Süddeutsche Zeitung

Revierderby BVB vs Schalke:Pennäler vorm ersten Date

Lesezeit: 3 min

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Wer ermessen wollte, wie fundamental unterschiedlich ein torloses Remis aufgenommen werden kann, der tat gut daran, die beiden Lager aus Dortmund und Schalke nach dem Schlusspfiff unter die Lupe zu nehmen. Auf der einen Seite die müden Artisten in schwarz-gelb, die reichlich verzagt zur Südtribüne trotteten, um sich bei ihren Fans zu bedanken. Und dann gegenüber im Norden des mächtigen Dortmunder Stadions die Anhänger in blau und weiß, die ihre Mannschaft frenetisch feierten.

Eine Nullnummer, die für solche Ausschläge sorgt: Das ist eigentlich nur möglich, wenn die sich in inniger Abneigung zugetanen Rivalen aus dem Revier die Klingen kreuzen. Schalke durfte sich bei der 171. Auflage des ewig jungen Schlagabtauschs als Punktsieger fühlen, weil es seinen Kontrahenten in der ersten Halbzeit mit großem Geschick den Schneid abgekauft hatte und sich nach dem Wechsel, als die vorher so harmlosen Borussen mit Nachdruck auf den Sieg drängten, mit Leidenschaft und ein wenig Glück gegen die Niederlage stemmte.

Der BVB ist nun vier Spiele ohne Sieg

Entsprechend zufrieden reagierte Schalkes Trainer Markus Weinzierl, nachdem er sein erstes Revierderby hinter sich gebracht hatte: "Wir haben eine tolle erste Halbzeit gespielt und uns den Punkt redlich verdient, auch wenn wir am Schluss mächtig unter Druck geraten sind." Kapitän Benedikt Höwedes ergänzte: "Wir sind absolut auf einem guten Weg, nachdem wir den Saisonstart in den Sand gesetzt haben." Dagegen treten die Dortmunder auf der Stelle. Vier sieglose Spiele in Serie, das gab es noch nie, seit Thomas Tuchel das Zepter übernommen hat. "Wir haben viel zu wenig gepunktet in den letzten Wochen, das müssen wir definitiv verbessern", sagt Mario Götze: "Das fühlt sich nicht gut an, wenn wir einen so hohen Aufwand betreiben und uns dafür nicht belohnen."

Auch wenn der Vergleich vor allem in der zweiten Halbzeit mit hoher Intensität geführt wurde, war es kein Ruhrpott-Vergleich, der in Erinnerung bleiben wird. In einem von außen so sehr gepushten Spiel gehe es auch um ein gewisses "Derby-Know-How", so hat es der ehemalige Dortmunder Patrick Owomoyela umschrieben.

Gemeint ist die Fähigkeit, die Wucht, die enorme Intensität und die besonderen Emotionen, die bei diesem Kräftemessen freigesetzt werden, so zu kanalisieren, dass positive Energien freigesetzt werden. Das brodelnde Ambiente kann nämlich durchaus das Gegenteil bewirken und die Protagonisten erstarren lassen.

Was Owomoyela meint, wurde in der ersten Hälfte des Bruderkampfes offensichtlich: Der Matchplan von Dortmunds Trainer Thomas Tuchel war stringent, er wollte Schalkes Dreierkette, die sich in der Rückwärtsbewegung zur Fünferkette verdichtet, mit seinen schnellen Außen aushebeln. Doch sowohl Pulisic auf rechts als auch Dembélé auf links ließen sich von resoluten Schalkern den Schneid abkaufen. Die beiden Teenager wirkten gehemmt wie Pennäler vor ihrem ersten Date. Tuchel monierte das "mangelhafte Passspiel, wir haben viele einfache Fehler gemacht und uns schwer getan, unseren Rhythmus zu finden."

Während sich die Gäste aus Gelsenkirchen mit breiter Brust in die Zweikämpfe warfen, wirkten die Dortmunder seltsam verzagt und ließen sich immer wieder den Schneid abkaufen. Entsprechend war die Ausbeute: Zum ersten Mal seit Beginn der Datenerfassung im Jahre 1992 hatte der BVB in der ersten Halbzeit eines Heimspiels keinen einzigen Torschuss zu verzeichnen. Das war nun wirklich nicht das, was sich der Fan unter Derbyfieber vorstellt. Da sich auch die Schalker selten in die Vorwärtsbewegung trauten, neutralisierten sich zwei Teams, die allzu viel Respekt voreinander hatten.

Dembélé trifft die Latte, Fährmann hält gegen Götze

Schalke erhöhte nach dem Seitenwechsel für einige Minuten den Druck: Kolasinac prüfte Bürki, die Führung schien möglich zu sein. Der BVB schüttelte sich und nahm den Kampf endlich an. Dembélé traf die Latte (53. Minute), es war die erste zwingende Aktion der Gastgeber. Jetzt endlich war Zug und Tempo in einer Begegnung, die sich lange dahingeschleppt hatte. Pulisic nahm eine Flanke direkt, doch der Ball flog über die Querlatte. Die nächste Großchance hatte Götze, dessen Schuss aus kurzer Entfernung Fährmann parierte. Die Borussia belagerte den Schalker Strafraum, Aubameyangs Drehschuss verfehlte sein Ziel knapp. Doch der eine Treffer, der das Spiel entschieden hätte, er fiel nicht mehr.

Den Schalkern konnte das nur recht sein, der Trend spricht ganz klar für sie. Wettbewerbsübergreifend ist der Klub nun seit sieben Spielen ungeschlagen. "Wir geben Gas und belohnen uns für den Aufwand, den wir betreiben", sagt Höwedes. Sein Trainer Weinzierl formulierte es noch prägnanter: "Null zu null passt, so können wir weitermachen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3227910
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.10.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.