Rhein-Neckar Löwen im Handball:"Wir sind mental runtergekracht"

Rhein-Neckar Loewen v MT Melsungen - DKB HBL

Mads Mensah Larsens Reaktion steht sinnbildlich für den Zustand der Rhein-Neckar Löwen

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Rhein-Neckar Löwen verlieren gegen die MT Melsungen überraschend mit 23:24 - und erstaunen damit die Handballszene.
  • Damit fällt der vermeintliche Titelfavorit in der Tabelle hinter die SG Flensburg-Handewitt zurück.
  • Die Mannheimer erleben derzeit einen Einbruch, der viele Fragen zu Tage bringt.

Von Michael Wilkening, Mannheim

Es war nur ein Satz von vielen, der an diesem Nachmittag voller Euphorie gesagt wurde. Die Männer in den gelben Trikots sprachen von Glück, von Erleichterung, von Stolz, sie redeten ganz viel über grenzenlose Freude. Andy Schmid sprach aber auch von Leere. Im elften Versuch hatten die Rhein-Neckar Löwen Anfang Mai geschafft, das Final-Four-Turnier in Hamburg siegreich zu beenden, endlich war der Klub aus Mannheim am Ziel. "Der Druck war so enorm hoch", sagte Schmid nach dem Finalsieg über die TSV Hannover-Burgdorf und nachdem er den Pokal in den Händen gehalten hatte. Der Kapitän hatte mit seiner Mannschaft den Malus des gesamten Klubs getilgt. Doch Schmid spürte in diesem Moment schon, wie viel Energie dieser Erfolg gekostet hatte. Er sagte: "Ich fühle eine große Leere in meinem Kopf."

Es klingt paradox, aber sehr wahrscheinlich haben die Rhein-Neckar Löwen die Handball-Meisterschaft an dem Tag verloren, als sie den DHB-Pokal gewannen. Anfang Mai, als ein rot-weißer Konfetti-Regen auf die Pokalhelden herabrieselte, betrug der Vorsprung in der Liga auf die SG Flensburg-Handewitt vier Punkte. Angesichts eines überschaubar schweren Restprogramms mit vier Heim- und nur noch zwei Auswärtsspielen gab es keinen Zweifel in der Handball-Bundesliga, dass die Löwen nach der Pokal- bald eine Double-Feier folgen lassen würden. Doch daraus wird wohl nichts.

Das Pokaltief überschattet die Restsaison

Die Löwen haben in den vergangenen drei Spielen fünf Punkte gegenüber den Flensburgern verloren. Durch die jüngste 23:24-Niederlage gegen die MT Melsungen sind sie hinter den Konkurrenten aus dem Norden zurückgefallen. Zuvor gab es ein klares 23:29 beim Dritten Berlin und ein 25:25 beim Tabellen-13. in Erlangen. Die Leistungen des ehemaligen Ersten in diesen Partien offenbarten, wie groß die Anspannung der Löwen beim Pokalturnier gewesen sein muss.

Am Ende einer langen Saison sind die Akteure der Topklubs überspielt, die Muskulatur ist ermüdet und verlangt nach Ruhe. Nur mit einem wachen Geist lässt sich der Körper in einer solchen Phase überlisten. Den Löwen ist das nicht mehr gelungen. "Wir sind aus diesem psychischen Pokaltief nicht herausgekommen", räumte Schmid nach dem 25:25 am vergangenen Wochenende in Erlangen ein: "Wir sind mental nach dem Pokaltitel runtergekracht."

Der brachiale Absturz aus schwindelerregenden Höhen

Die Löwen meisterten in den vergangenen Jahren viele Drucksituationen, sie haben deshalb zwei Mal die Meisterschaft gewonnen, aber dieses Mal war alles anders. "Das hat mich mehr ausgesaugt als man sich vorstellen kann", sagt Schmid über den Pokalsieg. "Ich habe gegen meine Leere gekämpft, aber ich habe es nicht geschafft", räumte der Schweizer nach der Pleite gegen Melsungen ein. Der bisweilen geniale Spielmacher der Löwen ist einfach müde. "Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich in den zurückliegenden vier, fünf Jahren mal eine so miserable Leistung gezeigt habe", sagt er.

Null Hoffnung auf einen Ausrutscher der Konkurrenz

Ein durchschnittlicher Auftritt des Spielmachers hätte vermutlich genügt, um die Melsunger niederzukämpfen und sich in den noch ausstehenden Heimspielen gegen Ludwigshafen und Leipzig die dritte Meisterschaft in Serie zu sichern. In der Spielehatz war den Löwen aber schlicht kein Freiraum geblieben, um den Pokalerfolg und die Bedeutung für den Klub einzuordnen. "Man kann bei unserem Pensum weder Höhen noch Tiefen reflektieren", sagte Schmid. Die Höhe nach dem Sieg in Hamburg war schwindelerregend, der jetzt erfolgte Absturz in der Liga ist umso brachialer.

In Flensburg ist die Freude über die unverhoffte Chance groß, nach vielen vergeblichen Anläufen nach 2004 zum zweiten Mal Deutscher Meister werden zu können. Theoretisch können auch die Berliner Füchse, aktuell wie die Löwen einen Zähler hinter der SG, den Titel gewinnen. Aber dazu müssten Flensburg und die Löwen noch einmal patzen - das ist aber derzeit kaum vorstellbar.

Und die Löwen? Wenn Andy Schmid gefragt wird, ob er noch Hoffnung auf einen Ausrutscher der Flensburger habe, sagt er: "null."

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