Formel-1-Rennen in Deutschland:"Vor leeren Rängen zu fahren, kann nicht das Ziel sein"

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Hockenheim hat viele Rennen erlebt, wie hier beim Grand Prix von Deutschland 2002. (Foto: i)

Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler spricht über die unsichere Zukunft der Formel 1 in Deutschland und die Euphorie, die Mick Schumacher auslöst.

Interview von Philipp Schneider

SZ: Herr Seiler, der Rechteinhaber Liberty Media legt fest, dass die Rennserie kommendes Jahr in zwei neuen Ländern fahren wird. Gesichert ist Hanoi in Vietnam. Auch ein Rennen in Zandvoort in den Niederlanden ist angedacht. Gerade hat Geschäftsführer Chase Carey verkündet: "Das heißt, dass wir nicht alle aktuellen Rennen behalten können." Wünschen Sie sich manchmal Bernie Ecclestone als Verhandlungspartner zurück?

Georg Seiler: Mit Bernie waren Verhandlungen immer sehr leicht, weil er als Einzelperson entscheiden konnte. Von heute auf morgen.

Wie hatte man sich das damals vorzustellen? Da trafen Sie Ecclestone, aßen ein Steak, tranken Wein - und fertig war der Vertrag?

Manchmal aßen wir auch zwei Steaks. Und dazu ein Dessert. Aber ganz so einfach war es dann auch wieder nicht. Wir haben zunächst über die Rahmenbedingungen gesprochen. Und dann hat jeder intern seine Hausaufgaben gemacht. Den letzten großen Vertrag haben wir im Jahr 2001 mit Ecclestone geschlossen. Der lief zehn Jahre. Das, was folgte, waren Ergänzungen. Aber man hatte immer nur mit Ecclestone zu tun in den Gesprächen. Und er war immer ein fairer und vertrauensvoller Partner. Die Zeit war auch ein Faktor. Wenn man 40 Jahre mit jemandem partnerschaftlich auskommt, dann wirkt sich das auf das Verhältnis aus. Auch wenn es an den Zahlen nichts ändert.

In diesem Jahr gastiert die Formel 1 noch auf dem Hockenheimring. Wie laufen die Verhandlungen mit Liberty Media für 2020?

Bei Liberty Media muss man längere Wege gehen. Auch weil wir uns das klare Ziel gesetzt haben: Wir legen nicht drauf. Wir wollen keine Verluste machen mit der Formel 1. Dass das nicht einfach ist, weiß auch Liberty Media. Weil wir keinerlei Förderung erhalten, sind die Summen in den Verträgen, die Liberty sonst abschließt, mit uns nicht machbar. Wir verhandeln, aber eigentlich haben wir nur eine Chance, wenn ein anderer Grand Prix ausfällt und der Deutschland Grand Prix explizit gewünscht wird von Liberty. Wenn allein die Gebühr entscheidet, sieht es relativ schlecht aus für uns.

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Auf der Strecke in Barcelona könnte die Formel 1 am Sonntag zum vorerst letzten Mal fahren. Die Stadt Barcelona hat angekündigt, ab 2020 ihre finanzielle Unterstützung einzustellen. Dann wäre die Situation ähnlich wie am Hockenheimring?

Die Rechnung ist einfach: Wenn es zwei neue Strecken geben wird und die Zahl der Rennen bei 21 bleibt, muss mindestens eine Rennstrecke rausfallen. Vermutlich Silverstone, Monza, Barcelona, Mexiko, oder wir.

Allesamt Traditionsstrecken, deren Verträge in diesem Jahr auslaufen. Täuscht der Eindruck, oder war der ebenfalls profitorientierte Bernie Ecclestone etwas weniger profitorientiert als Liberty Media? Hat Ecclestone ein wenig mehr Rücksicht genommen auf die Tradition der Formel 1?

