Richtungsstreit in München:Gewaltige Drohkulisse lähmt 1860

Football: Germany, 2. Bundesliga

Nette Kerlchen in einem völlig zerstrittenen Tollhaus: Wenigstens Sechzger und Sechzgerl sind gute Freunde und stets einer Meinung.

(Foto: imago)
  • Verwaltungsrat und Präsidium des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München gehen ohne Lösung in der Sportchef-Frage auseinander.
  • Sie würden gerne Sportchef Poschner entlassen, wissen aber nicht, wie Investor Ismaik reagieren würde.
  • Es drohen massive wirtschaftliche Probleme oder gar die Insovenz.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Es muss ein recht eigentümliches Treffen gewesen sein, als der Verwaltungsrat und das Präsidium des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München am Mittwochabend zusammenkamen, um über die Zukunft des Sport-Geschäftsführers Gerhard Poschner zu beraten. Die Meinungsbildung habe klar ergeben, dass keiner der Verwaltungsräte eine weitere Saison mit Poschner bestreiten mag; auch habe das Gremium dem Präsidium die Entscheidung empfohlen, alle erdenklichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, um ihn loszuwerden. So berichtete es der Verwaltungsrat der SZ.

Ganz so klar empfand das Präsidium um Gerhard Mayrhofer diese Empfehlung wiederum nicht; das Kontrollgremium erklärte demnach lediglich, hinter der Entscheidung des Präsidiums zu stehen, wie auch immer sie ausfalle. Empfehlung oder Unterstützung - das ist in diesem Fall allerdings ein meilenweiter Unterschied. Das Verantwortungs-Jojo erklärt sich vor dem Hintergrund der anstehenden Verwaltungsrats-Wahlen und der gleichzeitigen Angst, die KGaA mit einer Entlassung Poschners in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten oder gar in die Insolvenz zu bringen.

Wer will schon verantwortlich dafür sein, den TSV 1860 München mit einer Entscheidung in die Insolvenz getrieben zu haben? Einen Verein, in dem die Anhänger auch nach elf Jahren noch nicht den Namen eines Spielers vergessen haben, der vor dem Abstieg aus der Bundesliga einen Elfmeter neben den Pfosten setzte? Das war schon das Dilemma des früheren Präsidenten Dieter Schneider, bevor er sich entschloss, Anteile an einen wildfremden Menschen zu verkaufen.

Und diese Angst - ob nun berechtigt oder nicht - ist auf Seiten der Vereinsvertreter immens: Zumal sie auf der Investorenseite nur noch den Münchner Repräsentanten Noor Basha als Ansprechpartner haben, der in Treue fest zu Poschner steht und per Hashtags im Internet mehrmals angekündigt hat, er könne jeden vernichten, der plane, "uns aufzuhalten".

Und Hasan Ismaik, der so eigentümlich verschollene Investor, der von Basha in München angeblich vertreten wird, ist für die Vereinsseite nicht zu erreichen. Niemand kann mit ihm eine Entscheidung und mögliche Konsequenzen besprechen. "Wir hätten gerne nur die fachliche Komponente behandelt", sagte ein Verwaltungsratsmitglied der SZ, "aber man muss auch die investorenpolitische Seite berücksichtigen." Die fachliche Komponente kommt naturgemäß zu einem vernichtenden Urteil über die Arbeit von Sportchef Poschner.

Die investorenpolitische Seite muss hingegen eine gewaltige Drohkulisse berücksichtigen: Schon im Herbst müssen mal wieder, wie jedes Jahr, Darlehen Ismaiks in Genussscheine umgewandelt werden, um nicht gegen die Auflagen der Deutschen Fußball-Liga bezüglich der Eigenkapitalquote zu verstoßen. Und zum 31. Dezember des Jahres könnte Ismaik dann Darlehen über mindestens sechs Millionen Euro offenbar gänzlich kündigen. Für dieses Szenario bräuchten die Löwen bis dahin einen anderen Geldgeber, der einer Firma einen Kredit gibt, die Ismaik gehört - ohne im Gegenzug Anteile zu erwerben.

"Der Streit mit Ismaik ist immer der Gleiche"

Zudem muss sich der Beirat der Profifußball-KGaA, in der neben Mayrhofer und Karl-Christian Bay auch Ismaik und Basha sitzen, laut der Geschäftsordnung ohnehin erst einmal treffen, ehe ihn der Klub mit der 50+1-Regel übergehen könnte. Vor einigen Tagen berief Bay nach SZ-Informationen eine Beiratssitzung ein und lud selbstredend auch Ismaik ein - eine Antwort lässt auf sich warten. Was passiert, wenn der Investor die Einladung schlicht ignoriert, müssen die Vereinsvertreter erst noch herausfinden.

Sie suchen zwar schon seit Monaten nach potenziellen Käufern von Ismaiks Anteilen - und dies ist ihnen offenkundig ein noch weitaus dringlicheres Anliegen als eine sofortige Trennung von Poschner. Doch ist es dem Vernehmen nach allein äußerst schwierig, einen direkten Kontakt aufzubauen zwischen Interessenten und Investor. Weil Basha, sollte es zu Gesprächen kommen, offenbar auf das Recht der Erstverhandlung besteht. Und weil Basha, dem es in München gut gefällt, ein Motiv hat, den Verkauf der Anteile zu verhindern.

Doch der Verein hat ein noch weitaus stärkeres Motiv, ihn zu forcieren. "Der Streit mit Ismaik ist immer der Gleiche. Er wird sich in meinen Augen niemals ändern", sagte ein Verwaltungsratsmitglied der SZ angesichts der Tatsache, dass nun schon die Zusammenarbeit mit dem dritten Präsidium nicht funktioniert. "Mein Wunsch wäre, dass man sich einigt. Mein Gefühl sagt mir aber, dass das nicht geschehen wird. Irgendwann muss man halt sagen, dass man den weiteren Weg alleine gehen muss."

Aus Kreisen des Verwaltungsrats war am Donnerstag zudem das Gleichnis zu vernehmen, Sportchef Poschner verhalte sich wie ein Busfahrer, der mit 150 Sachen losbrettert und direkt auf eine Mauer zuhält. Für den TSV 1860 und seine Insassen gilt das schon seit vier Jahren. Seit Ismaik am Tag der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags erklärte: "Löwen schlafen bekanntlich sehr lange. Aber wenn sie wach sind, dann sind sie unbesiegbar."

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