Relegation Wolfsburg gegen Braunschweig:"VW-Klub" gegen "Piss-Verein"

Wer hat die erste Liga mehr verdient? Der große Test vor dem Relegations-Derby Wolfsburg gegen Braunschweig.

Von Carsten Scheele

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Wer hat die erste Liga mehr verdient?

Eintracht Braunschweig v Karlsruher SC - Second Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Die Braunschweiger würden sagen: Na wir, wer sonst. Schließlich sind wir der Traditionsverein, Wolfsburg nur ein aufgemöbelter Retortenklub. Die Eintracht hingegen, gegründet 1895, hat sich durch alle Niederungen gekämpft, spielte aber auch 21 Jahre Bundesliga. Die einzige Meisterschaft 1967 ist legendär, da das Team um Lothar Ulsaß häufig 1:0 gewann und nur 27 Gegentore kassierte. Anschließend schwere Zeiten in der Amateur-Oberliga, Regionalliga und 3. Liga. Wer Braunschweig-Fan ist, der weiß, was Leiden bedeutet - und wäre allein deshalb eine Bereicherung für die erste Liga.

Die Wolfsburger würden sagen: Klar haben Braunschweig oder Hannover in Niedersachsen eine lange Tradition - aber wir auch. Von Kritikern wird es so dargestellt, als hätte VW die Mannschaft ab 2001 aus dem Nichts im Profifußball etabliert, dabei wird häufig verschwiegen, dass der VfL bereits 1945 gegründet wurde. Wolfsburg spielte lange unterklassig, ab 1992 gelang es dem Klub, die zweite Liga zu halten. Seit 20 Jahren nun spielt der VfL in der Bundesliga - einmal gelang die Meisterschaft: 2009, mit dem Wolfsburger Wundersturm Grafite/Dzeko. Noch immer gilt Wolfsburg, wenn es denn sportlich endlich wieder laufen würde, von der Struktur her als potentieller Bayern-Herausforderer. Allein deshalb sollte der VfL in der Liga bleiben.

Trotzdem, Punkt für Braunschweig.

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Wer kann sich auf seine Fans verlassen?

VfL Wolfsburg v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Die Unterstützung in Wolfsburg ist groß. Alle in der Stadt und bestimmt jeder Zweite am Fließband von VW halten zum VfL. Die Fans sind lauter und treuer, als ihnen das manch einer in der Republik zutrauen würde (Stichwort: VW-Klub). Doch die Anhängerschaft ist erfolgsverwöhnt, in den vergangenen 20 Jahren ging es fast ausschließlich nach oben. Ob die Fans auch Relegation können?

Bis weit in den Norden, wo eigentlich die Hoheitsgebiete von Hannover und Wolfsburg beginnen müssten, reicht die Braunschweiger Fangemeinde. Die Anhängerschaft gilt als treu, fanatisch und laut, die Ultra-Szene ist allerdings berüchtigt, leistete sich manche Geschmacklosigkeit, etwa als sie vor einem Derby mit Hannover 96 ein Schwein mit der Rückennummer eins in der Stadt aussetzte - eine Anspielung auf den Tod von 96-Torwart Robert Enke. Nach dem letzten Zweitligaspiel dieser Saison hielten die Braunschweiger Spieler ein Fan-Transparent hoch, auf dem stand: "Blau-gelbe Invasion - auch ohne Karte nach Wob." Das gab Ärger.

Unentschieden.

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Wer hat mehr Geld verbrannt?

Paul Breitner im Trikot der Eintracht Braunschweig, 1977

Quelle: Werner Baum/dpa

In dieser Kategorie ist Wolfsburg schwer zu schlagen. Unvergessen, als der Klub 2015 binnen weniger Monate fast 90 Millionen Euro in die Spieler Draxler, Schürrle und Kruse investierte - und alle den Verein längst wieder verlassen haben. Gerade der entlassene Geschäftsführer Klaus Allofs drehte, wenn es die Transfers betraf, gerne am ganz großen Rad. Sein Nachfolger Olaf Rebbe müht sich, das Image vom reinen "Käuferverein" loszuwerden - kein leichtes Unterfangen.

Die Braunschweiger sind der Geldverbrennerei eher unverdächtig. Noch nie hat der Klub mehr als eine Million Euro in einen neuen Spieler gesteckt, so zählt Paul Breitner (Archivfoto), der 1977 für 1,6 Millionen Mark von Real Madrid kam, noch immer zu den Toptransfers. Auch als die Eintracht zuletzt 2013 in die erste Liga aufstieg, blieben große Transfers aus - Braunschweig stieg als Letzter wieder ab.

