Regionalliga Südwest:Der Floh, der keinen juckt

Henok Teklab (Alzenau) im Zweikampf mit Tim Sechelmann (Koeln) 1. FC Koeln U21, U 21 vs FC Bayern Alzenau, Fussball, Tes

Gut vorbereitet: Henok Teklab (li.), Alzenauer Torschütze beim Auftakt-2:0 in Koblenz, in einem Testspiel gegen den 1. FC Köln II

(Foto: Eibner/imago)

Personal- und Reisekosten, aber keine Einnahmen: Der FC Bayern Alzenau ist in die Saison gestartet, darf aber nur Auswärtsspiele bestreiten.

Von Christian Bernhard

Das Gute liegt bekanntlich ja so nah. Im Fall des FC Bayern Alzenau ist es nur wenige Kilometer entfernt - und doch so weit weg. Zuhause, also auf bayerischem Boden, darf der Verein aus der Regionalliga Südwest aufgrund der bayerischen Infektionsschutzverordnung keine Pflichtspiele austragen. Die Fußballer aus dem bayerischen Rhein-Main-Gebiet bestritten am Sonntag ihr erstes Saison-Pflichtspiel, gegen den TuS RW Koblenz gab es einen 2:0-Sieg. Allerdings nicht zuhause, wie ursprünglich vorgesehen, sondern in Koblenz.

Der FC Bayern Alzenau musste ja sein Heimrecht tauschen. Wegen seiner Nähe zur hessischen Grenze, die teilweise nur einen Kilometer neben Alzenaus Gemeindegebiet verläuft, ist der Verein schon seit über 30 Jahren Teil von Hessens Fußballbetrieb. Was den Sport betrifft, "sind wir komplett hessisch gepolt", erklärt Vorstand Andreas Trageser. Bis auf acht Spieler aus der eigenen Jugend kommen alle FC-Regionalligaspieler aus Hessen. Da die Gemeinde Alzenau aber zu Bayern gehört, was im Vereinsnamen und im Logo nicht zu überhören und -sehen ist, ist der Klub der unfreiwillige Hauptdarsteller einer für alle deutschen Regionalligen einzigartigen Posse. "Wir vertreten eigentlich mit Stolz unsere bayerischen Farben", sagt Trageser, "aber jetzt bekommen wir die Knüppel reingehauen."

Alzenaus Gegner und die Regionalliga Südwest stehen dem Verein zur Seite. "Die schütteln alle den Kopf", sagt Trageser. "Alle haben Verständnis für unsere Situation und Unverständnis für das Verhalten der bayerischen Landesregierung." Der Verein hatte sich bereits vor drei Wochen an die Staatskanzlei gewandt und eine Sondergenehmigung beantragt. Reaktion darauf gab es keine. Erst als Trageser in der vergangenen Woche nachhakte und dabei "verständnisvolle Beamte" am Telefon hatte, wurde ihm zugesichert, dass das Alzenauer Anliegen bei der kommenden Kabinettssitzung am 14. September behandelt werde. Die Frage, wann der Verein wieder Heimspiele austragen kann, "um uns finanzieren zu können, beschäftigt uns schon sehr", sagt Trageser. Er sieht den Klub als "kleine eingequetschte Kirchenmaus" - gefangen zwischen den Verordnungen der bayerischen Regierung und den Vorgaben des hessischen Fußballs.

Alzenau muss sich in der Regionalliga Südwest, die laut Trageser "in keinster Weise mit der Regionalliga Bayern zu vergleichen" sei, gegen finanzstarke Konkurrenten behaupten, die über Etats von drei bis fünf Millionen Euro verfügten. Diese Dimensionen seien in der bayerischen Regionalliga ganz selten, erklärt Trageser, "bei uns ist das Standard". Alzenau bewege sich im sechsstelligen Etatbereich, "aber auch dieses Geld muss erst einmal eingenommen werden". Ohne Heimspiele ist das nahezu unmöglich. Deshalb macht er unmissverständlich klar: "Wir fühlen uns von der Politik alleine gelassen und stiefmütterlich behandelt."

Die Problematik betrifft nicht nur die Fußballer im unterfränkischen Landkreis Aschaffenburg. Basketballer, Handballer, Ringer: Alle aus der Grenzregion sind sportlich in Hessen angesiedelt. Zahlreiche Vereine hätten sich bei ihm gemeldet, erzählt er, "alle im Grenzgebiet sind stinksauer". Trageser sieht gar eine gesellschaftliche Dimension der Problematik: Politisch gesehen sei der bayerische Untermain "für viele anscheinend nicht wertvoll genug". Er sieht es so: Der Nordwesten des Freistaates ist "die Schwanzspitze des bayerischen Löwen, und wir sind ein Floh, der sich da verhangen hat". Bloß: "Der juckt keinen."

Bayern Alzenau genießt im hessischen Raum einen sehr guten Ruf. Der Verein ist ein beliebter Anlaufpunkt für junge Spieler, die aus den Nachwuchsleistungszentren von Eintracht Frankfurt, Mainz 05, Darmstadt und Offenbach herausgewachsen sind. "Diese Spieler wollen bei uns den zweiten Schritt machen", erklärt Trageser. Der Klub gilt als seriös und solide geführt, finanziell steht er seit jeher auf guten Beinen. "Eigentlich ist alles okay bei uns", sagt der Vorstand, "nur dass wir halt jetzt nicht spielen können." Auch für das zweite Heimspiel hat Alzenau bereits das Heimrecht getauscht, Trageser hofft, am 26. September erstmals zuhause antreten zu können.

Sollte bis dahin keine positiven Nachrichten aus München kommen, würde der Verein wohl weiterhin nur auswärts spielen. "Wir würden kein Geld einnehmen, müssen aber Spieler und Trainer bezahlen", erklärt Trageser. Die Reisekosten, die den Klub erst einmal erwarten, bedeuten für den Verein eine noch höhere finanzielle Belastung.

Für die Alzenauer ist die unbefriedigende Situation besonders schwer zu verkraften, da nur wenige Kilometer entfernt Fußballspiele mit 1000 Zuschauern stattfinden. Dabei mache das Coronavirus, betont Trageser, "ja nicht an einer Landesgrenze stopp".

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