Richard Schmidt im Interview:"Das wird dann ein Schlag ins Gesicht für die sauberen Athleten"

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Ruderer Richard Schmidt. (Foto: Elmar Kremser/Sven Simon/imago)

Vier Jahre Sperre und keine Großveranstaltungen? Ruderer und Athletenvertreter Richard Schmidt zweifelt daran, dass die Strafmaßnahmen gegen Russland streng umgesetzt werden.

Interview von Johannes Aumüller, München

Vor gut einer Woche verkündete die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ihre jüngste Entscheidung im russischen Staatsdoping-Skandal. Formal lautet der Beschluss, dass Russland wegen der fortgesetzten Manipulation von Labordaten für vier Jahre nicht an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften teilnehmen und in dieser Zeit auch keine Großveranstaltungen ausrichten darf. Allerdings gibt es zahlreiche Schlupflöcher. So findet etwa die WM der Rennrodler im Februar wie geplant in Sotschi statt, andere Events werden folgen. Und es dürfen auch weiterhin russische Sportler starten, wenn sie in einem - bislang noch nicht konkret definierten Prozedere - nachweisen, dass sie nicht ins Manipulationssystem involviert waren.

Die Mehrheit der Wada-Athletenkommission hatte vor der Entscheidung einen Komplettausschluss Russlands gefordert. Zu diesem Gremium gehört auch der deutsche Ruderer Richard Schmidt, 32, der in den vergangenen Jahren mit dem Achter sechs WM-Titel sowie in London die olympische Goldmedaille gewann.

SZ: Herr Schmidt, wie fällt Ihre Bewertung der Wada-Entscheidung aus?

Richard Schmidt: Das ist schon eine Zäsur, denn solch eine Entscheidung gab es noch nie, und das ist erst einmal gut. Wir als Wada-Athletenvertreter waren in der Mehrzahl für einen kompletten Bann. Der kam nicht, und deshalb hoffen wir, dass die Maßnahmen streng umgesetzt werden. Aber ich habe da Zweifel. Stattdessen befürchte ich, dass Mittel und Wege gefunden werden, das Ganze aufzuweichen. Und das wird dann ein Schlag ins Gesicht für die sauberen Athleten.

Was lässt Sie zweifeln?

Schauen Sie sich einfach den russischen Einfluss in der Sportwelt an. Die Entscheidung wird jetzt auch wieder eine Sache der Fachverbände sein, und da stecken so viele Sponsorengelder und Abhängigkeiten dahinter. In manchen Verbänden wie bei uns im Rudern geht das noch, aber in anderen ist es extrem. Das zeigte sich doch auch schon vor den Spielen in Rio.

Damals schob das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Fachverbänden die Aufgabe zu, Athleten zuzulassen oder auszuschließen. Es starteten am Ende 282 russische Sportler. Jetzt will die Wada selbst stärker in den Auswahlprozess involviert sein. Macht das Mut?

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Das sollte mehr Mut machen, aber ob das so ist, weiß ich nicht.

Sie waren für einen kompletten Bann. Das Argument vieler Sportfunktionäre lautet, dass man doch unschuldigen Athleten das Startrecht nicht verweigern dürfe.

Das ist eine Abwägungssache, die mir nicht leicht gefallen ist. Natürlich gibt es auch unschuldige Athleten. Nur finde ich, dass die Schwere des Vergehens und das kontinuierliche Vertuschen durch die russische Seite ...

... die Manipulation der früheren Daten aus dem Moskauer Labor, die der Grund für die neueste Sanktion sind, fand bis Anfang 2019 statt ...

... auch ganz klar und hart sanktioniert werden müssen. Die Vergehen sind jetzt schon wiederholt passiert, und man hat auch nicht das Gefühl, dass sich da wirklich etwas ändert. Da ist eine Grenze überschritten. Es geht um die Athleten, die in Russland unschuldig sind, ja. Aber es geht auch um alle anderen Athleten der Welt, die wirklich unschuldig sind.

Dabei ist sogar noch fraglich, ob sportrechtlich valide alle russischen Athleten ausgeschlossen werden können, die von dem System und der fortgesetzten Datenmanipulation profitierten.

Es wäre die größte Schande, wenn Athleten mitmachen könnten, die wirklich ins System involviert waren.

Die frühere Parasportlerin Victoria Aggar erklärte nach der Entscheidung der Wada ihren Rücktritt aus der Wada-Athletenkommission und sagte: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Wada noch existiert. Zu viele politische Machtspiele, zu viele Konflikte und zu viele Eigeninteressen haben zu viele schlechte Entscheidungen, Kompromisse und gebrochene Versprechen zur Folge." Teilen Sie das?

Das ist ihr Eindruck, den ich nicht zu 100 Prozent vertrete. Ja, es gibt viele Eigeninteressen, und es ist sehr mühsam, Entscheidungen beziehungsweise Kompromisse zu finden. Aber ich denke, in einer großen weltweiten Organisation, die so viele wichtige Entscheidungen treffen muss, sind Meinungsverschiedenheiten ein ständiger Begleiter. Ich hoffe, dass man zukünftig konstruktiv und produktiv weiter in der Wada zusammenarbeiten kann.

Mit welchem Gefühl gehen Sie mittlerweile in einen Wettkampf, an dem neben Ihnen ein russischer Athlet teilnimmt?

Bei den Ruderern spielte Russland in den vergangenen Jahren keine große Rolle. Ich persönlich versuche, mich im Wettkampf davon freizumachen. Natürlich ist da ein Gefühl, dass die nicht ganz sauber sind. Aber in dem Moment, wenn die russischen Athleten starten, bringt es auch nichts, sich einzureden, dass die gedopt sind. Ich als Athlet muss davon ausgehen, dass jeder Starter sauber ist, auch wenn es manchmal schwierig ist.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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