Regionalliga Bayern:Trotziger Stolz

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Volle Ränge: Die zweite Saisonniederlage des TSV 1860 sahen so viele Zuschauer wie nie zuvor in der Regionalliga Bayern. (Foto: imago/Oryk HAIST)

Vor der Rekordkulisse von 21 219 Zuschauer verliert der TSV 1860 München 2:3 beim FC Augsburg II - und verpasst damit erst einmal den Gewinn der vorzeitigen Herbstmeisterschaft.

Von Markus Schäflein

Lange Staus bildeten sich auf der Bundesstraße 300 im Augsburger Westen, ein Großaufgebot der Polizei war in der Stadt unterwegs - es war eben ein Fußballspiel in der Arena angesetzt. Allerdings keine Bundesligapartie des FC Augsburg, sondern eine Regionalligabegegnung des FC Augsburg II. Diesmal nicht im alten Rosenaustadion gegen Pipinsried oder Seligenporten, sondern in der modernen Arena gegen den TSV 1860 München. Der Anpfiff verschob sich um eine Viertelstunde, weil noch tausende Zuschauer an den Eingängen warteten; die Zeit wurde mit dem FC-Augsburg-Lied überbrückt, das von den rund 10 000 Löwenfans beherzt ausgepfiffen wurde. Am Ende waren insgesamt 21 219 Menschen anwesend, bei freiem Eintritt für Bundesliga-Dauerkarteninhaber des FCA, was einen neuen Zuschauerrekord für die Regionalliga Bayern bedeutete. Die bisherige Bestmarke aus der Partie Jahn Regensburg - FC Bayern München II (15 224) war gefallen.

Die Augsburger Ultras hatten mit aggressiven Plakaten und Flugblättern für Aufregung gesorgt, im Gegenzug war die Anzeigetafel des Rosenaustadions mit "TSV"-Schriftzügen beschmiert worden. Fußball wurde auch noch gespielt, und das auf einem bemerkenswert hohen Niveau, das mit vierter Liga nicht viel zu tun hatte. Die jungen Spieler beider Mannschaften, insbesondere die Augsburger Talente, fühlten sich von der für sie ungewöhnlichen Kulisse offenkundig eher beflügelt als eingeschüchtert. Am Ende verpassten die Löwen mit einem 2:3 (0:1), ihrer zweiten Saisonniederlage, die vorzeitige Herbstmeisterschaft - mit nun neun Punkten Vorsprung auf den FC Ingolstadt II. Ein "Wahnsinnskompliment, mit welcher Ruhe sie hier von hinten raus gespielt haben", machte FCA-Trainer Dominik Reinhardt seiner Mannschaft: "Ich bin einfach stolz."

Die Augsburger hatten sich mit Profi-Innenverteidiger Jan-Ingwer Callsen-Bracker verstärkt, dafür fehlte ihr erkrankter Kapitän Markus Feulner, 35, den Reinhardt kaum vermisste: "Die Jungs machen das auch ohne den alten Sack gut." Die erste Chance der Partie hatte in der 13. Minute Benjamin Kindsvater, der für Nico Karger in die Mannschaft gerückt war; Karger hatte sich beim Aufwärmen an den Adduktoren verletzt. Kurz darauf scheiterte Nicholas Helmbrecht mit einem Volleyschuss an FCA-Torwart Fabian Giefer (14.). An jenem Torwart, gegen den 1860-Stürmer Sascha Mölders, damals noch in Diensten des FCA, in der Bundesliga sein berühmtes Tor mit dem Hintern erzielte (beim 3:2 in Düsseldorf 2013). Zehn Minuten später lenkte Giefer einen direkt aufs Tor gezogenen Eckball von Nicolas Andermatt über die Querlatte, ehe auch die Augsburger ihre erste Chance hatten: Marco Richter scheiterte an 1860-Torhüter Marco Hiller (25.).

Als die Partie nach 40 Minuten torlos geblieben war, reagierte 1860-Trainer Daniel Bierofka und brachte in Markus Ziereis einen zusätzlichen Stürmer für den verletzten György Hursan; umgehend fiel ein Tor, allerdings für die Augsburger. Efkan Bekiroglu traf auf Zuspiel von Richter zum 1:0 (42.). Kurz vor der Pause ahndete Schiedsrichter Markus Pflaum ein Handspiel des früheren 1860-Verteidigers Kilian Jakob im Strafraum nicht und verweigerte 1860 den fälligen Strafstoß. "Der hat die Hände oben, ich köpfe dagegen", sagte Ziereis, "für mich ein ganz klarer Elfmeter."

1860-Trainer Daniel Bierofka klagt über zündelnde "Idioten" im eigenen Block

Die zweite Hälfte begann mit einer Großchance für die Münchner - auf Zuspiel von Ziereis schob Mölders den Ball ungedeckt am rechten Pfosten vorbei (53.). Nach einer Stunde gab der Stadionsprecher die Rekord-Zuschauerzahl bekannt, und kurz darauf feierte die Hälfte des Publikums erneut: Artur Mergel scheiterte zunächst an Hiller, sein abgefälschter Nachschuss landete dann aber zum 2:0 für die Augsburger im Tor (61.). "Das ist unsere Zweite, ihr Bauern", riefen die Heimfans, die Sechziger sangen trotzig ihr Lied vom "Stolz von Giesing". Dann durften sie auch mal jubeln: Markus Ziereis verkürzte nach einer Flanke von Kindsvater (65.), aber die Freude währte nicht lange: Als im Löwenfanblock Pyrotechnik gezündet wurde, traf Bekiroglu zum 3:1 (66.), ehe die Partie unterbrochen wurde. "Da haben wir uns nicht gut verhalten, nach dem 1:2 muss man die Kontrolle behalten. Wir haben gesagt, wenn wir hier gewinnen, dann über die Defensivarbeit", klagte 1860-Trainer Daniel Bierofka, der auch wegen den Zündlern im Fanblock ("Idioten") angefressen war: "Wir müssen jeden Cent umdrehen, und das kostet wieder richtig Geld."

Sechzig drängte hernach auf den erneuten Anschluss, Helmbrecht traf zunächst den Außenposten (73.) und dann mit dem Mute der Verzweiflung per Gewaltschuss aus 25 Metern zum 2:3 (82.). Kurz vor Schluss parierte Giefer einen Freistoß von Daniel Wein, dann war die Überraschung perfekt. "Es ist noch ein extrem langer Weg bis zur Meisterschaft", sagte Ziereis, "dass wir da nicht durchmarschieren und immer gewinnen, haben wir gewusst. Jedes Spiel muss erst gespielt werden." Als nächstes das Derby gegen den FC Bayern II am Sonntag.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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