Rickey Paulding:Die treueste Seele der Basketball-Bundesliga

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Rickey Paulding hat in der Basketball-Bundesliga alles erlebt - ob er auch noch das Weiterkommen seiner Oldenburger gegen Alba erlebt? (Foto: imago/Eibner)

In der BBL sind Vereine für viele Amerikaner nur Durchgangsstation - die große Ausnahme ist Rickey Paulding. In Oldenburg brauchen sie in den Playoffs gegen Berlin seine besonderen Fähigkeiten.

Von Matthias Schmid

Selbst in Kansas City kennen sie mittlerweile das Wappen der Stadt Oldenburg. Zumindest diejenigen, die im US-Bundesstaat Missouri in der Nachbarschaft von Rickey Paulding leben. Der amerikanische Basketballprofi der EWE Baskets Oldenburg hisst jedes Mal die Flagge seiner deutschen Lieblingsstadt im Garten, wenn er in den Sommermonaten mit seiner Frau und den drei Kindern in die Staaten zurückkommt.

Auf dem Oldenburger Wappen ist die markante rote Zinnenmauer zu sehen, bekrönt von drei blau bedachten Spitztürmen mit goldenen Kugeln, der mittlere breiter und höher; darin ein schwarzes Tor, innen daran angelehnt das goldene Schild mit zwei roten Balken. "Die Fahne ist mein Liebesbeweis an die Stadt", sagt Paulding.

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Bei ihm ist das nicht einfach so dahingesagt, nicht aufgesetzt. Bei ihm klingt das so zärtlich, als würde er ein Gedicht rezitieren. Paulding, 35 Jahre alt, lebt und spielt seit elf Jahren in der niedersächsischen Stadt an der Hunte. Er ist eine Ausnahmeerscheinung im Profi-Basketball, wo manche Sportler Arbeitspapiere für acht Wochen unterschreiben und der Wechsel beständiger ist als das Bleiben. Spieler wie Paulding sind selten, nicht nur in der Basketball-Bundesliga (BBL). "Vor allem für Ausländer ist es nicht normal, so lange für denselben Klub zu spielen", gibt Paulding zu, dessen Vertrag im Sommer 2019 endet. In Frankfurt ist noch ein Profi ähnlich verwurzelt, dort läuft Pauldings Landsmann Quantez Robertson, 33, seit fast einem Jahrzehnt für die Fraport Skyliners auf. Der aus Cincinnati stammende Guard war nach seiner Collegezeit für keinen anderen Profiklub aktiv. Derart treue Seelen findet man sonst kaum im schnelllebigen Basketball.

Der "ewige Rickey", wie er in Oldenburg genannt wird, ist der Liebling der Anhänger, ein Idol, ein uneitler und bescheidener Sympathieträger, der dem Klub zu einer Meisterschaft (2009) und einem Pokalsieg (2015) verholfen hat. Warum er schon so lange das Oldenburger Jersey überstreift, beantwortet Paulding mit einem Lächeln: "Weil ich Grünkohl so liebe."

Das Wort "Grünkohl" sagt er auf Deutsch, er beherrscht die Sprache fließend, aber wenn er über sich erzählt, macht er das lieber auf Englisch. Der Grünkohl ist aber nur die halbe Wahrheit. Es liegt vor allem an seiner Familie, dass er sich im Norden Deutschlands so wohlfühlt. "Es ist das Wichtigste für mich, dass ich meine Liebsten ständig um mich herum habe", erzählt Paulding. Er ist ohne Vater aufgewachsen, das hat ihn geprägt; als er wusste, dass er mit Basketball Geld verdienen kann, hat er sich geschworen: "Ich werde nirgendwo ohne meine Familie spielen."

Paulding begann seine Profikarriere 2004 bei Hapoel Jerusalem, danach war er zwei Jahre in Frankreich aktiv, erst für Asvel Lyon-Villeurbanne, dann für BCM Gravelines. Als er im Sommer 2007 mit seiner Frau nach Oldenburg übersiedelte, hatten sie noch keine Kinder. "Aber wir haben schnell gemerkt, dass wir hier bleiben wollen", erzählt er, "weil das ein hervorragender Ort ist, um Kinder großzuziehen." Mittlerweile haben sie zwei Jungen und ein Mädchen. Die älteren Buben, zehn und sieben Jahre alt, gehen in Oldenburg zur Schule, sie spielen Basketball und Fußball. "Sie haben viele Freunde und genießen es, hier zu sein", sagt Paulding stolz.

