Nürnbergs Fabian Nürnberger:Der Held mit dem absolut passenden Namen

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Nürnbergs Held im Hinspiel: Fabian Nürnberger. (Foto: dpa)

Dank der Tore von Fabian Nürnberger dreht der 1. FC Nürnberg in der Relegation am Abgrund noch einmal um. Er glänzt gar in ganz neuer Rolle.

Von Sebastian Fischer, Nürnberg

Manchmal ist es erstaunlich, wie sich Fußballer in wenigen Tagen scheinbar verwandeln können, nach einer anderen Ansprache, in einer anderen Rolle. Von den Fähigkeiten des Stürmers Mikael Ishak weiß man seit rund zwei Jahren. Er half dem 1. FC Nürnberg mit zwölf Toren zum Aufstieg in die Bundesliga 2018. In der vergangenen, für Nürnberg nach dem Abstieg so missratenen Zweitligasaison, hat er diese Fähigkeiten jedoch verborgen gehalten, ein Tor gelang ihm gerade mal. Am Dienstagabend allerdings, im Hinspiel der Relegation zur zweiten Liga, das der FCN mit 2:0 gegen den FC Ingolstadt gewann, jubelte er schon nach zehn Minuten so entschlossen mit geballten Fäusten und lautem Brüllen, dass es eine symptomatische Szene war: Ishak hatte, indem er den gegnerischen Torwart Marco Knaller angriff, bloß einen Einwurf herausgeholt.

Es ist rund eine Woche her, da schien der 1. FC Nürnberg, neunmaliger Meister und neunmaliger Absteiger aus der Bundesliga, zum wohl größten Verlierer des Jahres im deutschen Fußball zu werden, größer vielleicht gar noch als der dramatisch nicht aufgestiegene Hamburger SV. In Jens Keller musste nach dem Absturz auf Rang 16 am letzten Spieltag der zweite Trainer der Saison gehen. "Nun ist sie gekommen, die größtmögliche Katastrophe", schrieben die Ultras in einem "letzten Appell an die Glubbfamilie".

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Dem Club, im Sommer 2019 mit Rückkehrambitionen aus der ersten Liga abgestiegen, blieben also zwei Spiele, um den zweiten Abstieg in die Drittklassigkeit nach 1996 zu verhindern. Oft wurde Günther Koch zitiert, mit seiner Radioreportage 1999, als er Abstieg Nummer fünf mit den Worten kommentierte, er melde sich vom Abgrund. Am Montag sagte er selbst zur aktuellen Lage seines Vereins, in dessen Aufsichtsrat er sitzt: "Es ist der tiefste Abgrund, den wir jemals gesehen haben." Am Dienstag schaute er dann aber recht gut gelaunt vom Oberrang hinab.

Nürnberger steht für eine der wenigen positiven Entwicklungen beim Club

Der Protagonist dieses 2:0 war nicht unbedingt erwähnter Stürmer Ishak, 27, auch wenn es erstaunlich war, wie er, dessen auslaufender Vertrag wie der einiger seiner Kollegen nur bis zum 12. Juli (dem Tag nach dem Rückspiel am kommenden Samstag) verlängert worden war, sich einsetzte. Er blutete am Kopf, bekam einen Verband, legte ihn wieder ab, kämpfte weiter. Der Protagonist war vielmehr der zweimalige Torschütze Fabian Nürnberger. Seitdem Wolfgang Wolf als Trainer des VfL Wolfsburg arbeitete, war wohl kein Fußballer mit einem passenderen Namen für seine Aufgabe ausgestattet als der Nürnberger Mittelfeldspieler Nürnberger, 20, der später sagte, er habe einen guten Zeitpunkt für seine ersten Profitore gewählt.

Geboren in Hamburg und in der Jugend bis zur U16 beim HSV, kam er 2018 aus Niendorf in Nürnbergs zweite Mannschaft. Zuvor meist defensiver Mittelfeldspieler, wurde er in der U21 als Linksverteidiger gebraucht. In dieser Saison erspielte er sich etwas überraschend zwischen lauter teureren und dafür enttäuschenden Zugängen seinen Platz bei den Profis, meist wieder in der Zentrale. Auch nach der Corona-Pause, in der er zu den ersten mit dem Virus infizierten Profis in Deutschland zählte (und symptomfrei blieb), spielte er, bis ihn eine Muskelverletzung bremste. Er stand für eine der wenigen positiven Entwicklungen der Saison beim Club.

Dass Nürnberger am Dienstag herausstach und nicht nur zum 1:0 mit einem platzierten Distanzschuss (22.) und zum 2:0 aus Außenstürmerposition im Strafraum (45.), sondern in der zweiten Halbzeit auch noch den Pfosten bei einer Chance zum 3:0 traf, hatte allerdings auch viel damit zu tun, dass er diesmal als Linksaußen im 4-4-2 auflief. Und so war es auf denselben Grund zurückzuführen, aus dem wohl auch Stürmer Ishak wie ausgewechselt wirkte - und die Mannschaft zu funktionieren schien: die Arbeit der Interimstrainer Michael Wiesinger und Marek Mintal.

Die zwei ehemaligen Club-Profis hatten nach der Entlassung Kellers als Retter übernommen, U21-Trainer Mintal wohl mit mehr Ambitionen zu bleiben als Wiesinger, der 2013 schon mal Cheftrainer war, nach dem Rückspiel aber wieder in seinen Job als Nachwuchsleiter zurückkehren will. In Wiesingers Worten hatten sie im Kurztrainingslager in Bad Gögging in der Mannschaft einen "neuen Geist" entstehen lassen, viel über Herzblut für den Verein gesprochen. "Manchmal muss man im Leben eben versuchen, selber emotional zu sein", sagte der eher als sachlich bekannte Wiesinger am Dienstag.

Der neue Geist, er war im dominanten Nürnberger Spiel tatsächlich erkennbar, der Sieg hätte höher ausfallen können. Zur neuen Rolle des Torschützen Nürnberger sagte Wiesinger lapidar: "Wenn er den Ball auf dem linken Fuß hat, trifft er die lange Ecke - das sind für mich klassische Außenspieler. Wahrscheinlich, weil ich selbst so einer war." Der Spieler Wiesinger hatte auch den ersten Nürnberger Drittliga-Abstieg vor 24 Jahren miterlebt.

Es half natürlich, dass Gegner Ingolstadt nur drei Tage nach dem letzten Saisonspiel in der dritten Liga und im insgesamt zwölften Spiel in 39 Tagen müde wirkte, auf den verletzten Angreifer Stefan Kutschke und nach einer halben Stunde auch auf den angeschlagen ausgewechselten Schlüsselspieler Maximilian Beister verzichten musste. "Wir versuchen, noch mal zurückzuschlagen, wenn es möglich ist", sagte Trainer Tomas Oral.

"Wir nehmen viel mit. Aber es ist jetzt erst eine Halbzeit absolviert", sagte Wiesinger mahnend, er sei "nicht so naiv" zu glauben, die Entscheidung sei gefallen. Doch es wirkt nun eher so, als könnte der FCN auch dank seiner Worte am tiefen Abgrund noch einmal umkehren.

© SZ vom 09.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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