt. Erst sein Halbfinalkontrahent, der Russe Adam Kurak, machte mal einen Punkt gegen den 30-Jährigen. Stäbler fand aber auch da den rechten Weg, am Ende stand es 11:1, und mit ähnlichem Schwung erledigte er schließlich die Aufgabe im Finale.

Wer schon drei WM-Titel hat, der hakt so etwas normalerweise glücklich, aber auch gemäßigt ab, doch Stäbler ist kein wohltemperierter Typ, er versicherte nach dem Erfolg von Rom, dass er überragend glücklich sei: "Bombastisch, unfassbar, hammermäßig, unglaublich - mir gehen die Superlative aus." Sein fünfter großer Titel! "Das ist so verrückt!" Diese recht deutliche Freude hat wohl nicht nur mit der Erleichterung des Siegers zu tun, sondern auch mit der Genugtuung, dass sein Plan aufzugehen scheint.

Rom sollte ihm einen ersten Schub bringen für die kommende Zeit, etwas von dem guten Gefühl der Überlegenheit. Der EM-Titel folgt auf eine lange Phase voller Ärger und Zwist, in der sich Stäbler samt seiner Ringerabteilung vom Hauptverein TSV Musberg gelöst hat und sich danach erst im ehemaligen Kuh- und dann im Hühnerstall des heimischen Bauernhofs ein mittlerweile recht professionelles eigenes Trainingszentrum einrichtete. Auch wollte er in Rom noch einmal internationales Flair abkriegen samt der Gewissheit, dass er auf dem neuesten Stand steht, ehe er sich zurückzieht und seine Trainings-, Fitness- und Diätpläne abarbeitet.

Der lockere Durchmarsch von Rom hat mit den erwarteten Aufgaben bei den Olympischen Spielen in Tokio freilich wenig zu tun. Das Niveau ist etwas geringer als bei weltweiter Konkurrenz, was auch dazu beitrug, dass mehr deutsche Ringer gute Ergebnisse erzielten: Hannes Wagner aus Lichtenfels wurde Dritter in der 82-Kilo-Klasse, ebenso Jello Krahmer (Schorndorf) im Schwergewicht (bis 130 Kilo). Die Leichtigkeit von Stäblers Auftritts lag auch daran, dass er in seiner natürlichen Gewichtsklasse antreten konnte, also wie jeder Sportler in seiner normalen Verfassung.

Vor Tokio muss er, weil das IOC die Anzahl der Ringer und Gewichtsklassen reduziert hat, zirka acht Kilo abnehmen, und dann als verschlankter Kämpfer mit 80 Prozent seiner Kräfte auf die Matte gehen. Das, so kalkuliert er, könnte reichen, um die letzte große Lücke in seiner Medaillensammlung zu schließen. Bei Olympia 2012 in London wurde er Vierter, 2016 in Rio verletzt Siebter, und sollte er nun in Magerform Gold holen, dann dürfte seine Reaktion interessant werden. "Hammermäßig" reicht dann nicht mehr.

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SZ vom 14.02.2020
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