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Natürlich kommen sie auch zu den Heimspielen ihres Vaters in die Halle. Sie haben früh gelernt, dass ihr Vater ein besonderer Spieler ist, einer, der attraktiv und zugleich sehr effizient Basketball spielt. Paulding ist das, was man einen kompletten Profi nennt: Er verteidigt zwar auch sehr gut, aber in der Offensive entfaltet der Flügelspieler seine Vielseitigkeit am besten.

Rickey Paulding, 1,96 Meter groß, ist ein Spieler, den sich ein Trainer wünscht: fleißig, gewissenhaft, unwiderstehlich. "Wenn es am Ende hart auf hart kommt, ist auf Rickey immer Verlass", lobt Oldenburgs Trainer Mladen Drijenčić seinen Kapitän. Paulding hat schon aus schier unmöglichen Distanzen Spiele mit dem letzten Wurf entschieden, aber er ist nicht nur ein exzellenter Dreipunktewerfer: Er vermag dank seiner Athletik so schnell zum Korb zu ziehen und Angriffe mit einem Korbleger oder einem Dunking abzuschließen, als würde er eine Abkürzung dorthin kennen.

Dass er mit 35 Jahren langsam in eine Phase kommt, in der andere über das Ende der sportlichen Karriere nachdenken, weil schon morgens beim Aufstehen die Muskeln und Gelenke schmerzen oder die Sprungkraft nachlässt, blendet Paulding nicht aus, aber er dramatisiert es auch nicht. "Ich fühle mich körperlich großartig", versichert er. Und er erkennt sogar einen Vorteil: Mit zunehmendem Alter verstehe er sich mit seinem Körper viel besser. "Ich weiß inzwischen, was ich brauche, um gut zu spielen", erklärt er. Als junger Profi habe er sich häufig zu sehr unter Druck gesetzt, das hat ihn gehemmt. "Mittlerweile habe ich verstanden, dass gute und schlechte Spiele einfach dazugehören", sagt Paulding.

Wer sich mit ihm unterhält, lernt einen Menschen kennen, der leise spricht, zurückhaltend auftritt und sich nicht allzu wichtig nimmt. Erst auf dem Parkett, wenn er sich ein Trikot angezogen hat, verwandelt er sich in einen Sportler, der aus sich herausgeht, laut sein kann und seine Mitspieler leidenschaftlich führt. Er hat diese Hauptrolle gerne inne, weil er den Wettbewerb liebt, die Playoffs. Das Niveau in der Bundesliga sei in den vergangenen Jahren rasant gestiegen, sagt Paulding. "Das Interesse, der Zuspruch der Fans ist überall in Deutschland größer geworden und hat dazu geführt, dass mehr Geld in den Basketball investiert wird und sich die Klubs auf diese Weise viel bessere Spieler leisten können."

Paulding motiviert das alles, der verschärfte Konkurrenzkampf holt das Beste aus ihm heraus. In der vergangenen Spielzeit hat er seine Mannschaft mit denkwürdigen und bemerkenswerten Darbietungen ins Playoff-Finale gegen Brose Bamberg gebracht, das die Oldenburger dann klar verloren. Eine ähnliche Überraschung traut Paulding seiner Mannschaft auch in dieser Meisterrunde zu. Nach anfänglichen Verletzungssorgen hat sie zum Ende der Hauptrunde hin - auch mit einem Sieg über den Titelfavoriten FC Bayern - angedeutet, zu welchen Leistungen sie fähig ist. "Wir können wieder weit kommen", glaubt er, "auch ins Endspiel."

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Nach den Playoffs werden er und seine Familie wieder nach Kansas City zurückkehren und im Garten die Oldenburger Flagge hissen. Ob er nach seiner Karriere ganz in sein Haus in Missouri ziehen wird, ist noch nicht abzusehen. "Wir können uns auch vorstellen, in Oldenburg zu bleiben", sagt Paulding. Er habe schon Ideen für die Karriere nach der Karriere; er könnte beispielsweise als Trainer arbeiten oder Basketballcamps für Kinder organisieren. "Ich muss herausfinden, was das Beste für mich ist", erzählt er, "aber ich würde gerne später etwas mit Basketball machen."

Das Ende seiner aktiven Karriere will er freilich so lange wie möglich hinauszögern. Er könne sich auch gut vorstellen, so lange wie Dirk Nowitzki zu spielen, fügt er hinzu. Der deutsche Basketballer wird im Juni 40 und läuft seit zwanzig Jahren für die Dallas Mavericks in der US-Profiliga NBA auf. Rickey Paulding wird noch viel Grünkohl essen und ein paar Verträge in Oldenburg unterschreiben müssen, um mit ihm gleichzuziehen.

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