Es kommt nicht alle Jahre vor, dass eine Mannschaft so oft nacheinander siegt, wie Ratiopharm Ulm das gerade in der Basketball-Bundesliga tut: Am Sonntag gewannen die Ulmer ihr 25. Punktspiel in Serie, 87:69 (52:30) bei den Telekom Baskets Bonn. Damit sind sie nicht bloß seit Saisonbeginn ungeschlagen - sie haben auch die Liga-Bestmarke von Rekordmeister Bayer Leverkusen aus der Saison 1969/70 eingestellt.
Noch viel seltener als so eine Erfolgsserie kommt es freilich vor, dass eine Mannschaft diese behandelt wie lästige Kopfschmerzen. "Das ist nur eine Begleiterscheinung", beschwichtigt Ulms Spielmacher Per Günther. Und Trainer Thorsten Leibenath diagnostiziert: "Bis vor zwei Wochen wusste keiner, dass Leverkusen diesen Rekord aufgestellt hatte, weil er keine große Bedeutung hat. Jetzt ist er halt für eine Woche in den Köpfen drin."
Die Bestmarke erreicht zu haben, sei zwar "eine coole Sache, klar", wie Günther sagt; das sei "auch nett", formuliert es Leibenath. Aber wenn man die beiden zentralen Figuren des Ulmer Teams richtig versteht, meinen sie vor allem: Ruhe bewahren, dann legt sich die ganze Aufgeregtheit um diese Rekordserie schon von alleine.
So schön eine solche Erfolgsserie ja sein mag, sie birgt immer ein Problem: Je länger sie dauert, desto näher kommt sie ihrem Ende. Und das Ende der Ulmer Serie kommt sogar bedrohlich nahe: In den nächsten drei Liga-Partien bekommt es der Tabellenführer zunächst am Samstag zu Hause mit Alba Berlin zu tun, dem Fünften; dann muss er zum ärgsten Verfolger, zu Meister Brose Bamberg; und danach empfängt er den aktuell drittplatzierten FC Bayern München zu einem weiteren Gipfeltreffen. Angesichts dieses Programms macht sich Trainer Leibenath keine Sorge, dass die Spannung seiner Spieler jetzt nachlässt wegen des erreichten Rekordes. "Wenn wir jetzt anfangen würden, uns zu entspannen, wäre das nicht der beste Moment", pflichtet Günther bei.
In Ulm machen sie sich jedenfalls weniger Gedanken über die Serie, die hinter ihnen liegt, als über die Aufgaben, die noch bevorstehen. "Momentan haben wir noch nichts erreicht außer das Viertelfinale", mahnt Thorsten Leibenath die euphorisierte Anhängerschaft, in der schon der erste Meistertitel der Klubgeschichte ersehnt wird. "Ich kann jeden Fan verstehen, der auf die Tabelle schaut und deswegen mit dem Träumen anfängt", sagt der 41-Jährige: "Aber wir werden nicht fürs Träumen bezahlt."
Weshalb die Bedeutung der Partie in Bonn für ihn auch viel weniger auf der Einstellung des Siegrekordes lag als vielmehr auf der Sicherung des Heimvorteils in der ersten Playoff-Runde. Den bekommt ein Team als Belohnung, wenn es nach den 34 Spieltagen der Hauptrunde einen der ersten vier Plätze belegt; von denen sind die Ulmer jetzt nicht mehr zu verdrängen. "Ich weiß nicht, ob es realistisch ist, Erster zu werden in der Hauptrunde", sagt Günther, "aber es wäre schön, wenigstens den zweiten Platz zu sichern."
Es ist ja nicht so, dass die Ulmer unbezwingbar geworden sind für die nationale Konkurrenz, "dass wir seit fünf, sechs Monaten nur Ekstase erleben", wie der 29-Jährige sagt: "Wir haben schon auch verloren zwischendurch." In der Eurocup-Zwischenrunde mussten sich die Ulmer zweimal dem FC Bayern beugen, 57:68 zu Hause und 98:101 in München.
Dazu unterlagen sie im Pokal-Viertelfinale beim Regionalrivalen Ludwigsburg 67:72. "Das wurmt uns nach wie vor", gibt Trainer Leibenath zu, "weil man solche Chancen nicht oft bekommt." Den Pokal zu holen, ist in der Regel einfacher, als den Meistertitel zu gewinnen - da muss man einen starken Gegner nur einmal bezwingen, nicht mindestens dreimal, wie in den Playoffs um den Titel.
Nun haben die Ulmer in dieser Saison aber eindrucksvoll gezeigt, dass sie gegen jeden Gegner gewinnen können: Sie haben Titelverteidiger Bamberg in ihrer heimischen Halle die bis dato einzige Saisonniederlage beigebracht (78:63), und sie haben auch in fremden Arenen triumphiert, bei Alba Berlin (98:94) und beim FC Bayern (87:79). Wenn in den kommenden Wochen die Rückspiele über das Parkett gegangen sind, wissen sie in Ulm, ob sie wirklich das Zeug zum Titelkandidaten haben. "Und wenn wir diese drei Partien verlieren sollten, kann man im Spiel danach sehen, wie es mit unserer Frustrationstoleranz aussieht", sagt Teamkapitän Per Günther.
Was die Ulmer Mannschaft ja bislang ausgezeichnet hat, ist ihr Zusammenhalt. Der ist entstanden durch den Playoff-Lauf im vorigen Jahr, der sie bis ins Finale gebracht hat - trotz etlicher Verletzungsausfälle. In den K.o.-Runden hatte Trainer Leibenath im Grunde nur noch sieben einsatzfähige Profis. "Das hat auf jeden Fall zusammengeschweißt", sagt Günther. Der Kern dieses Teams ist zusammengeblieben und punktuell ergänzt worden. "Die Früchte ernten wir jetzt", findet Günther.
Trainer Leibenath spricht dennoch von einer "relativ dünnen Rotation" mit nur neun etablierten BBL-Profis - "der Rest sind alles Nachwuchsspieler". Dennoch hat der Kader eine hohe Qualität. Raymar Morgan ist beispielsweise der beste Korbschütze der Liga mit im Schnitt 19,0 Punkten pro Spiel - exakt so viele erzielte er auch am Sonntag gegen Bonn. Chris Babb ist in diesem Ranking Siebter mit 15,7. Und Braydon Hobbs hat sich als einer der drei besten Vorlagengeber etabliert mit 5,9 Assists pro Partie. Das beste daran sei, findet Thorsten Leibenath, dass seine Spieler eins verstanden haben: "Der Teamerfolg wirkt sich auf ihren individuellen Erfolg aus."