Reitsport:Das tödliche Rätsel von Santa Anita

Lesezeit: 3 Min.

Auch im Santa Anita Park wird mit Wetten auf Pferderennen viel Geld umgesetzt. (Foto: AP)
  • Auf der Galopprennbahn Santa Anita in Kalifornien sind innerhalb von drei Monaten 23 Pferde gestorben.
  • Am Samstag soll trotz der zahlreichen Todesfälle das Santa Anita Derby stattfinden.
  • Doch Politik und Staatsanwaltschaft befassen sich mittlerweile mit dem Problem.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Liebhaber des Pferdesports schwärmen von diesem Ort, dieser Rennbahn östlich von Los Angeles. Gewiss, es gibt den Ascot Racecourse im englischen Berkshire und Churchill Downs im US-Bundesstaat Kentucky, die Austragungsorte der beiden ruhmreichsten Rennen der Welt. Aber die edle Tribüne im Santa Anita Park mit Blick auf Palmen und die kalifornischen Berge hat schon auch ihren Reiz - obwohl die Betreiber mittlerweile glauben dürften, dass auf dieser prächtigen Anlage womöglich ein schrecklicher Fluch lastet: Innerhalb von drei Monaten sind 23 Pferde gestorben.

Am Samstag soll auf der Anlage das Santa Anita Derby ausgetragen werden, es gilt als eines der bedeutendsten Rennen für die Qualifikation zum Kentucky Derby am 2. Mai in Churchill Downs. "Es ist bedenklich", sagte der legendäre Trainer Bob Baffert, der im vergangenen Jahr mit dem Pferd Justify die so genannte Triple Crown gewonnen hat (bestehend aus Siegen beim Kentucky Derby, Preakness Stakes und Belmont Stakes), in dieser Woche zur New York Times: "Es sollte eine aufregende Zeit sein, doch wir erleben gerade die völlig falsche Form von Aufregung."

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"Wir haben die Regeln verschärft"

Das wirklich Verzwickte an so einem Fluch ist, dass niemand so genau weiß, wie genau man ihn wieder los wird. Die Betreiber des Santa Anita Park hatten die Rennbahn drei Wochen lang geschlossen, weil vom 26. Dezember bis zum 5. März, binnen zehn Wochen, 22 Pferde gestorben waren. Das letzte bedauernswerte Pferd Anfang März, eine vierjährige Stute, hatte sich das rechte Vorderbein gebrochen und musste eingeschläfert werden.

Laut Washington Post waren zu diesem Zeitpunkt zwölf Pferde bei Rennen und neun beim Training verunglückt. Eines starb offenbar eines natürlichen Todes. Die Betreiber hatten die Todesfälle untersucht, ebenfalls das Geläuf, Sandbahn und Turf, und daraufhin weitreichende Veränderungen eingeführt wie zum Beispiel stärkere Dopingkontrollen und strengere Sicherheitsvorschriften.

Ende März wurden die Rennen wieder aufgenommen. Am Sonntag stürzte jedoch der Wallach Arms Runner bei einem Rennen; auch er musste wegen eines gebrochenen Vorderbeins eingeschläfert werden. "Wir sind besorgt", sagt Tim Ritvo, Chef der Firma Stronach Group, der die Anlage gehört: "Wir haben die Regeln verschärft, sie sind nun im Einklang mit dem Rest der Welt. Die Rennbahn muss geöffnet bleiben - auch wenn uns bewusst ist, worum es geht und dass Pferderennen in Kalifornien bald Geschichte sein könnten."

Die kalifornische Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen aufgenommen, warum in letzter Zeit derart viele Tiere auf der Rennbahn umgekommen sind. Im kompletten Jahr 2017, das zum Vergleich, waren es nach Angaben des Verbandes Jockey Club insgesamt 20 Pferde. Die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein hat sich dafür ausgesprochen, sämtliche Rennen im Santa Anita Park auszusetzen und damit auch das Derby am Wochenende abzusagen oder zu verschieben. "Der Tod eines Pferdes ist eine Tragödie", schrieb sie in einem Brief an das California Horse Racing Board: "Als Pferdeliebhaberin widert es mich an, dass in weniger als vier Monaten knapp zwei Dutzend Tiere gestorben sind." Die Tierschutzorganisation Ethical Treatment of Animals hat den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom aufgefordert, die komplette Pferdesport-Branche zu untersuchen.

Es geht bei den Debatten mitnichten nur um den Santa Anita Park. Die Zeitung Louisville Courier-Journal hat Churchill Downs, Austragungsort des legendären Kentucky Derby, kürzlich in einem Bericht als eine "der tödlichsten Rennbahnen der Vereinigten Staaten" bezeichnet und vorgerechnet, dass in den vergangenen drei Jahren aufgrund von Verletzungen während Rennen insgesamt 43 Pferde gestorben seien. Das sei ein Durchschnitt von 2,42 Pferden pro 1000 Rennen, doppelt so hoch wie der landesweite Durchschnitt.

Die Todesfälle in Kalifornien lenken deshalb den Blick auf eine Disziplin, die mittlerweile mehr Industrie denn Sport ist. Allein mit Wetten werden auf nordamerikanischen Rennbahnen pro Jahr mehr als zwölf Milliarden Dollar umgesetzt. Zucht, Verkauf und Versteigerung von Pferden bilden ebenfalls eine Milliardenbranche. Es ist ein Geschäft, der Druck ist immens, auch auf die Veranstalter: immer mehr Rennen mit immer mehr Möglichkeiten zum Wetten zu bieten. "Vielleicht sind wir auch deshalb an diesem Punkt angelangt, weil Pferderennen nicht mehr genügend Sport und zu viel Business ist", sagt Ritvo.

In den USA gibt es nun einen Gesetzesentwurf, der dem Kongress zur Abstimmung vorliegt und demzufolge ein unabhängiger Verband gegründet werden soll, der künftig die Zahl der Rennen und den Umgang mit Tieren und vor allem den Einsatz von Medikamenten regeln würde. Es ist ein weiterer Versuch, den Fluch loszuwerden, der nicht nur auf dieser prächtigen Rennbahn im kalifornischen Santa Anita lastet, sondern offenbar auf der kompletten Sportart.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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