Während die deutschen Vielseitigkeitspferde Richtung Frankreich ins olympische Trainingslager rollen, gehen in Warendorf, der Zentrale der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die Bemühungen weiter, das Feuer zu löschen, das nach dem Finanzskandal vor einigen Wochen ausgebrochen war. Die Ursache war ein Loch von knapp einer Million Euro, doppelt so viel wie (als Corona-Folge) vorhergesagt worden war – und von dem keiner so recht erklären konnte, woher es kam.
Dem Präsidenten Hans-Joachim Erbel, dem Finanzkurator Gerhard Ziegler, dem Generalsekretär Soenke Lauterbach und dem Finanz-Geschäftsführer Rene Straten war bei einer außerordentlichen Sitzung des Verbandsrates die Entlastung verweigert worden. Die Ehrenamtlichen Erbel und Ziegler traten daraufhin zurück. Straten hatte bereits gekündigt, worauf ihm noch eine fristlose Kündigung hinterhergeschickt worden war. Er befindet sich in einem Rechtsstreit mit der FN.

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Jetzt muss also ein neuer Präsident her, eine elfköpfige Kommission unter Führung des schleswig-holsteinischen Landespräsidenten Dieter Medow soll ihn oder sie finden. Das wird nicht einfach. „Warendorf ist ja ein bisschen verbrannte Erde“, sagt Ullrich Kasselmann, Turnierveranstalter und Dressurpferdehändler. „Das ist ja kein Job, dem alle hinterherrennen.“ Es warten unangenehme Aufgaben auf den neuen Reiterchef, der erstmals auch eine Chefin sein könnte: Er oder sie muss den Verband finanziell in die Spur bringen, wohl Mitarbeiter entlassen, Gebühren erhöhen und sich von Verlustbereichen trennen, wie der Beratung beim Bau von Reitanlagen.
Manche halten es gar für möglich, dass Ursula von der Leyen ihre Absage von 2021 noch mal überdenkt
Schon bevor die Findungskommission ihre Arbeit aufgenommen hat, schwirren Namen umher. Michael Klimke, den Sohn des sechsfachen Olympiasiegers Reiner Klimke, Rechtsanwalt und selbst erfolgreich im Dressursattel, können sich viele vorstellen. Der einstige Manager Martin Richenhagen, einst Geschäftsführer eines großen US-Unternehmens und gefragter Talkshow-Gast, bietet sich als Retter in der Not an, fürchtet aber, nicht die nötigen Stimmen der Landesverbände zu bekommen. Manche halten es gar für möglich, dass Ursula von der Leyen, bisher Chefin der EU-Kommission, ihre Absage von 2021 noch mal überdenkt. Reiten kann sie jedenfalls. Alles andere, was zum Job gehört, wahrscheinlich auch.
Am Mittwochmittag sollen die FN-Mitarbeiter informiert werden, wie es weitergeht. Im Brennpunkt steht Generalsekretär Soenke Lauterbach, der trotz seiner Nichtentlastung vorerst weitermacht. Er will seinen Vertrag im Jahre 2025 auslaufen lassen. Das würde bedeuten, dass er nicht gekündigt wird, aber auch keine Abfindung erhält. Er gibt Fehler zu, die er nun in seiner Restlaufzeit ausbügeln will. „Wir wussten nicht, dass so viel Geld fehlt, aber wir hätten es wissen können und müssen“, sagt er und spricht von kleinen Stellschrauben, an denen nun gedreht werden müsse.
Der geschasste Finanz-Geschäftsführer Straten beharrt indes darauf, immer über die Probleme informiert zu haben – und verweist auf verschiedene E-Mails. Fest steht, dass er Gelegenheiten, im Vorstand auf die Löcher in der Kasse hinzuweisen, anscheinend nicht genutzt hat. Eine Firma, die beauftragt war, das Finanzgebaren der FN zu durchleuchten, konnte keine justiziablen Vergehen feststellen, kritisierte aber mangelhaftes Controlling und vorsintflutliche Software. Der Verband sei nicht insolvent, sondern in finanziell angespannter Lage. Jetzt braucht es ein Zugpferd, das den Karren aus dem Dreck zieht.