Regionalliga:1860 Münchens Nachwuchschef muss gehen

Regionalliga: Schellenbergs Arbeitsnachweise (von links): Kevin Volland (Leverkusen), Julian Weigl (Dortmund) und Sven Bender (Leverkusen)

Schellenbergs Arbeitsnachweise (von links): Kevin Volland (Leverkusen), Julian Weigl (Dortmund) und Sven Bender (Leverkusen)

(Foto: imago Sportfoto)
  • Wolfgang Schellenberg muss seinen unbefristeten Vertrag beim TSV 1860 München auflösen.
  • Dabei gilt er als einer der besten Nachwuchstrainer des Landes und entdeckte und förderte zahlreiche Nationalspieler.
  • Sein Abschied sorgt im Verein für Unverständnis.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Alle grüßten sie zum Abschied: Lars und Sven Bender, Marius Wolf, Fabian Johnson, Timo Gebhart, Florian Neuhaus, Kevin Volland und Julian Weigl waren auf einer Fotomontage zu sehen, die sich am Montag im Internet verbreitete und auf der gefordert wurde: "Schelle muss bleiben!" Es half nichts - nach einem abschließenden Gespräch mit Geschäftsführer Markus Fauser am Montagnachmittag stand fest, dass Nachwuchsleiter Wolfgang Schellenberg, 46, sein Amt beim TSV 1860 München abgeben wird, sein unbefristeter Vertrag soll aufgelöst werden.

Der TSV 1860 beendet sein Jahr des Absturzes also mit einer merkwürdigen Personalentscheidung. Schellenberg hatte, einst als U17-Trainer und seit 2012 als Nachwuchsleiter, in insgesamt 13 Jahren all jene Spieler aus der Jugendabteilung der Löwen hervorgebracht, die nun aus der Bundesliga und von der Collage grüßen; zudem fehlten auf dem Bild noch Felix Uduokhai und Marin Pongracic, die die Löwen nach ihrem Absturz im Sommer für jeweils rund eine Million Euro verschacherten, um einen Etat für die Regionalliga zusammenzubekommen. Und es fehlten: Lino Tempelmann und Vitus Scheithauer.

"Du kannst von der A-Jugend nicht das Maximum erwarten"

Die beiden Letztgenannten kennt kaum jemand, sie sind aber besonders wichtig, wenn man die Geschichte dieser unverständlichen Trennung erzählt. Tempelmann wäre in dieser Saison noch für die U19 spielberechtigt gewesen, das größte Talent seines Jahrgangs wurde allerdings im Sommer für 150 000 Euro an den SC Freiburg abgegeben. Und Scheithauer wurde 2016, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nahm, an Mainz 05 verkauft und dort zum U19-Nationalspieler. Die Vielzahl an Talenten, die Schellenberg erkannte, zu 1860 brachte und förderte, spielte am Ende offenbar keine Rolle mehr - sondern nur die nackten Tabellen.

Regionalliga: Wolfgang Schellenberg, 46, führte als Trainer die U17 des TSV 1860 im Jahr 2006 zur deutschen Meisterschaft. Zuletzt war er seit 2012 Leiter des Nachwuchszentrums.

Wolfgang Schellenberg, 46, führte als Trainer die U17 des TSV 1860 im Jahr 2006 zur deutschen Meisterschaft. Zuletzt war er seit 2012 Leiter des Nachwuchszentrums.

(Foto: Claus Schunk)

In der vergangenen Spielzeit stiegen sowohl die U19 als auch die U17 aus der Bundesliga in die Bayernliga ab, und nach Lage der Dinge werden sie sich in beiden Ligen auch nicht gegen den weitaus finanzkräftigeren FC Ingolstadt im Kampf um den Wiederaufstieg durchsetzen können. Ihm sei daher "von verschiedenen Seiten" vorgeworfen worden, dass das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) "am Boden liegt", sagt Schellenberg. "Vielleicht war es ein Fehler, dass ich nicht auch an die Öffentlichkeit gegangen und dem entgegengetreten bin."

