An der Frage, ob „Monopoly“ ein spannendes Spiel ist oder stinklangweilig, scheiden sich die Geister. Einigkeit besteht allerdings darin, dass eine bestimmte Ereigniskarte des Spiels die mit Abstand niederträchtigste war – zumindest, wenn man kurz vor der nächsten Runde stand und neues Geld benötigte: „Gehen Sie zurück auf LOS. Gehen Sie direkt dorthin, ziehen Sie keine 4000 Euro ein“, stand auf dieser Karte. Wegen Hundsgemeinheit gehört sie seit einigen Jahren nicht mehr zur Ausstattung des Spiels.
Für die Fußballfans von Lok Leipzig müssen sich die vergangenen Wochen so angefühlt haben, als hätten sie ein Abonnement auf miserable Ereigniskarten abgeschlossen. Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren war ihr Team souveräner Meister der Regionalliga Nordost geworden, zum zweiten Mal durfte Lok dennoch nicht aufsteigen. 2020 scheiterten die Sachsen in der Relegation am SC Verl, vor eineinhalb Wochen folgte der nächste Rückschlag: Nach einem 1:1 im Hinspiel setzte sich in den Playoffs zur 3. Liga der Nord-Meister TSV Havelse im Rückspiel durch (3:0 nach Verlängerung).
Letztlich sind die Lokisten allerdings nicht nur an dem kleinen Klub aus Niedersachsen gescheitert, sondern vor allem an der seit Jahren umstrittenen Aufstiegsregelung. Von den Meistern der fünf deutschen Regionalliga-Staffeln dürfen immer nur vier in die dritte Liga hochrutschen. Lediglich die Meister Südwest und West haben eine Aufstiegsgarantie, von den Meistern der Staffeln Nordost, Nord und Bayern steigt jährlich rotierend einer direkt auf, während die beiden anderen den vierten Aufsteiger in der Relegation ermitteln. Besser als am Beispiel von Lok lässt sich kaum zeigen, wie grotesk das ist. Der Meister der Nordost-Liga, die immerhin sechs Bundesländer umfasst, bleibt nun viertklassig, obwohl er in 34 Ligaspielen nur vier Niederlagen kassiert hatte – und obwohl Leipzig in dieser Saison die höchste Punktzahl aller 90 deutschen Regionalligisten erreichte (76).
„Das ist die ungerechteste Regel, die es im Fußball gibt“, sagt Sportdirektor Chris Löwe vom Leipziger Ligakonkurrenten Chemnitzer FC: „Lok hat eine überragende Saison gespielt und musste in diese beiden Extraspiele. Und die haben darüber entschieden, ob der Verein in den Profifußball zurückkehrt oder nicht.“ Beim CFC und dessen Geschäftsstellenleiter Tommy Haeder laufen inzwischen die Fäden der Initiative „Aufstiegsreform 2025“ zusammen, der 16 der 18 Nordost-Regionalligisten angehören und die derzeit regen Zulauf hat. „Meister müssen aufsteigen“, sei das ebenso plakative wie gerechtfertigte Motto, „hinter dem sich alle versammeln können“, sagt Haeder. Allen Regionalligisten müsse aber auch klar sein, dass es nicht damit getan sei, Forderungen zu stellen: „Wir brauchen eine komplette Strukturreform. Die Zeiten, in denen Solidarität beschworen wurde, man sich letztlich aber nur an den Interessen des eigenen Klubs orientiert hat, müssen vorbei sein.“
Wenn alle Meister aufsteigen sollen, ist wohl ein Modell mit vier Regionalligen nötig – oder eine Zweiteilung der Liga
Viele Regional- und Drittligisten warten seit Langem darauf, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) Wege präsentiert, wie man das von fast allen in der Branche als ungerecht empfundene Aufstiegsdilemma lösen kann. Und wie man darüber hinaus jenes „strukturelle Problem“ löst, das alle Viertligisten betrifft: „Die Lücke, die zwischen uns und der dritten Liga klafft, ist kaum noch zu schließen“, betont Haeder: „Es ist kein Zufall, dass so viele Aufsteiger im ersten Jahr gleich wieder absteigen.“
Lange Jahre tat sich bei dieser schwierigen Thematik weder beim DFB in Frankfurt etwas noch in den Landesverbänden – auch das erklärt den Zulauf für die Initiative. Zuletzt schlossen sich auch die Ost-Drittligisten Hansa Rostock, Energie Cottbus und Erzgebirge Aue sowie der Zweitliga-Aufsteiger Dynamo Dresden an. In Bayern solidarisierten sich mit der Bewegung die Würzburger Kickers, die im Sommer 2024 in der Relegation im Elfmeterschießen an Hannover 96 II gescheitert waren.
