Regionalliga West:Tabellenführer leben in Köln gefährlich

firo :  14.05.2019, Fußball,Regionalliga,4.LigaSaison 2018/2019, Viktoria Köln,Training, Neuer Trainer Jürgen KOHLER,

Hat vor dem letzten Spieltag das Kommando bei Viktoria Köln übernommen: Jürgen Kohler, 53.

(Foto: firo Sportphoto)

In der vierten Liga geht es am letzten Spieltag weit dramatischer zur Sache als in der Bundesliga. Mittendrin: Weltmeister Jürgen Kohler.

Von Philipp Selldorf, Köln

Als der 1. FC Köln kürzlich seinen Trainer Markus Anfang entließ, obwohl dessen Mannschaft auftragsgemäß den ersten Platz in der zweiten Liga belegte (und schließlich ohne Anfang aufstieg), herrschte in weiten Teilen des Fußball-Landes Erstaunen. Da und dort wurde auch Empörung über den nicht endenden Sittenverfall des Profigeschäfts geäußert. Inzwischen gibt es in Köln aber gleich den nächsten Fall eines Tabellenführers im Zustand der Panik. Zwei Etagen tiefer, in der Regionalliga West, schickte der FC Viktoria Köln den Cheftrainer Patrick Glöckner und dessen Assistenten Markus Brzenska vorzeitig in den Sommerurlaub - nicht zum Zweck der Erholung, sondern mit jenen schönen Worten, die jeder Trainer fürchtet: "Wir wünschen den beiden für ihre berufliche Zukunft alles Gute."

Für das letzte Viertliga-Saisonspiel an diesem Samstag gegen die Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach konnte die Viktoria als Ersatz einen prominenten Experten gewinnen: Jürgen Kohler, ständiger Kolumnist des Fachmagazins Kicker, vor allem jedoch leibhaftiger Weltmeister von 1990, übernahm das Kommando beim "Verein rechts vom Rhein", wie dieser sich mit trotzigem Lokalstolz zu nennen pflegt. Rechts vom Rhein ist für die Kölner, die links vom Rhein zu Hause sind, die falsche Seite des Ufers, manche sehen dort den Ostblock beginnen.

Wenn jetzt überall das spannendste Bundesligafinale seit vielen Jahren beschworen wird, dann können die Leute in der Regionalliga West darüber nur lachen. Mit Recht. In der vierten Liga geht es am letzten Spieltag weit dramatischer zur Sache. Womöglich sollten die Sender überlegen, ob sie statt der Live-Konferenz aus München und Mönchengladbach nicht besser vom Höhenberger Sportpark in Köln ins Niederrhein-Stadion nach Oberhausen umschalten, wo der um einen Punkt hinter Viktoria Köln zurückliegende Verfolger Rot-Weiß Oberhausen den SC Verl empfängt. RWO-Präsident Hajo Sommers hat das Spiel zur nationalen Oberhausener Angelegenheit erklärt: "Es gibt keine Ausreden, nicht ins Stadion zu kommen." 6000 Besucher werden erwartet.

Außerdem dürften die Fernsehanstalten auch nicht versäumen, zwischendurch in der Lohrheide in Wattenscheid vorbeizuschauen. Dort stehen sich die SG 09 und der SV Straelen gegenüber, der Sieger behält einen Platz in der Regionalliga, der Verlierer steigt ab. Auch in Wattenscheid sitzt bekanntes Personal am Spielfeldrand: Kulttrainer Peter Neururer als Sportdirektor beim Gastgeber, Inka Grings auf Straelener Seite, letztere in ihrer besonderen Funktion als einzige Trainerin im deutschen Männer-Profifußball, was zuletzt einiges zur feministischen Debatte beigetragen, ihr robustes Selbstverständnis als Fußballfachkraft aber überhaupt nicht beeinflusst hat. Fußball bleibt Fußball, meint Grings, und Männer seien dafür sogar besser geeignet, weil sie "einfacher gestrickt" seien - anders als Frauen neigten sie nach Rückschlägen weniger zum Grübeln.

Auf die Viktoria-Männer scheint das aber nicht zuzutreffen. Am vorigen Wochenende hat Inka Grings mit ihrer Mannschaft durch zwei Tore in der Nachspielzeit 2:0 gegen Viktoria gewonnen - und damit den Trainerwechsel beim nervösen Tabellenersten und ewigen Topfavoriten der Liga ausgelöst. Dieser hatte sich schon am Ziel seines langen Weges gewähnt, doch nach der zweiten Schwächephase auf der Zielgeraden könnte die Viktoria - wie schon so oft in den vergangenen Jahren - auch diesmal den Sprung in die dritte Liga knapp verpassen. Die Fortsetzungsgeschichte vom Scheitern am Aufstieg beim rechtsrheinischen Traditionsklub Viktoria, dem einstigen Heimatverein des Kölner Idols Hennes Weisweiler, droht zur Neurose zu werden.

Dank großzügiger Geldgeber verfügt Viktoria über überlegene Mittel. Während Oberhausen sein Team mit nur 1,2 Millionen Euro im Jahr unterhält, wenden die Kölner angeblich das Drei- bis Vierfache auf. Der mutmaßlich nicht eben billige Angestellte Jürgen Kohler hat soeben die A-Jugend der Viktoria in die westliche Bundesliga geführt. Jetzt könnte er sich in nur 90 Minuten eine zweite Aufstiegsprämie verdienen. Sein Trainerjob am Samstag sei einfach, sagt Kohler: "Ich muss den Spielern wieder vermitteln, dass sie gut sind. Dass sie Tabellenführer sind." Doch Tabellenführer leben in Köln gefährlich.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: