Regionalliga:Sie träumen von fernen Städten

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Mit Köpfchen im Fünfmeterraum-Getümmel: Felix Weber (Nr. 4) erzielt das 3:1 für den TSV 1860.

(Foto: Sven Leifer/imago/foto2press)

Der TSV 1860 München gewinnt beim FC Ingolstadt II nach anfänglichen Problemen souverän mit 4:1. Schon am kommenden Wochenende könnte für die Löwen die Meisterschaft feststehen.

Von Gerhard Fischer

Am Ende war es ein schöner Abend für die Löwen-Fans, vom Wetter her, aber auch das Ergebnis stimmte: Der TSV 1860 München gewann - nach Anfangsproblemen - 4:1 beim FC Ingolstadt II und rast in Richtung Meisterschaft in der Regionalliga Bayern. Sollten die Löwen am Samstag gegen den FC Augsburg II gewinnen und der FC Bayern II verliert sein Spiel, dann ist es schon so weit.

Ein Fehler von Torwart Bonman, Ersatz für Stammkeeper Hiller, leitet das Gegentor ein

Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Fans an einem Werktag Zeit finden, den Löwen hinterher zu fahren, nach Illertissen, Schalding-Heining oder eben Ingolstadt. Als der Regionalexpress 4888 am Dienstag um 15.59 Uhr in München startete, waren viele Blaue an Bord, und während der Zug die Stationen Pfaffenhofen und Rohrbach passierte, redeten sie über ferne Städte. Saarbrücken könnte ein Gegner in der Relegation sein. Oder Mannheim. Oder Offenbach. "Die Regionalliga Südwest ist stark", sagte einer, "die haben auch gute zweite Mannschaften drin, zum Beispiel Freiburg II." Freiburg, ganz im Süden Deutschlands, könnte am 24. Mai ebenfalls ein Reiseziel sein, zum Hinspiel der Relegation. Das Rückspiel werden die Löwen im Grünwalder Stadion bestreiten. Es gab ja Diskussionen, weil die Frauen des FC Bayern am 27. Mai ein Bundesliga-Heimspiel haben - und die Bundesliga, gleich welchen Geschlechts, Vorrecht genießt gegenüber der Regionalliga. Aber die Frauen räumen das Grünwalder Stadion, sie spielen auf dem Bayern-Campus.

Der FC Ingolstadt II trägt seine Heimspiele im Stadion des früheren Eisenbahner-Sportvereins aus, gleich neben dem Hauptbahnhof. FCI-Trainer Ersin Demir sagte dem Donaukurier vor dem Spiel, sein Team werde 1860 "einen großen Kampf liefern." Ingolstadt, als Verfolger lange Zeit bedrohlich, hat zuletzt abreißen lassen. 1860-Trainer Daniel Bierofka dürfte deshalb die Tatsache, dass er drei Stammspieler ersetzen musste, mehr gejuckt haben als Demirs Kampfansage: Es fehlten Torhüter Marco Hiller, der nach seinem Feldverweis gegen Eichstätt zwei Spiele zuschauen muss, und die verletzten Jan Mauersberger und Aaron Berzel.

Trainer Demirs Worten ließen die Ingolstädter vor 3919 Zuschauern rasch Taten folgen. Sie griffen beherzt an, und Hiller-Vertreter Hendrik Bonmann hatte gleich zu tun; zunächst gefiel er mit einer Faustabwehr nach einer Ecke, aber dann patzte er: Bonmann bekam einen Flachschuss von Takahiro Sekine nicht zu fassen, der Ball sprang von der rechten Hand des hechtenden Keepers hoch wie eine Flipperkugel, und als er wieder auf den Rasen fiel, musste Angreifer Patrick Hasenhüttl nur noch einschieben (10.). Patrick ist der Sohn des Leipziger Trainers Ralph Hasenhüttl, der früher selbst mal Stürmer gewesen ist, in München, allerdings bei den Bayern. Wenig später schoss Max Thalhammer knapp drüber, und das wurde Bierofka zu viel. Er ging an den Spielfeldrand, reckte die rechte Hand nach vorne und bewegte sie nach links. Sollte heißen: Leute, lasst Euch nicht hinten rein drängen.

Sie gehorchten, aber zunächst blieben die Vorwärtsbewegungen hölzern, und als Eric Weeger einen Volleyschuss Richtung Hauptbahnhof jagte, war das nicht so tragisch, aber doch irgendwo symptomatisch. Die Löwen fingen sich nur langsam, Mölders schoss ein Tor, das nicht galt, weil er zuvor gefoult hatte, und danach bewegte Bierofka beide Hände: Er warf sie enttäuscht nach oben, als ein schöner Drehschuss von Mölders sein Ziel nur knapp verfehlte (33.). Dann prüfte Nico Karger Tormann Fabijan Buntic mit einem Flachschuss ins kurze Eck (37.). Kurz vor der Pause war Sechzig endlich drin im Spiel. Und dann war der Ball drin im Tor. Benjamin Kindsvater legte Karger auf, dessen brillanter 18-Meter-Schuss in den Winkel versöhnte die Löwen-Fans für die ästhetischen Entbehrungen der ersten Hälfte.

Ingolstadts Japaner kombinieren gefällig, Sechzig überzeugt mit Effizienz

Darauf sollte sich doch aufbauen lassen in der zweiten Hälfte. Doch erst mal stöhnten die 1860-Anhänger, denn Steinhart köpfelte nach einer Ecke an die Latte des eigenen Tores und Tormann Bonmann trat an einem Köppel-Rückpass vorbei. Die spöttischen Tribünen-Unterhaltungen über diese Slapstick-Einlagen verstummten schnell, weil 1860 für positiven Gesprächsstoff sorgte: Simon Seferings traf mit einem wuchtigen Linksschuss aus 20 Metern (48.). Aber dann war es erst mal wieder vorbei mit der Ästhetik, nur hinter dem Stadion gab es einen schönen, blutroten Sonnenuntergang. Und die beiden flinken Japaner Takahiro Sekine und Ryoma Watanabe im Ingolstädter Mittelfeld kombinierten recht gefällig. Effizienter waren die Gäste: Felix Weber erhöhte nach einer Ecke auf 3:1 (76.) und Kodjovi Koussou nach Ziereis-Zuspiel auf 4:1 (90.), damit sah alles gleich viel besser aus. Die Fans jedenfalls sangen unablässig in den letzten Minuten und schwenkten ihre Fahnen.

Im Zug träumten sie dann noch von anderen Reisezielen. "Wenn Weiche-Flensburg aus der Nord-Staffel auch aufsteigt", sagte einer, "dann haben wir in der dritten Liga eine lange Fahrt - 900 oder 1000 Kilometer." Er sagte "auch" aufsteigt. Der Löwen-Aufstieg war für ihn schon beschlossene Sache.

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