Süddeutsche Zeitung

Rekord mit Triple Doubles:Russell Westbrook - der aufregendste Basketballer der NBA

  • In der NBA bricht Basketballer Russell Westbrook die Rekorde: Er dominiert wie zuletzt Michael "Air" Jordan Ende der 80er.
  • Der Mann von den Oklahoma City Thunder definiert die Statistik-Kategorie "Triple Double" neu.
  • In dieser Nacht könnte er Jordan sogar überflügeln.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist derzeit keine besonders kluge Idee, Mitch Kupchak auf Kevin Durant anzusprechen. Das verwundert zunächst, weil eine Verbindung zwischen dem Flügelspieler der Golden State Warriors und der Laune des Managers der Los Angeles Lakers nun wirklich nur über Umwege herzustellen ist: Die letzte Partie der beiden Vereine liegt fast drei Wochen zurück, die nächste wird erst im April kommenden Jahres stattfinden - was also sollte sich Kupchak über Durant ärgern? Nun, die Verbindung zwischen den beiden befindet sich gerade auf US-Tour: Russell Westbrook, der Spielmacher der Oklahoma City Thunder, schaffte am Freitagabend während der Niederlage bei den Houston Rockets 17 Punkte, zehn Rebounds und zehn Zuspiele.

Es war sein siebtes Triple Double nacheinander - eine Leistung, die zuvor nur Oscar Robertson (1961), Wilt Chamberlain (1968) und Michael Jordan (1989) geschafft haben. So ein Triple Double beschreibt, dass ein Basketballspieler in drei Kategorien einen zweistelligen Wert erreicht hat und gilt als bedeutsamer Meilenstein in der nordamerikanischen Profiliga NBA, weil sie die Vielseitigkeit eines Akteurs belegt: Er muss Punkte erzielen, seine Mitspieler in Szene setzen und darf sich nicht zu schade sein für die anstrengende Arbeit beim Pflücken von Fehlwürfen. So ein dreifaches Doppel ist für einen Basketballspieler ein seltenes Erlebnis, davon darf er seinen Enkeln erzählen.

Die Anekdoten von Großvater Westbrook dürften dereinst abendfüllend sein, er produziert diese phänomenalen Zahlen gerade regelmäßig - ach was, noch besser: Seine Durchschnittswerte in den Kategorien Punkte (30,9), Assists (11,3) und Rebounds (10,8) ergeben gerade ein Triple Double. "Ganz ehrlich: Diese Statistiken interessieren mich nicht. Heute ist der Ball einfach nicht in den Korb gefallen - das war's aber auch schon", sagte Westbrook nach der Partie in Houston: "Außer Euch Journalisten spricht da doch ohnehin niemand darüber."

Westbrook ist das heiße Thema in der ansonsten langweiligen NBA

Das mit dem fehlenden Interesse an individuellen Werten war freilich eine Flunkerei: In der vergangenen Spielzeit hatte er sich einmal trotz hoher Führung einwechseln lassen, um sich in den letzten Minuten noch schnell drei Rebounds für ein Triple Double zu holen - als er das geschafft hatte, wechselte er sich selbst aus. Während einer anderen Partie hatte er mit dem Kampfgericht über einen Rebound debattiert, der zum Triple Double gefehlt hatte. Womöglich ist Westbrook nicht mehr ganz so vernarrt in diese Meilensteine wie noch vor ein paar Monaten, weil er sie derzeit derart häufig produziert.

Womit Westbrook natürlich völlig richtig liegt: Journalisten, Experten und Fans ergötzen sich gerade an seiner Spielweise, die nicht nur statistikorientiert ist, sondern seinem Verein zu einer ordentlichen Bilanz (14:9) verhalf. Westbrook ist natürlich auch deshalb eines der bedeutendsten Gesprächsthemen, weil diese NBA-Saison bis zum Juni ziemlich langweilig werden dürfte.