Im Westen kamen Rot-Weiß Oberhausen und der 1. FC Bocholt dazu, auch vier Schwergewichte aus der Nordstaffel sind dabei: der VfB Lübeck, der VfB Oldenburg, der SV Meppen und Kickers Emden. Für die Integrität des Wettbewerbs sei es fatal, „wenn durch wechselndes Aufstiegsrecht die betroffenen Regionalligisten in ein Wettrüsten und in finanzielle Risiken gezwungen werden“, sagt Lübecks Vorstandsvorsitzender Dieter Gudel, „weil sie in einer Saison mit einem festen Aufstiegsplatz unbedingt Erster werden wollen“. Dem Vernehmen nach wollen in den kommenden Tagen weitere Klubs der Initiative beitreten, insbesondere aus Bayern und NRW.
Überhaupt hat man den Eindruck, dass die Ziele der Aufstiegsreform-Initiative im deutschen Fußball mehrheitsfähig wären. Dass dennoch seit Jahren keine Abhilfe geschaffen wird, liegt eher daran, dass man sich nicht einigen kann, wo der fehlende fünfte Aufstiegsplatz herkommen soll. Die am einfachsten umsetzbare Lösung wäre sicherlich, es bei der gegenwärtigen Struktur mit fünf Regionalligen zu belassen und die Zahl der Absteiger aus der dritten Liga auf künftig fünf (statt derzeit vier) zu erhöhen. Doch diesem Modell hat DFB-Präsident Bernd Neuendorf eine kategorische Absage erteilt. Auch eine Aufstockung der dritten Liga auf 22 Klubs lehnt der DFB ab.
Daher scheint es, dass sich die Regionalligisten, wenn alle Meister aufsteigen sollen, auf ein Modell mit nur noch vier statt fünf Staffeln verständigen müssten. Wobei umstritten wäre, welche Liga dann aufzulösen ist und welche Klubs geografisch wohin versetzt werden. Ein weiteres Modell wäre, die vierte Liga aufzusplitten in eine zweigleisige Liga, die alle ambitionierteren bisherigen deutschen Regionalligisten umfasst – und unterhalb davon drei weitere neue fünfte Spielklassen zu etablieren. Auf Bayern heruntergebrochen würde dann etwa die SpVgg Bayreuth vor jeweils mindestens 5000 bis 8000 Fans in Zwickau oder Meppen antreten, während sich ein kleinerer Klub wie die DJK Vilzing künftig auch mit Vereinen aus der bisherigen Südwest-Staffel messen müsste.
Der DFB hat die Initiative jedenfalls dazu aufgefordert, sich an die Regional- und Landesverbände zu wenden, um beim DFB-Bundestag im November Mehrheiten für eine Reform zu organisieren. Bis dahin dürften Tommy Haeders Arbeitstage nicht kürzer werden. Er sagt: „Es wird jetzt in den nächsten Wochen darum gehen, die gemeinsamen Interessen der Regionalligen herauszufiltern, um mit einer Stimme sprechen zu können. Ganz ohne die Vermittlung des DFB und der Landesverbände wird es aber nicht gehen.“