Rick Zabel:Alles wie beim Papa

01 05 2017 xmhx Radsport Rund um den Finanzplatz Eschborn 2017 emspor v l Rick Zabel Team Ka

Diese Gesichtszüge, diese Gesten, dieses Auftreten: Nicht nur weil der Radprofi Rick Zabel äußerlich sehr an seinen Vater erinnert, versprechen sich in der Branche einige Beobachter viel von ihm in den nächsten Jahren.

(Foto: Jan Huebner/imago)
  • Mit seinem zweiten Platz in Frankfurt sorgt der junge Radprofi Rick Zabel für Aufsehen.
  • Die ständigen Vergleiche mit seinem erfolgreichen Vater Erik sieht er gelassen.
  • Rick Zabel hat ein großes Ziel: die Tour de France.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Der junge Mann mit den bekannten Gesichtszügen fährt gerade sein viertes Jahr als Radsport-Profi, aber zum Peloton gehört er schon viel länger. Als er im Kindergartenalter war, saß er oft auf den Schultern des Herrn Papa, wenn der auf dem Podium mal wieder ein neues Grünes Trikot bejubelte. Als er 13 Jahre alt war, war er der Anlass für ein tränenreiches (aber bloß rudimentäres) Doping-Geständnis seines Vaters, der als Grund für seine Beichte angab, den Filius nicht mehr anlügen zu können. Und als er mit Anfang 20 langsam in den professionellen Renn-Zirkus einstieg, da sagten alle: Mensch, diese Gesichtszüge, dieses Lächeln, dieses Auftreten, alles wie beim Papa.

Rick Zabel ist jetzt 23, und er ist auf dem besten Weg, in eine ordentliche Radsport-Karriere hineinzufahren. Vor zwei Jahren bestritt er seine erste große Rundfahrt, den Giro d'Italia. Bei der Österreich-Rundfahrt feierte er kurz darauf im Sprint seinen ersten und bisher einzigen Tagessieg als Profi. Vor wenigen Wochen absolvierte er erstmals einen großen Klassiker, die "Classicissima" im Nordosten Italiens.

Und am Montagabend brachte er im Finale des Traditionsrennens rund um Frankfurt das Kunststück fertig, seinem Katjuscha-Kapitän Alexander Kristoff aus Norwegen den Sprint so gut anzuziehen, dass dieser seinen dritten Erfolg bei diesem Rennen einfuhr - und er selbst noch auf Platz zwei ins Ziel kam vor seinem Landsmann John Degenkolb. So mancher in der Branche erwartet von Rick Zabel viel in den nächsten Monaten und Jahren.

Im Winter wechselte er zum schlecht beleumundeten Team Katjuscha

Es gibt in Deutschland diverse Profis auf diesem Niveau, manch einer wird sich vielleicht zu einem Siegfahrer entwickeln, manch einer wird wieder verschwinden, ohne dass die Szene überhaupt groß Notiz von ihm nimmt. So läuft das im Sport-Mittelbau. Wohin der Weg bei Rick Zabel führt, ist noch ungewiss, aber in jedem Fall ist er in einer anderen Position als vergleichbare Mitstreiter.

Er weiß selbst genau, dass er auf absehbare Zeit nicht nur als eigenständiger Radprofi wahrgenommen wird, sondern auch als "der Sohn von" - als der Sohn von Erik Zabel, der ihn einst auf dem Podium so schön auf die Schultern hob und im Fernsehen so viele Tränen vergoss. Der mit seinen mehr als 200 Siegen, mit seinen Klassiker-Triumphen, WM-Medaillen und sechs Grünen Trikots bei der Tour de France als erfolgreichster deutscher Radprofi der vergangenen drei Dekaden gilt. Und der Jahre nach seiner ersten Beichte zugab, nicht nur kurz, sondern im großen Umfang gedopt zu haben, Epo, Kortison, alles, was so en vogue war.

So eine Vaterfigur neben sich kann mal Vor- und mal Nachteile haben, es kann helfen, es kann nerven; der Sport hat da schon in alle Richtungen Belege und Geschichten geliefert. Zabel junior, der noch immer in seiner Geburtsstadt Unna lebt, erweckt zumindest den Eindruck, dass er sich ganz gut eingependelt hat. Den ständigen Vergleich sei er gewöhnt und halte er für erlaubt, sagt er: "Man muss jetzt kein Hellseher sein, um zu sagen, dass ich wahrscheinlich nicht die gleiche Karriere wie er haben werde. Ich versuche, alles zu geben und eine tolle Karriere zu haben. Wenn ich nur die Hälfte davon gewinne, was der alles gewonnen hat, dann wäre ich immer noch überglücklich." Sein Vater fungiert noch immer als sein Ratgeber. Vor allem vor Rennen, an der er noch nie teilnahm, wie in diesem Frühjahr Mailand - Sanremo, rufe er noch einmal an und hole sich Tipps.

Zabel sieht bei Katjuscha die besten Entwicklungschancen

Auch vor seinem jüngsten Karriereschritt dürfte er seinen Vater gesprochen haben. Im Winter ging Zabel vom Team BMC zu Katjuscha, jenem schlecht beleumundeten Team mit russischen Strukturen, das sich nun ganz anders und viel internationaler aufstellen und das Schmuddelimage abstreifen möchte - unter anderem mit deutschen Fahrern wie dem Zeitfahr-Spezialisten Tony Martin oder eben Rick Zabel. Nach seinem Wechsel hat Zabel ein paar sehr steile Thesen zum Doping-Thema rausgehauen, so gab er von sich, Katjuscha habe "so stark ausgemerzt wie kein anderes Team"; bevor bei der Mannschaft "noch mal etwas Blödes passiert, würden sie sich die linke Hand abhacken". Ob er für diesen Satz im Peloton und bei den Beobachtern eine Mehrheit finden würde, ist eher unwahrscheinlich.

Aber Zabel sieht bei Katjuscha die besten Entwicklungschancen, und die sollen ihn schon recht bald recht weit führen. Als er am Montagabend in Frankfurt über seine starke Fahrt spricht, da gibt er sich zwar nicht zu fordernd, aber ein klares Ziel formuliert er schon: einen Platz im Neuner-Aufgebot der Tour de France, den will er erreichen. Zunächst stehen aber die Kalifornien-Rundfahrt und die Tour de Suisse an, erst danach vergibt die Mannschaftsleitung die Plätze. Dass die Tour in diesem Jahr in Deutschland beginnt und dass das Team auch durch den Einstieg des Bielefelder Shampoo-Herstellers Alpecin als Co-Sponsor deutscher geprägt ist, dürfte dabei kein Nachteil sein. Und in Kristoff könnte er auch einen Fürsprecher haben, wenn er ihm die Spurts immer so gut anzieht wie am Montag in Frankfurt.

In diesem Fall wäre die Last des Vatervergleichs auch gar nicht zu groß. Als Erik Zabel 1994 seine erste Tour fuhr, lautete die Bilanz: kein Tagesplatz unter den Top Ten - und Aufgabe nach Etappe 14.

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