Reiten:Peitschen lohnt sich

10 07 2016 Hamburg Hansestadt Hamburg GER Isfahan mit Dario Vargiu nach dem Sieg im 147 Deutsc

Der italienische Jockey Dario Vargiu trieb den Hengst Isfahan mit neun Peitschenschlägen zum Erfolg im Hamburger Galopp-Derby. Jetzt landete der Fall vor dem Renngericht in Köln

(Foto: Frank Sorge/imago)

Egal, wie oft ein Jockey sein Pferd schlägt: Eine Disqualifikation sieht der Galoppsport nicht vor. Der Sieger des Deutschen Derbys bleibt deshalb ungestraft.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Vor drei Monaten hat der italienische Jockey Dario Vargiu den Hengst Isfahan geschlagen. Fünf der neun Peitschenhiebe während des 147. Deutschen Derbys in Hamburg waren erlaubt, die letzten vier nicht mehr. Die Strafe, die der Siegerjockey bezahlen musste: 16 625 Euro. Das macht 4156,25 Euro pro verbotenem Hieb. Das Problem dieses soeben vor dem Renngericht in Köln verhandelten Falles: Die Strafe war dem Jockey egal. Er sagt, der Sieg im Derby sei fürs Renommee wertvoller als die zu zahlende Strafe schlimm. Möglich ist auch, dass er die Strafe gar nicht selbst bezahlen muss. 390 000 Euro hat das Galoppteam "Darius Racing" mit Isfahans Derbysieg verdient.

Es scheint in der Branche üblich zu sein, dass die Strafe gegen peitschende Jockeys von den reich beschenkten Auftraggebern übernommen wird. Im deutschen Galoppsport wurde Peitschenmissbrauch bislang gewissermaßen belohnt, weil die dafür taxierten Strafen in keinem Verhältnis zum sehr viel höheren Wert eines Sieges standen.

In der Branche ist das kein Geheimnis. Als der Darius-Racing-Teammanager Holger Faust nach dem Derbysieg offenbar damit prahlte, er habe seinen Jockey Vargiu erfolgreich zum Peitschenmissbrauch ermuntert, fanden sich dafür zwar allerhand Augen- und Ohrenzeugen - richtig aufgeregt hat das aber scheinbar kaum jemanden. Erst als der Besitzer des drittplatzierten Pferdes Dschingis Secret Protest gegen Isfahans Sieg einlegte, weil der Jockey zu den unerlaubten Hieben explizit beauftragt worden sei, sagten die Zeugen auf Vorladung des Kontrollausschusses aus.

Protestfrist beträgt fünf Jahre

In der Verhandlung am Donnerstag belasteten zwei Zeugen den Manager Faust, wenn auch ohne erkennbare Entrüstung. Zwei weitere Zeugen rückten von ihren zuvor geäußerten Belastungen sogar wieder ab. Das Renngericht wies den Protest zurück, ließ Isfahan den Derbysieg und seinem Besitzer die 390 000 Euro. Die Beweise für eine Verabredung zum Peitschenmissbrauch seien nicht ausreichend.

Was im Gerichtssaal aber auch klar wurde: Sobald erstmals ein Team für vorsätzlichen und übertriebenen Peitscheneinsatz disqualifiziert würde, müsste der Galopp-Dachverband, das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen, eine Lawine nachträglicher Proteste befürchten, denn die Protestfrist in der Rennordnung (Nummer 623.3) beträgt fünf Jahre. Der Rennbetrieb könnte kollabieren.

Nummer 623.3: Über just diese Ziffern hat der Düsseldorfer Anwalt Bernhard Matusche im Auftrag des Dschingis-Secret-Besitzers Horst Julius Pudwill versucht, Isfahans Sieg anzufechten. Er findet, dass die Androhung einer in der Rennordnung so formulierten "Disqualifikation bei unzulässiger Verabredung, bei Betrug oder bei Anwendung eines unerlaubten Mittels" präzise auf seinen Fall zutrifft, in dem ja der Teammanager Faust den Jockey Vargiu zum Peitschenmissbrauch angestiftet haben soll.

Nun droht bei Missbrauch eine zweiwöchige Zwangspause

"Verabredung" plus "unerlaubtes Mittel" gleich "Betrug". Oder nicht? Das Renngericht hat am Donnerstag als Sachverständigen Heinz Fassbender geladen, der die Rennordnungsnummer 623.3 vor gut 40 Jahren mitformuliert hat und nun zu Protokoll gab, die drei Eventualitäten im Text bezögen sich "ausschließlich auf Rennwettbetrug und Doping - über die Peitsche haben wir in diesem Zusammenhang damals nicht gesprochen."

Den Anwalt Matusche und seinen Mandanten Pudwill, einen deutschen Milliardär mit Wohnort Hongkong, überrascht diese verbandsinterne Interpretation nicht. "Uns war bewusst, dass es nahezu unmöglich ist, den bedeutendsten Sieger des deutschen Galoppsports beim zuständigen Sportgericht disqualifizieren zu lassen", sagt Matusche. Dazu passt, dass die Parteien jetzt darüber streiten, ob überhaupt eine Revision beim Oberen Renngericht möglich ist. "Aber unser Weg beginnt erst jetzt", sagt Matusche, "wir wollen den Instanzenweg bei den ordentlichen Gerichten beschreiten." Man werde Klage beim Landgericht Köln einreichen, "diese Rennordnung kommt jetzt auf den Prüfstand".

Und nicht nur in diesem Zusammenhang schärft der Isfahan-Fall die Sinne im Galoppverband. Um den Peitschenmissbrauch einzudämmen, wurde die Strafform des vorübergehenden Lizenzentzugs für die Jockeys verschärft. Demnach droht einem übertrieben peitschenden Reiter nun bereits im ersten Missbrauchsfall eine zweiwöchige Zwangspause. Das ist eine Strafe, die den Jockey auch Geld kostet - aber von keinem Rennstall so einfach kompensiert werden kann.

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