Süddeutsche Zeitung

Reitsport:Aufstieg aus der Asche

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Springreiter Max Weishaupt hat schon eine Menge erlebt, er lag im Koma, am Reiterhof der Familie brach ein Großbrand aus. Pferde bleiben trotzdem sein Leben - und die sportlichen Erfolge mehren sich.

Von Sabine Neumann

Dinge im Leben ändern sich, oft viel schneller, als man denkt. Wer sollte das besser wissen als Max Weishaupt. An diesem Freitag finden die bayerischen Meisterschaften in Dressur und Springreiten in München-Riem statt, da wäre der 30-Jährige eigentlich Stammgast. Aber es gibt natürlich Schlimmeres, als stattdessen am internationalen Vier-Sterne-Springturnier in Gorla Minore nahe Mailand teilzunehmen. Den Startplatz verdankt er seinem zweiten Platz mit Omerta Incipit bei den deutschen Meisterschaften.

Weishaupt stammt aus einer Reiterfamilie, die seit Generationen einen Hof im schwäbischen Jettingen bewirtschaftet. Sein Vater Josef, früher selbst Springreiter und seit langem bayerischer Landesjugendtrainer, übernahm den Betrieb 1972 und richtete ihn 1990 komplett auf Zucht und Ausbildung von Sportpferden aus. Max und sein fünf Jahre älterer Bruder Philipp saßen im Sattel, bevor sie laufen konnten. Philipp, seit 2003 im westfälischen Riesenbeck bei den Ludger Beerbaum Stables als Bereiter angestellt, siegte unter anderem in den Großen Preisen von Aachen (2016) und Calgary/Kanada (2017) sowie bei den deutschen Meisterschaften 2009 und 2020. In diesem Jahr hatte er Chancen auf einen Teamplatz für Tokio, doch wie schon 2012 zerplatzte der Olympiatraum.

Während Philipp - so die Corona-Regeln es zulassen - Woche für Woche zu Topturnieren und lukrativen Weltranglistenspringen um die Welt jettet, bilden Max und sein Vater inmitten von weitläufigen Weiden und Feldern junge Pferde, Reiterinnen und Reiter aus. Linda Carmagnani, Lebensgefährtin von Josef Weishaupt, managt den Stall und die Familie. Ein Ponyhof ist auch dieses Leben nicht. Zucht und Aufbau von Nachwuchspferden sind anspruchsvoll und eine Investition in die Zukunft, die sich möglichst irgendwann auszahlen soll. "Ich hatte immer mal wieder ein sehr gutes Pferd mit Potenzial für ganz oben. Aber diese Pferde wurden verkauft", berichtet Max Weishaupt.

2013 stieg sein Pferd und begrub ihn unter sich - die Ärzte mussten ihn ins Koma versetzen

Eines von ihnen war Con Caya, die braune Stute, die er von der Geburt 2010 bis zum ersten Sieg auf Drei-Sterne-S-Niveau begleitete. Der Bruder unterstützte ihn. "Ein- bis zweimal im Jahr fahre ich mit meinen Pferden für mehrere Wochen nach Riesenbeck und trainiere dort. Sonst kommt man nicht weiter", erläutert er. So unterschiedlich Charaktere und Lebenswelten der Brüder sein mögen, die Pferde verbinden. Im März 2019 ritt sein Bruder Con Caya zum ersten Mal auf einem Turnier, in Doha/Katar. Max startete einen Monat später in Lanaken/Belgien, wo er die Stute auf schwerem Drei-Sterne-S-Niveau platzierte. Es war das letzte gemeinsame Turnier. Con Caya wurde an die Norwegerin Noora Forsten verkauft. "Das war hart. Aber ich habe früh gelernt, mich von meinen Pferden zu trennen", sagt Weishaupt. Stolz erzählt er, dass das norwegische Duo im Großen Preis von Knokke gerade Rang sieben belegte.

Pferde können unberechenbar reagieren, auch das weiß Max Weishaupt. 2013 verunglückte er auf dem Turnier in Bietigheim-Bissingen. Beim Ausritt nach der Siegerehrung stieg sein Pferd, verlor das Gleichgewicht, begrub seinen Reiter unter sich. Er wurde mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen, mit Rippenbrüchen, Herzprellung und Lungenquetschung ins künstliche Koma versetzt. Die Familie bangte in den ersten Tagen um sein Leben. Monate vergingen, bis er wieder reiten konnte - doch ein Leben ohne Pferde wäre für ihn unvorstellbar. "Es ging relativ schnell weiter", sagt er, doch bei ähnlichen Situationen kam ihm das traumatische Erlebnis wieder ins Bewusstsein.

Ein Strohballen entzündet sich, die Scheune geht in Flammen auf. Immerhin konnten sie die Tiere retten

2015 brachte der Ingolstädter Züchter Karl Gruber seinen international erfolgreichen Luke Mc Donald nach Jettingen. Es war ein Glücksfall für Max, denn der Routinier verhalf ihm zu kontinuierlichen Erfolgen auf Drei-Sterne-S-Niveau: "Luke war das erste Pferd, das blieb. Wenn man solche Besitzer hat, kann man nur Danke sagen." 2018 wurde der Hengst in den sportlichen Ruhestand verabschiedet, bereits 2017 hatte Weishaupt die damals sechsjährige Omerta Incipit übernommen. Die hochsensible Stute stammt ebenfalls aus Grubers Zucht. Einfach machte sie es ihrem Reiter nicht: "Es gab Rückschläge. Sie ist ein unglaublich ehrgeiziges Pferd. Aber jetzt konzentriert sie sich auf mich und kann im Parcours ihre ganze Qualität ausspielen."

2020 hat sich dann fast alles verändert. Im Februar wurde er Vater, Ende Juni heiratete er. Auf dem Hochzeitsfoto sitzt der kleine Moritz auf Max' 30-jährigem Kinderpony. Die unbeschwerte Familienzeit aber dauerte nicht lange. Am 10. August entzündete sich ein Strohballen, die Scheune ging in Flammen auf. Die Pferde konnten gerettet werden, ein Großteil der Anlage nicht - obwohl 225 Feuerwehrleute ihr Bestes gaben. Einer wurde durch eine Verpuffung schwer verletzt.

Familie Weishaupt stand vor der Asche ihrer Existenz - und war dankbar für die Hilfe von allen Seiten. Wie schwer es ist, nach einem Großbrand weiterzumachen, lässt sich nur erahnen. "Wir sind jetzt noch im Aufbau. Man muss die Situation annehmen und das Beste draus machen", sagt Max Weishaupt. Die Pferde verleihen dabei offenbar Flügel. Mit DSP Omerta Incipit und dem 15-jährigen Nexus, der Isabel-Sophie Berger gehört, hat er zwei Partner für größere Aufgaben. Riem muss warten, als Nächstes wird er beim Global Jumping Berlin starten. "Wenn es gut läuft, darf ich vielleicht in Aachen reiten. Das ist das Ziel in diesem Jahr."

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