Klarer Punkt für Wolfsburg.

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Wer schießt sein Team in die erste Liga?

VfL Wolfsburg v Borussia Moenchengladbach - Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

Bei Wolfsburg kann das nur Mario Gomez sein. Es erscheint zwar sehr durchsichtig, aber die Mitspieler versuchen penetrant, ihren Chefstürmer in Szene zu setzen. Das klappt mal besser, etwa beim 3:3 gegen Leverkusen, als er dreimal traf. Oder schlechter, wie am letzten Spieltag beim HSV. Gomez bleibt cool, was die Relegation angeht: "Bei aller Liebe, das müssen wir schaffen."

Braunschweig setzt voll auf den ewigen Domi Kumbela. Der ist schon 33, spielt bereits zum dritten Mal für Braunschweig, ist aber immer noch wertvoll. In der gemeinsamen Erstliga-Saison 2013/14, als Braunschweig 2:0 gegen Wolfsburg gewann, erzielte Kumbela einen Treffer. Er sagt: "Der VfL hat viel Geld und große Stars, wir haben unsere Mittel."

Unentschieden.

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Wer ist wie stark vom Sponsor abhängig?

Volkswagen

Quelle: Julian Stratenschulte/dpa

Ohne VW gäbe es in Wolfsburg gar keine Bundesliga. Der VfL ist huntertprozentige Tochter, hängt komplett am Tropf des Autobauers. Ein Wolfsburger Abstieg wäre ein weiterer, schwerer Imageschaden für den skandalgeplagten Konzern. Da fragte die Bild-Zeitung durchaus gewitzt: "Darf Braunschweig überhaupt aufsteigen?"

Braunschweig hat eine Ahnung von den Wolfsburger Verhältnissen. Auch die Eintracht erhält viel Geld von Volkswagen, die Zuwendungen etwa der VW-Tochter Seat sichern einen Großteil des Etats. Und Hoffnung keimt: Der ranghohe VW-Manager Francisco Javier García Sanz fuhr zur Verabschiedung der Wolfsburger Mannschaft ins Trainingslager im Seat vor!

Unentschieden.

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Wessen Trainer rockt mehr?

Torsten Lieberknecht Braunschweig Trainer schwört die Fans auf die Relegation ein Fussball 2 B; Torsten Lieberknecht Eintracht Braunschweig 2017

Quelle: imago/foto2press

Wie sehr Andries Jonker rockt, ist nicht ausreichend belegt. Gut möglich, dass der Wolfsburger Trainer (seit Februar im Amt) auf Entspannungsmusik setzt - schließlich hielt er es in München drei Jahre als Co-Trainer unter Louis van Gaal aus. Allerdings warf er dem Verein bei seinem Abschied vor, er habe sich "verarscht" gefühlt. Das klang wiederum nicht sonderlich entspannt.

Torsten Lieberknecht (seit 2008 im Amt) ist da ein anderes Kaliber. Er kann mit dem neumodischen Schnickschnack vieler Spieler nichts anfangen, hört lieber AC/DC, ZZ Top oder Magnum. Ist auch rhetorisch manchmal auf Hardrock gepolt, hat Braunschweig nach fragwürdigen Schiedsrichter-Entscheidungen in der ersten Liga mal "kleiner Piss-Verein" getauft, was prompt zum T-Shirt-Verkaufsschlager wurde.

Punkt für Braunschweig.

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Wer leistete sich die dümmste Aktion der Saison?

DSC Arminia Bielefeld v Eintracht Braunschweig - Second Bundesliga

Quelle: Bongarts/Getty Images

In Wolfsburg gab es einige fragwürdige Entscheidungen, aber vielleicht war es doch kontraproduktiv, Julian Draxler für viele Abermillionen nach Paris zu verkaufen? Draxler hatte keine große Lust mehr auf Wolfsburg, hätte aber vielleicht jene zwei, drei Tore erzielt, die den Wolfsburgern am Ende fehlten.

Bei Braunschweig wiegt das 0:6 am vorletzten Spieltag in Bielefeld schwer. Das hergeschenkte Spiel vermieste der Mannschaft nicht nur das Torverhältnis und beraubte sie der Chance, direkt aufzusteigen - sondern ließ auch Zweifel an der Bundesligatauglichkeit aufkommen.

Unentschieden. Damit 4:3 für Braunschweig, das bedeutet eigentlich nur: Es wird sehr, sehr knapp am Donnerstag (Hinspiel in Wolfsburg) und Montag (Rückspiel in Braunschweig).

© Süddeutsche.de/ska
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