Süddeutsche Zeitung

Reitsport:Der Pferdemann

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Er hat ermuntert, angefeuert, getröstet und ließ niemanden alleine. Zum Tode von Breido Graf zu Rantzau, dem langjährigen deutschen Reiterpräsidenten.

Von Gabriele Pochhammer

Breido Graf zu Rantzau, langjähriger Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), ist am Sonntag im Alter von 73 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. Schon vor anderthalb Jahren konnte er nicht mehr für das Amt kandidieren, das er 16 Jahre lang innehatte. Nie hat ein Reiterpräsident vor ihm und womöglich auch nicht nach ihm so komplett das verkörpert, was man unter einem Horseman, einem Pferdemann, versteht. Er kannte den Pferdesport und die dazugehörige Zucht mit allen Facetten. Das, zusammen mit einer manchmal sehr direkten, aber immer empathischen Art, verschaffte ihm Anerkennung und Vertrauen nicht nur in der deutschen, sondern auch in der internationalen Pferdesportszene.

Die eingesessenen Züchter musste er erst überzeugen, dass er einer von ihnen war

Aufgewachsen in der Nähe von Itzehoe, nahm Rantzau bereits als Junior erfolgreich an Springturnieren teil, wurde 1967 Junioren-Europameister. Ein Höhepunkt der Seniorenkarriere war der fünfte Platz beim Hamburger Springderby im Jahre 1985, seinen letzten Parcours ritt er mit 60 Jahren.

Als Holsteiner lag ihm natürlich auch die Pferdezucht zwischen den Meeren besonders am Herzen, auch wenn die alteingesessenen Züchter in den Marschen erst überzeugt werden mussten, dass der junge Mann aus selbstbewusstem Holsteiner Uradel, der im Familiensitz Breitenburg bei Itzehoe residierte, einer von ihnen war. "Wir dachten, wir hätten euch in Hemmingstedt damals alle totgeschlagen", wurde er bei seiner ersten Züchterversammlung begrüßt, eine Anekdote, die er gerne zum Besten gab. (In der Schlacht von Hemmingstedt im Jahre 1500 jagten die Dithmarscher Bauern mit einem Befreiungsschlag die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen der dänischen Feudalherren zum Teufel.) Insgesamt gingen aus der Breitenburger Zucht 60 eingetragene Turnierpferde mit teils internationalen Erfolgen hervor. Von 1986 bis 2007 leitete Breido Graf zu Rantzau den Holsteiner Verband als erster Vorsitzender. 2005 übernahm der diplomierte Betriebswirt den Vorsitz der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).

Eine so lange Funktionärskarriere hat ihre Höhen und Tiefen. Ein Höhepunkt waren die Weltreiterspiele 2006 in Aachen, die einzige Erfolgsgeschichte, die bei diesem Mammutevent je geschrieben wurde. Zum Tiefpunkt gerieten die Medikations- und Dopingfälle bei den Olympischen Spielen 2008 im Reitsportzentrum in Hongkong, als auf einmal der ganze Springsport und die deutschen Verbandsoberen am Pranger standen. Noch lange bedrückte ihn die Geschichte um Christian Ahlmann, der als Dopingsünder abgestempelt und länger gesperrt wurde als vier andere Reiter, die exakt dasselbe getan, nämlich ihren Pferden die verbotene Substanz Capsaicin verabreicht hatten, aber nur wegen der minderschweren verbotenen Medikation bestraft wurden. Dass er zugelassen hat, dass die FN gegen ihren eigenen Reiter beim Internationalen Sportgerichtshof (Cas) vorging, bereute er bis zuletzt. "Das hat das Vertrauen in uns Funktionäre schon sehr beschädigt. Es war der größte Fehler meiner Amtszeit", sagte er und fuhr persönlich zu Ahlmann, um die Sache zurechtzurücken.

"Er konnte Leute zusammenbringen und Gräben überwinden. Das ist eine große Gabe."

Dem Präsidenten Rantzau kamen zwei Eigenschaften zugute, die sein Freund aus Schülerzeiten, der frühere Championatsreiter Michael Rüping, so beschreibt: "Breido konnte einerseits sehr direkt sein, nahm kein Blatt vor den Mund, auf der anderen Seite konnte er Leute zusammenbringen und Gräben überwinden. Das ist eine große Gabe. Er war sehr gefühlvoll und emotional, übrigens auch als Reiter."

Journalisten, die den Präsidenten anriefen, wussten, sie bekommen eine vernünftige, ehrliche Antwort. Wer bei einem internationalen Championat schon von Weitem die Wolke aus roten Polohemden mit "Germany" auf dem Rücken sah, wusste, der Präsident ist mittendrin. Er saß auf der Tribüne, drückte seinen Reitern die Daumen. Er ermunterte, er tröstete, er feuerte an und ließ keinen allein. Und deswegen werden ihn sehr viele Menschen vermissen.

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