Denn zum einen ist ein zwischenzeitlicher Aufenthalt in der Bayernliga auch für andere ambitionierte Nachwuchsabteilungen wie Fürth, Nürnberg oder eben Ingolstadt nichts Ungewohntes. "So eine Entwicklung, abgesehen von den ganz großen Vereinen wie dem FC Bayern oder Hoffenheim, passiert regelmäßig auch anderen Klubs", sagt Schellenberg. "Die Spielklasse behindert die Talentförderung nicht, wenn man Möglichkeiten findet, das zu kompensieren." Auch beim Anwerben von Talenten, das meist im Alter von 13 oder 14 Jahren stattfindet, sei die aktuelle Ligazugehörigkeit von U17 und U19 meist kein entscheidendes Argument.

Will 1860 München wieder eine U21?

Und zum anderen befindet sich die U19 in einer sehr speziellen Situation - nachdem die zweite Mannschaft im Sommer überaus kurzfristig quasi zur ersten geworden ist, muss in der Bayernliga Süd eine leicht verstärkte U19 als U21 antreten. Viele junge Spieler waren an einem Wochenende im Doppeleinsatz in der Männer-Bayernliga und in der U19-Bayernliga. "Das war eine wahnsinnige Doppelbelastung für einige", sagt Schellenberg, "dass dadurch bei den Jungs körperlich und geistig der Akku leer ist, wirkt sich irgendwann aus. Einmal haben wir mit der U21 in Holzkirchen gespielt und sind dann als U19 am nächsten Tag um sieben Uhr früh nach Würzburg gefahren - dann spielst du da eben mal unentschieden, dann kannst du von der A-Jugend nicht das Maximum erwarten."

Das scheint im Verein nicht jeder so gesehen zu haben - wenngleich immer noch unklar ist, wer es eigentlich nicht so sah und wer Schellenberg überhaupt loswerden wollte. Geschäftsführer Fauser selbst mischt sich in sportliche Belange niemals ein, er teilte Schellenberg lediglich mit, dass "beide Gesellschafter mit der Entwicklung im NLZ nicht zufrieden" seien.

Dabei brachte es bis zuletzt weit mehr Talente heraus, als man angesichts der Entwicklung bei anderen Klubs erwarten konnte. Als Schellenberg von 2002 bis 2007 als U17-Trainer bei Sechzig arbeitete, gehörte es neben den Bayern noch zu den Topadressen im Nachwuchs. Als er 2012 als NLZ-Leiter zurückkam, hatten Konkurrenten aufgeholt: "Wir waren nicht mehr der Verein, der in Augsburg oder Nürnberg anrufen konnte, um einen Spieler zu bekommen." Ausnahmen bestätigten die Regel. Schellenberg lotste beispielsweise Wolf vom Club nach Giesing und Pongracic aus Ingolstadt - in beiden Fällen erkannte er herausragende Talente, bei denen es in ihren aktuellen Vereinen nicht lief. "Wir mussten uns auf vier, fünf Toptalente pro Jahrgang beschränken - und das ist in der Regel recht gut gelungen", meint er.

Für die kommende Saison gilt es bereits jetzt die Weichen zu stellen, und die entscheidenden Fragen sind für Schellenberg: "Will 1860 wieder eine eigenständige U21? Dann muss die Kaderplanung jetzt losgehen. Oder geht gar keine U21 mehr an den Start? Oder setzt man auf die A-Jugend als U21? Die Priorität muss aber sein, die U19 in die Bundesliga zurückzubringen." Bei allen Planungen ist auch die finanzielle Lage zu berücksichtigen. Nach SZ-Informationen hat Fauser in seinem Budget für die kommende Saison eine Einsparung von über 100 000 Euro im Nachwuchs vorgesehen, es stehen nur noch unter 800 000 Euro zur Verfügung. Schellenberg jedenfalls wird bei der Suche nach Antworten nicht mehr mitwirken.

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