Relegation:Union steigt auf - Stuttgart steigt ab

  • Riesenjubel bei Union Berlin: Der Verein steigt erstmals in die Fußball-Bundesliga auf.
  • Der VfB Stuttgart muss dagegen - nach 2016 - erneut in die zweite Liga absteigen.
  • Nach dem 2:2 im Hinspiel reicht Union ein 0:0 im Rückspiel zum Aufstieg.

Von Javier Cáceres, Berlin

Der authentische Fußball-Osten des Landes ist zurück in der Bundesliga. Zehn Jahre nach dem Abstieg von Energie Cottbus ist mit dem 1. FC Union Berlin am Montagabend ein Verein ins Oberhaus aufgestiegen, der anders als das Retortenprodukt RB Leipzig tatsächlich noch in der DDR-Oberliga spielte. Im Rückspiel der Relegation verteidigten die Köpenicker gegen den VfB Stuttgart ein 0:0, das ihr 2:2 aus dem Hinspiel in Gold verwandelte. Wegen der Auswärtstorregel wurde Union zum ersten Zweitligisten seit Fortuna Düsseldorf 2012, der in der Relegation einen Bundesligisten aus dem Weg räumt.

Wer etwas von dem Ambiente mitbekommen konnte, das schon Stunden vor Beginn der Partie rund um das Stadion An der Alten Försterei herrschte, der konnte sich kaum vorstellen, dass es für Union einen Weg am Aufstieg vorbei geben könnte. Der Mannschaftsbus wurde mit einem infernalisch anmutenden pyrotechnischen Feuerwerk empfangen - und mit dem inbrünstigen Ruf, der später das schon früh überfüllte Stadion pulsieren lassen sollte: Eisern Union!

Relegation: Die Union-Fans tragen Michael Parensen über den Rasen.

Die Union-Fans tragen Michael Parensen über den Rasen.

(Foto: AFP)

Die Macht flammender Herzen auf den Rängen trug dazu bei, das Spiel von Beginn an in eine tempogeladene Angelegenheit zu verwandeln. Beim VfB war freilich nichts von szenischer Angst zu spüren. Im Gegenteil. Er war darum bemüht, Union fußballerisch einzuschüchtern. Das entsprang der Logik der Arithmetik, einer Notwendigkeit, wenn man so will: Da in der Relegation die auswärts erzielten Tore bei Torgleichstand nach Hin- und Rückspiel den Ausschlag geben, lagen die Stuttgarter bei Spielbeginn virtuell zurück, ein 0:0 qualifizierte Union für die Bundesliga. Es spielte ihnen dabei in die Karten, dass die Berliner in keiner Weise erkennen ließen, proaktiv agieren zu wollen. Allerdings: Sie wirkten dabei alles andere als verhuscht. Vielmehr schienen sie verabredet zu haben, mit der Geduld eines Fischers zu warten. Mit der Geduld ihres Trainers Urs Fischers, der übrigens ein passionierter Angler ist.

Zwei Stuttgarter kämpfen mit Kopfverband weiter

Und so ließen die Unioner auch über sich ergehen, dass die Stuttgarter in der neunten Minute Tor brüllten: Nachdem Ozan Kabak im Anschluss an eine Ecke aus kurzer Distanz an Torwart Rafal Gikiewicz gescheitert war (4.), bekamen die Stuttgarter am Halbmond des Strafraums einen direkten Freistoß zugesprochen. Dennis Aogo traf mit einem wunderbaren Linksschuss - doch Angreifer Nicolás González hatte sich hinter die Mauer und damit ins Abseits geschlichen. Der Videoschiedsrichter annullierte den Treffer. Kurz danach hatte Anastasios Donis eine weitere Großchance. Doch sein Schuss verfehlte knapp das Ziel.

Rund um die 20. Minute kam es zu einer kuriosen Situation. Stuttgarts Holger Badstuber und sein Innenverteidigerkollege Kabak rasselten bei einer Abwehraktion mit den Köpfen zusammen und schlugen sich dabei die Köpfe blutig - was den Mannschaftsärzten von Union Berlin die Gelegenheit gab, zu beweisen, dass sie den hippokratischen Eid beherzigen: Er untersagt Ärzten - unter anderem -, Patienten zu schaden. Sie behandelten Kabak und legten ihm einen blauen Turban an; Badstuber spielte mit einem weißen Kopfverband weiter, aus dem Medizinkoffer des VfB.

Wer weiß, ob das den Bruch im Spiel brachte, der danach zu beobachten war: Der VfB blieb bestimmend, kontrollierte den Ball und zeigte ein ums andere Mal, dass man über die größere individuelle Klasse verfügte. Chancen gab es aber nur durch Zufall, als Donis nach einer Flipper-Abwehraktion der Unioner den Ball in die Arme von Gikiewicz köpfte, oder durch einen 20-Meter-Schuss von Zuber, den Unions Keeper zur Ecke lenkte. Und so ging es mit einem 0:0 in die Halbzeit, das, wie gesagt, Union zum Bundesligisten machte.

Zur zweiten Halbzeit kam daher der frühere deutsche Nationalstürmer Mario Gomez, der das krude Geschäft der Relegation seit seiner Zeit beim VfL Wolfsburg kennt, für González. Doch das fruchtete trotz obszön anmutender Überlegenheit auch deshalb nicht, weil den Stuttgartern eine spielerische Linie fehlte. Nach knapp einer Stunde wechselte VfB-Trainer Nico Willig den Regisseur Daniel Didavi ein. Doch je lauter die Uhr tickte, desto nervöser wurden die Stuttgarter. Nach einem kollektiven Missverständnis in der VfB-Abwehr rettete der zuletzt gesperrte defensive Mittelfeldspieler Santi Ascacibar vor Grischa Prömel; dann traf Suleiman Abdullahi gleich zwei Mal den linken Pfosten des Stuttgarter Tores (63./65.). Ausgerechnet Abdulahi, der am letzten Spieltag der Zweitligasaison eine Chance beim VfL Bochum vergeben hatte, die Union den direkten Aufstieg beschert hätte.

Aber: Das Spiel war dort, wo sich Union behaglicher fühlte als der VfB. In einem Zustand, in dem kaum ein taktisches Korsett eine Rolle spielte. Sondern die Frage auftauchte, ob die Hoffnung mächtiger sein würde als die Angst. Und wer noch die Physis haben würde, einen letzten klaren Gedanken zu fassen. Der VfB schaffte das nur noch durch späte Eckbälle. Doch das war zu wenig, um in der Liga zu bleiben.

Und so kam es zum dritten Abstieg in der Klub-Geschichte.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels (Teaser) haben wir fälschlicherweise geschrieben, dass mit Union Berlin zum zweiten Mal seit Wiedereinführung der Relegation der Zweitligist triumphierte. Richtig ist, dass nun zum dritten Mal der Zweitligist obsiegte: 2009 (1. FC Nürnberg), 2012 (Fortuna Düsseldorf), 2019 (1. FC Union Berlin).

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