Regionalliga:Wer hat Zeit?

Regionalliga: Abschied unter Tränen: Nach seiner Niederlage in der Aufstiegsrunde verließ der Spielertrainer Tobias Stobl den Dorfklub FC Pipinsried.

Abschied unter Tränen: Nach seiner Niederlage in der Aufstiegsrunde verließ der Spielertrainer Tobias Stobl den Dorfklub FC Pipinsried.

(Foto: Toni Heigl)

Auch in der Regionalliga arbeiten Trainer 40 Stunden in der Woche. In Rosenheim steht Tobias Strobl vor der Frage: Wie lässt es sich mit ehrenamtlicher Arbeit mit Klubs mithalten, die unter Profibedingungen arbeiten?

Von Christoph Leischwitz

Am vergangenen Wochenende hat die Mannschaft ihrem Trainer noch einmal drei Punkte geschenkt, 1860 Rosenheim bezwang den Tabellenletzten Bayern Hof 1:0. Das war kein verfrühtes Weihnachts-, sondern vielmehr ein Abschiedsgeschenk. Klaus Seidel wird beim Aufsteiger auch nach der langen Winterpause nicht mehr an der Seitenlinie stehen, er hatte vor drei Wochen seinen Rücktritt angekündigt. Sein Nachfolger heißt Tobias Strobl. Der 29-Jährige hat noch nicht ganz so viel Erfahrung wie der 51-jährige Seidel, unter anderem der letzte Jugendtrainer Bastian Schweinsteigers, bevor dieser zum FC Bayern wechselte. Strobl hat gegenüber Seidel aber einen Vorteil, der in der Regionalliga mittlerweile entscheidend ist: Er hat Zeit.

Seidel hatte die Sechziger zum Aufstieg geführt, die Mannschaft hat zur Winterpause mit 25 Punkten immerhin sechs andere Teams hinter sich gelassen. Doch es ging einfach nicht mehr: Der zeitliche Aufwand, den ein Regionalliga-Trainer mitbringen muss, sei für Seidel nicht mehr mit Privat- und Berufsleben vereinbar gewesen. "Den Aufwand von Profitrainern haben Amateurtrainer auch", sagt Hans Kroneck, der sportliche Leiter der Sechziger. Mit Vorbereitung auf Trainings und die Spiele, Videoanalysen, Sponsorentreffen und vielen anderen Kleinigkeiten schätzt er, dass Seidel des Öfteren auf eine 40-Stunden-Woche gekommen sei. Und wenn man weniger tue, dann sei man natürlich auch weniger erfolgreich.

Das wirft Fragen auf: Wie viel Platz ist in der höchsten Amateurklasse eigentlich noch für die reinen Amateurklubs? Wie lange kann man mit ehrenamtlicher Arbeit und besseren Aufwandsentschädigungen jenen Teams das Wasser reichen, die unter Profibedingungen arbeiten?

Kroneck jedenfalls hatte Verständnis für Seidels Entscheidung. Und erinnerte sich sogleich an den eloquenten jungen Spielertrainer, gegen den der TSV 1860 Rosenheim schon einmal in der Abstiegs-Relegation spielen musste. Tobias Strobl war damals noch Trainer beim kleinen Dorfklub FC Pipinsried, doch er hatte es zumindest geschafft, die Mannschaft zwei Mal hintereinander in die Aufstiegsrunde zu führen. Als er es beim zweiten Mal nicht schaffte, gab er unter Tränen seinen Rücktritt bekannt. "Er hat überall, wo er war, hervorragende Arbeit gemacht", sagt Sechzigs Sportlicher Leiter. Er rief Strobl an und rannte offene Türen ein - auch wenn sich der 29-jährige ungern von seinem aktuellen Verein trennt. Mit dem Bezirksligisten SV Manching steht er derzeit auf Platz zwei. Man hat sich dort zu einer Freigabe durchgerungen.

Seinen Spielerpass lässt Strobl erstmal in Manching - in der Regionalliga auch noch zu spielen, das wäre sowieso zu aufwändig. Seine Entscheidung ist auch so schon weitreichend genug. Strobl wohnt in Hepberg im Landkreis Eichstätt, zum Rosenheimer Stadion sind es mit dem Auto, einfache Strecke, genau 155 Kilometer. Für seinen Traum Regionalliga gibt er nun auch seinen Job in der Heimat auf. Bei 1860 will man sich nun darum kümmern, dass er in Rosenheim schnell einen neuen findet. Und so oft wie möglich auch in Rosenheim übernachtet. Ein Profileben ohne Profi-Bezahlung also.

Der Amateurfußball hat schon immer von Typen gelebt, die für ihre Leidenschaft alles andere stehen und liegen lassen. Und womöglich ist Strobl jung genug, um später noch im Profifußball unterzukommen. Doch in der Regionalliga verschärfen sich die Umstände erheblich, weil zusätzlich zur oft vergeblichen Suche nach mehr ehrenamtlichen Mitarbeitern die sportliche Qualität der Liga rasant ansteigt - und mit ihr auch der Aufwand. Vor knapp einem Jahr warf schon der durchaus erfolgreiche Christian Braun beim FC Memmingen hin, aus beruflichen Gründen.

"Man sieht es ja an der Tabelle", sagt auch Anton Autengruber, Trainer des aktuell Vorletzten SV Schalding-Heining. Vier der acht übrig gebliebenen, reinen Amateurteams stehen auf den vier letzten Tabellenplätzen. Der A-Lizenz-Inhaber Autengruber hatte zuvor einen österreichischen Bezirksligisten trainiert. Der Arbeitsaufwand, sagt er, sei nicht vergleichbar. Es wird von Jahr zu Jahr immer schwerer", sagt auch Markus Clemens, der Abteilungsleiter der Passauer. Das Wort "schlimmer" möchte er allerdings nicht benutzen, denn man sei ja auch stolz, zu den besten 18 Amateurteams Bayerns zu gehören. Und: "Wir haben 2014 einen Kunstrasenplatz bekommen und eine neue Tribüne gebaut. Das ist ganz klar ein Rückfluss dieser Regionalliga", sagt er. Ändern könne man an der Entwicklung vermutlich sowieso nichts. Doch ein wenig Sorgen macht er sich schon um die Regionalliga, die doch so viele schöne Geschichten schreibe: "Sie lebt doch von so kleinen Vereinen wie uns. Von den Spielen David gegen Goliath", sagt Clemens. Wenn irgendwann keine Davids mehr da seien, dann könnte es schnell langweilig werden.

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