Bei allem Respekt vor den San Antonio Spurs und den Los Angeles Clippers, den Toronto Raptors und den Boston Celtics: Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass die Finalserie in dieser Spielzeit erneut zwischen den Golden State Warriors und den Cleveland Cavaliers ausgetragen wird. Es braucht diese kleinen Höhepunkte, die 60 Punkte von Klay Thompson (Warriors) kürzlich, den Lauf der Atlanta Hawks zu Saisonbeginn oder eben die Triple-Double-Serie von Westbrook, um das Interesse in den eher drögen Wintermonaten zumindest köcheln zu lassen.

Westbrook kann diese Werte durchaus bis zum Saisonende durchhalten, daran zweifelt kaum jemand - und vielleicht muss man einfach mal ein paar Spieler auflisten, die das in ihrer Laufbahn nicht geschafft haben: Michael Jordan, Kobe Bryant, LeBron James, Magic Johnson, Larry Bird, Wilt Chamberlain, Tim Duncan, Bill Russell. Okay, machen wir es kurz: Bis auf Oscar Robertson hat das bislang noch kein NBA-Spieler erreicht.

Westbrook ist derzeit nicht nur der aufregendste Spieler in der NBA, aufgrund formidabler Leistungen in der Defensive ist er der beste. Nur: Hilft das auch seinem Verein, der trotz Westbrooks Heldentaten dann doch auf Platz sechs der Western Conference liegt? Spektakulär bedeutet eben nicht unbedingt erfolgreich, ein grandioser Einzelspieler bedeutet noch keine tolle Mannschaft.

Genau das führt zurück zur Laune von Mitch Kupchak und was das alles mit Kevin Durant zu tun hat: Westbrook, 28, ist im Süden von Los Angeles geboren und aufgewachsen, er hat das College UCLA im Stadtzentrum besucht, er besitzt ein Haus in Beverly Hills und trainiert in der Sommerpause im Jesse Owens Park im Süden der Stadt. Westbrook gehört zu Los Angeles wie sonniges Wetter und verstopfte Straßen - vor allem hätten seine Leistungen gar wunderbar zu den Lakers gepasst, deren Vereinsname noch immer nach Spektakel und Showtime klingt.

Durants Abgang in Oklahoma fesselte Westbrook an die Stadt

Die Lakers suchten in der Sommerpause einen spektakulären Spieler im besten Alter, sie hatten nach dem Karriereende von Kobe Bryant sogar viele Millionen Dollar zur Verfügung - der Vertrag von Westbrook in Oklahoma City lief nur noch ein Jahr, weshalb die Thunder entweder eine Verlängerung oder einen Spielertausch anstrebten. Wer sich nun mit NBA-Verantwortlichen (außer Kupchak, der will darüber nicht reden) unterhält, der erfährt, dass Westbrook wohl bei den Lakers unterschrieben hätte, wenn Durant nicht ausgerechnet zu den Warriors gewechselt wäre.

Der Grund dafür: Durants Abgang galt als der leichte Weg zum Titel, als Flucht vor Verantwortung, als Weichei-Aktion - weshalb Westbrook bei Twitter auch eine Weichei-Botschaft an seinen ehemaligen Kollegen schickte. Wäre Durant etwa in seine Heimatstadt Washington zu den Wizards gewechselt, dann hätte auch Westbrook einen Transfer nach LA als Heimkehr vermitteln können. So aber unterschrieb er im August einen Vertrag, der mit 85,7 Millionen Dollar vergütet wird und ihn für drei weitere Jahre an die Thunder bindet. Lieber der Held in der Provinz als, nun ja, einer der Helden im Heldenland Los Angeles.

Westbrook präsentiert im eher biederen Oklahoma City nun jenen Showtime-Basketball, den sie bei den Lakers auch gerne wieder zeigen würden. Kupchak hat gerade einen jungen Kader gebastelt, der konkurrenzfähig und hin und wieder auch spektakulär agiert. Die Erhöhung der Gehaltsobergrenze dürfe ihm in den kommenden Spielzeiten weitere attraktive Zugänge erlauben - und in drei Jahren darf der dann 30 Jahre alte Westbrook ohne Restriktionen den Verein wechseln. Es könnte dann sein, dass Kupchak dann bestens gelaunt sein wird, wenn ihn jemand auf Russell Westbrook anspricht.

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Quelle:
SZ vom 11.12.2016/jbe
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