Renato Sanches:Letzte Rettung: Lissabon

Bayern Muenchen v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Schwierige Lage: Renato Sanches scheint beim FC Bayern keine Zukunft zu haben.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • Der FC Bayern könnte den Mittelfeldspieler Renato Sanches erneut verleihen.
  • Die Münchner planen offenbar ein Geschäft mit seinem Ausbildungsverein Benfica Lissabon.
  • Die Transfer-Geschichte des Portugiesen ist voller Missverständnisse.

Von Jonas Beckenkamp

Dass 35 Millionen Euro eine Menge Geld sind, wissen sie beim FC Bayern durchaus. Sie haben diese Summe ja eigenhändig ausgegeben, als sie 2016 einen jungen Mann namens Renato Júnior Luz Sanches von Benfica Lissabon verpflichteten. Dieser Renato Sanches war nach der EM in Frankreich ganz schön begehrt. Er wuselte und pflügte durchs Mittelfeld des Europameisters Portugal. Mit 18 Jahren sollte dieser Mann die Zukunft sein. Doch jetzt, mit gerade einmal 20, ist er irgendwie schon wieder aus der Mode gekommen. Zumindest beim FC Bayern.

Nüchtern liest sich die Nachrichtenlage so, dass die Münchner laut Berichten des Kickers und der portugiesischen Zeitung A Bola ein Leihgeschäft mit Benfica anstreben. Dass sie Sanches noch einmal ein Jahr abgeben wollen, damit dieser sensible Fußballer daheim wieder in Form kommt. Etwas weniger nüchtern, beziehungsweise tiefgründiger betrachtet, offenbart die Personalie Sanches ein sündhaft teures Missverständnis, das die Bayern nun irgendwie aus der Welt schaffen wollen. Fraglich ist dabei, ob Sanches seinen bislang 25 Einsätzen in der Bundesliga überhaupt noch welche hinzufügen wird.

Hoeneß möchte den Bayern-Kader ohnehin verkleinern

Schließlich gibt es durchaus Gründe, die nahelegen, dass die Bayern für ihren jüngsten Problemfall kaum noch Verwendung haben. Seit 2016 hat der Klub in jedem Jahr mindestens einen Spieler verpflichtet, der exakt dieselbe Position besetzt wie Sanches: Erst kamen 2017 Corentin Tolisso und Sebastian Rudy, aktuell folgt mit Leon Goretzka der nächste Fußballer aus der Kategorie "zentraler Alleskönner". Ohnehin erinnert die Situation im Bayern-Mittelfeld ein wenig an Stau auf dem Mittleren Ring, denn neben den Genannten balgen sich - nach aktuellem Stand - kommende Saison noch Arturo Vidal, Javi Martínez, James Rodríguez und Thiago um Einsatzzeiten.

Selbst wenn bei Letzterem die Gerüchte um eine Barcelona-Rückkehr stimmen, wäre es immer noch verdammt eng auf der Kommandobrücke des FC Bayern. Trotzdem hatte Karl-Heinz Rummenigge kürzlich verkündet, dass man es mit Sanches nach dessen - wenig erfolgreicher - Ausleihe zu Swansea City noch mal probieren wolle. "Er kommt zurück. Niko Kovač wird versuchen, ihn zu früherer Stärke zurückzuführen. Das ist eine spannende Aufgabe", sagte der Vorstandsboss dem Münchner Merkur.

Rummenigge wurde mit seiner Fürsorge sogar noch deutlicher: "Renato hat zwei schwierige Jahre hinter sich, die meines Erachtens mit seinem Aufstieg als Golden Boy der EM 2016 zusammenhingen. Wir waren vor zwei Jahren total überzeugt von ihm und werden jetzt nicht den Stab über ihn brechen." Wie die aktuellen Verleihpläne zurück nach Lissabon mit solchen Aussagen zusammenpassen sollen, ist eine bayernspezifische Inkongruenz - entscheidend ist sicher auch das Bauchgefühl von Uli Hoeneß. Der Bayern-Präsident hat Sanches noch nicht ganz aufgegeben, aber er möchte seinem neuen Trainer Niko Kovač eben auch keine unzufriedene Bank- und Tribünenfraktion aufzubürden.

Ganz zu schweigen von weiteren Transfers im 35-Millionen-oder-mehr-Bereich. Diese möchte Hoeneß im Gegensatz zu Rummenigge ("Dann, wenn es notwendig ist") lieber vermeiden. Er sagte dieser Tage der Abendzeitung: "Wenn ich auch im Fußball immer höre: Jetzt brauchen wir noch den Star und den Star ... - nein, ein Trainer ist ein Fußballlehrer, der seinen Spielern etwas lehren muss." Bereits bei der Meisterfeier auf dem Rathausbalkon hatte er sogar noch entschiedener geklungen: "Wir werden nichts mehr investieren, sondern werden unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen." Für Renato Sanches gilt diese Anschubhilfe offenbar nicht - zumindest nicht in der kommenden Saison.

Sanches' Herkunft stellte Bayern vor Herausforderungen

Bei einem Abschluss des Leihgeschäfts mit Benfica würde Sanches zu dem Verein zurückkehren, bei dem er mit viel Gespür ausgebildet wurde. Nach seiner Kindheit im Problemviertel Musgueira in der Lissaboner Vorstadt holte Portugals Rekordmeister ihn 2008 in seine Akademie. Schon dort galt Sanches, Kind einer são-toméisch-kapverdischen Einwandererfamilie, als Versprechen. Als einer, der Benfica mal viel Geld bringen könnte - was sich dank der Bayern bewahrheitete. 2015 fand er den Weg ins Profiteam, 24 Mal lief er für Benfica in der ersten Liga auf (zwei Tore), 2016 folgte sein Debüt in der Nationalelf. Es waren rasante Schritte ins Glanzlicht - und das mit 18 Jahren.

Doch in München geriet dieser gerade volljährige, schüchterne Junge in eine fremde Welt, viele Reisestunden von zu Hause entfernt. Gerüchte, dass er seine Zeit in Deutschland einigermaßen verloren und isoliert verbrachte, waren immer wieder zu vernehmen. Auch akutes Heimweh und diverse verspätete Rückkünfte nach Reisen zu seiner Familie mussten die Münchner intern moderieren. Beim FC Bayern hatten sie es nach den Erfahrungen mit dem Brasilianer Breno (der vereinsamte und schließlich betrunken sein Haus in Grünwald in Brand setzte) mit intensiver Betreuung im Privaten versucht. Doch heimisch wurde Sanches ohne Deutsch- und Englischkenntnisse kaum.

Zudem schien ihn die Last seiner Transfersumme von 35 Millionen auf dem Platz zu hemmen. Wenn er spielte, dann meist fahrig. Oft spielte er wochenlang gar nicht. Und aus seiner Zeit in Swansea ist vor allem eine Szene bekannt, als er einen Fehlpass Richtung Werbebande spielte - die er mit einem Mitspieler zu verwechseln schien.

Vor Kurzem sagte nunmehr Ex-Swansea-Coach Carlos Carvalhal, selbst Portugiese, über die mögliche Rückkehr von Sanches zu Benfica: "Wenn das möglich wäre, wäre das der beste Schritt." Letzte finanzielle Rahmenbedingungen müssen zwischen München und Lissabon offenbar noch geklärt werden. Danach dürfte der Weg frei sein für den Spieler, dessen Vertrag in München noch bis 2021 läuft. Er führt ihn in eine alte, vertrautere Welt, in der er endlich wieder so Fußball spielen kann, wie er es eigentlich vermag.

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