Ecclestone hat auch schon Verträge geschlossen, die lukrativ waren. Aber am Ende ist Liberty Media ein Wirtschaftsunternehmen. Dafür muss man Verständnis haben. Ich würde mir lediglich wünschen, dass wir als Traditionsstrecke eine andere oder eine besondere Rolle einnehmen. Dieser Sport kann ausbluten, wenn es weniger bis gar keine Traditionsstrecken mehr gibt. Nur vor leeren Rängen zu fahren in Ländern, die keinerlei Motorsporttradition haben, das kann nicht das Ziel der Besitzer dieser Serie sein. Liberty Media hat mehrfach versichert, dass ihnen Tradition wichtig ist. Jetzt wird man sehen, wie wichtig sie ihnen wirklich ist. Und inwiefern sie bereit sind, finanzielle Kompromisse einzugehen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie mit Liberty Media eine Vereinbarung für ein Rennen 2020 treffen können?

Letztes Jahr waren wir zum gleichen Zeitpunkt in einer ähnlichen Situation. Da wussten wir auch nicht, ob wir 2019 auf dem Hockenheimring fahren würden. Jetzt wissen wir: Wir fahren 2019. So kann es erneut kommen. Das Pendel kann aber auch in die andere Richtung ausschlagen.

In vergangenen Jahr fuhr Sebastian Vettel zum Zeitpunkt des Rennens am Hockenheimring um die Weltmeisterschaft. Sie hatten sehr gute Besucherzahlen. Diesmal sieht es ganz danach aus, als würde Vettel nicht um die Weltmeisterschaft fahren. Wie hart trifft sie das?

Sehr hart. Der deutsche Fan will einen deutschen Fahrer sehen. Unabhängig von Mercedes als deutschem Hersteller, ist Vettel im Ferrari ein Zugpferd. Man kann sich nur wünschen, dass sich in der Formel 1 das Rad wieder dreht und etwas mehr Spannung einkehrt.

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Deshalb wird es spannend sein zu sehen, wie viele Zuschauer am Sonntag zum Rennen kommen. Es war zu hören, auch wenn es noch nicht gesichert ist, dass der Ticketverkauf rückläufig ist. Aber gerade in Spanien spielt der Local Hero noch einmal eine ganz andere Rolle. Es würde uns jedenfalls sehr helfen, wenn Sebastian Vettel in diesem Jahr vorne mitfahren würde.

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Von Philipp Schneider

Am Donnerstag kamen Journalisten aus aller Welt zu einer Medienrunde mit Mick Schumacher. Der Sohn des siebenmaligen Weltmeisters bestreitet gerade erst sein erstes Jahr in der Formel 2 und trotzdem ist das Interesse an ihm jetzt schon enorm. Warum haben Sie die Formel 2 dieses Jahr nicht an den Hockenheimring locken können?

Wir bedauern es sehr, dass es nicht geklappt hat. Wir haben darum gekämpft. Wir haben alles Mögliche getan, um das Rennen ausrichten zu können. Aber letztlich ist es nicht unsere Entscheidung. Auch Liberty Media hat sich bemüht. Aber sie haben in der Formel 2 eine feste Anzahl an Rennen. Und die waren schon verteilt auf andere Strecken.

Zu dem Zeitpunkt als der Kalender fixiert wurde, stand aber noch nicht fest, dass Mick Schumacher aufsteigen würde in die Formel 2?

Nein. Aber es war absehbar. Was nicht abzusehen war: Dass der Hype um Mick Schumacher so groß sein würde. Dass Schumacher etwas auslösen würde, war klar. Aber dass eine solche Kraft, eine solche Euphorie dahintersteckt, das ist erstaunlich. Und das haben vielleicht auch die Verantwortlichen zu spät realisiert. Sie haben sich aber bis zum Schluss bemüht, einen Kalender, der schon offiziell bestätigt war, noch um ein Rennen zu erweitern.

Es sieht ja ganz danach aus, als würde Mick Schumacher mittel- bis langfristig in der Formel 1 landen. Wäre das Rennen am Hockenheimring in diesem Moment gerettet?

Das glauben wir schon. Aber es kann uns leider niemand garantieren. Wir sagen: Wir werden in Zukunft keine Verluste mehr machen in der Formel 1. Wenn uns jemand garantieren würde, dass 80 000 bis 90 000 Zuschauer kommen, dann könnten wir problemlos einen Vertrag mit Liberty schließen.

Sie benötigen im Grunde nur jemanden, der Ihnen eine Sicherheit gibt für den Fall, dass es bei den Zuschauerzahlen einen Totalausfall gibt?

So ist es. Und wer gibt uns diese Sicherheit?

Georg Seiler ist Geschäftsführer des Hockenheimrings. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Niemand?

So ist es. Wir kämpfen ja immer darum. Aber weder vom Bund, noch vom Land, noch von der Region erhalten wir Unterstützung.

Haben Sie dafür Verständnis?

Nein. Schon allein deshalb nicht, weil man sich ja nur anschauen muss, was andere Rennstrecken in der Vergangenheit an Unterstützung erhalten haben. Ich erinnere an den Nürburgring, der 500 Millionen Euro an Mitteln erhalten hat. Ich erinnere an den Lausitzring, der entsprechend staatlich finanziert wurde. Ich erinnere an den Sachsenring, der heute noch von Sachsen unterstützt wird. Wir haben nie etwas bekommen, obwohl die Formel 1 in Hockenheim schon diverse Male auf der Kippe stand. Das mögliche Ende unserer Veranstaltung war niemals eine Drohkulisse, sondern real. Und trotzdem blieben die Hilferufe unerhört. Für uns ist es ganz einfach: Die Fans müssen kommen, dann haben wir eine Zukunft. Wenn sie nicht kommen, schreiben wir Verlust.

Für die Auflage in diesem Jahr ist Ihnen Liberty Media finanziell weit entgegengekommen. Und Sie konnten Mercedes als Titelsponsor gewinnen. Rechnen Sie mit deren Unterstützung auch für 2020?

Wir rechnen nicht damit. Aber es ist durchaus ein Denkmodell.

Es gibt auch noch einen weiteren Konkurrenten. Aber über die Strecke an den Dünen von Zandvoort in den Niederlanden heißt es, sie sei teilweise so schmal, dass dort zwei Rennautos nicht nebeneinander fahren können. Wie ist Ihr Eindruck?

Auf der Strecke in Zandvoort kann in dieser Form nicht gefahren werden. Sie muss umgebaut werden. Aber es gibt offenbar Investoren, die 60 bis 80 Millionen in die Strecke investieren. Wenn man die Erfolge von Max Verstappen sieht und die Begeisterung der Holländer, dann mag die Entscheidung für Zandvoort gerechtfertigt sein. Für uns ist die Strecke ein weiterer Konkurrent.

Was sagt Ihr Bauchgefühl? Wie stehen die Chancen für Hockenheim 2020?

Wenn es bei 21 Rennen bleibt, entscheidet zunächst das viele Geld, das die neuen Formel-1-Standorte bringen. Jedes Wirtschaftsunternehmen wäre verrückt, wenn es dieses nicht annehmen würde. Wenn es also darum geht, Traditionsrennen zu halten, kann das nur funktionieren, wenn man sich von Strecken verabschiedet, die schon etwas länger dabei sind, aber wenig Tradition haben. Es geht um Rennen wie jene in Sotschi und Bahrain, bei denen man nicht weiß, wie lang ihre Verträge noch laufen. Wir konkurrieren ja nicht nur mit den neuen Formel-1-Ländern, die ganz andere Beträge zahlen. Wir konkurrieren auch mit Strecken in europäischen Ländern, die eine starke Förderung genießen. Außer uns erhalten nur Silverstone und Spielberg keine Förderung. Aber der Grand Prix in Österreich wird bekanntlich von Red Bull betrieben.

Sie wollen im Sommer aufhören als Geschäftsführer des Hockenheimrings, nach 41 Jahren. Bleibt es dabei?

Ich habe jetzt einfach mal gesagt: Am 30. August ist für mich Schluss. Irgendwo muss man doch einen Strich ziehen. Ich bin jetzt 67. Zwei Jahre habe ich also schon drangehängt. Aber ich bin Hockenheimer. Ich bin in Hockenheim aufgewachsen und kenne noch die alte Strecke, als durch die Stadt gefahren wurde. Ich werde das Rennen sicher niemals aus den Augen verlieren.

© SZ vom 12.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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