Regionalliga Bayern:Aschaffenburger Außenseiter

Luca Copado FCBII 9 celebrates his goal, happy, laugh, celebration, 0-1 in the friendly match SpVgg GREUTHER FUERTH - F

13,55 Millionen Euro: Was den Marktwert des Kaders laut transfermarkt.de angeht, liegt der FC Bayern München II in der Regionalliga mit seinen jungen Talenten weit vorne, die Konkurrenz folgt im Zwei-Millionen-Euro-Bereich.

(Foto: ActionPictures/imago)

Die Zahl der Titelaspiranten ist groß wie nie: Schweinfurt muss wieder bei Null anfangen, Bayreuth hat sich prominent verstärkt, Bayern II improvisiert - und Unterhaching sortiert sich.

Von Christian Bernhard, Stefan Galler, Christoph Leischwitz und Sebastian Leisgang

Die Trainer der Fußball-Regionalliga Bayern, die an diesem Donnerstag (18.30 Uhr) mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem TSV Aubstadt und der SpVgg Unterhaching ihren Spielbetrieb wieder aufnimmt, sind sich einig: Die Spielklasse sei so stark wie noch nie. Das liegt an den ungewohnt zahlreichen Kandidaten um die Meisterschaft und den dieses Mal direkten Aufstieg, und auch über diese herrscht Einvernehmen. Je 19 der 20 Übungsleiter trauen dem Titelverteidiger 1. FC Schweinfurt 05 sowie den beiden Absteigern aus der dritten Liga, dem FC Bayern München II und SpVgg Unterhaching, Titel und Aufstieg zu. Auch die SpVgg Oberfranken Bayreuth steht mit 16 Stimmen sehr hoch im Kurs. Als Außenseiter geht der SV Viktoria Aschaffenburg mit vier Stimmen ins Rennen..

FC Bayern München II

Am Campus des FC Bayern München höre er häufig das Wort "Stress", berichtet Martin Demichelis. "Für mich ist Fußball aber kein Stress", sagt der ehemalige Profi des Rekordmeisters, der in der Sommerpause nach dem Abstieg aus der dritten Liga, etwas überraschend zum alleinigen Cheftrainer der U23 ernannt wurde. Er lasse alles auf sich zukommen, sagt der 40-Jährige, und das muss er auch: Er kennt die Regionalliga noch gar nicht, und er hat keine Ahnung, mit welchen Spielern er am Samstag zum FC Augsburg II reisen wird. Julian Nagelsmann hat sich quasi alle potenziellen U-23-Stammspieler ausgeliehen, weil sein eigener Kader zum Großteil im EM-Urlaub weilt. De facto ist Demichelis gerade ein U19-Trainer, zumal ihm in Maximilian Welzmüller zum Auftakt auch noch einer der drei Routiniers fehlt. Auch der eingeplante Stammtorhüter Lukas Schneller hat sich verletzt.

Wenn man dann auch noch bedenkt, welche Spieler den Verein verlassen haben - Angelo Stiller, Lasse Günther, Nicolas Kühn oder auch der junge Verteidiger Justin Che vom Kooperationspartner Dallas FC, der aktuell in der Major League Soccer zum Einsatz kommt - fragt man sich, warum die jungen Bayern eigentlich als Favorit gehandelt werden. Die Antwort gibt Demichelis selbst: Er sei in seiner Karriere beim FC Bayern und bei Manchester City nie nur darum gegangen, Spiele zu gewinnen, sondern Meisterschaften. Und er habe keine Lust, tief zu stehen, sein Team soll dominieren. Also doch Ziel Wiederaufstieg? "Fragen Sie in sechs Wochen noch einmal nach." Bis dahin ist das gröbste Improvisieren vielleicht vorüber.

FC Schweinfurt 05

Die Tränen bei Spielern und Trainer waren noch nicht getrocknet, da rief der Sportliche Leiter des FC Schweinfurt, noch auf dem Rasen des TSV Havelse stehend, das Ziel für die kommenden Monate aus. "Wir wollen den Titel verteidigen. Ausrufezeichen", sagte Robert Hettich nach der verlorenen Aufstiegs-Relegation. Es wird ja schnell vergessen, dass die Schnüdel immerhin Regionalliga-Meister geworden sind. Sie sind schon deshalb ein Titelkandidat, weil sie erstens auf dem Weg dorthin Aschaffenburg und Bayreuth dominiert haben. Und zweitens, weil sie zum Saisonstart eingespielter sein dürften als die meisten Konkurrenten.

Die Frage in Schweinfurt ist lediglich: Wie groß ist die Bereitschaft, wieder bei Null anzufangen? Vier Wochen ist es nun her, dass das Team letztlich knapp an den Niedersachsen scheiterte. Via Havelse, das wäre der schnellste Weg in die dritte Liga gewesen. Nicht nur, weil man zum Auftakt der neuen Saison auch schon über 300 Kilometer zum TSV Buchbach reisen muss (und nach Schalding-Heining ist es annähernd genauso weit wie nach Havelse). Sondern auch, weil nun zwar kein steiniger, aber doch ein langer, asphaltierter Weg auf die Unterfranken wartet, mit Tausenden Kilometern über Bayerns Autobahnen und Landstraßen. Trainer Tobias Strobl und Hettich haben gegenüber mehreren Konkurrenten einen Vorteil: Sie kennen die Regionalliga sehr gut. Letzterer sagt: In den Partien gegen die vermeintlich Kleinen wird die Meisterschaft gewonnen. Die wichtigsten Spieler sind weiter dabei, der Kader wurde durch einige Talente aufgefrischt.

SpVgg Bayreuth

Der Dezember ist noch weit weg, und doch herrscht bei der SpVgg Bayreuth jetzt schon festliche Stimmung. Dass dieser Transfer geklappt habe, "ist ein bisschen wie Weihnachten", sagte SpVgg-Geschäftsführer Wolfgang Gruber kürzlich, als die Bayreuther Benedikt Kirsch verpflichteten. Der ehemalige Türkgücü-Spieler war nach Felix Weber, Ex-Kapitän des TSV 1860 München, und Daniel Steininger die dritte namhafte Spielerverpflichtung, die für gehörig Euphorie sorgte. Das Trio bringt nicht nur reichlich Erfahrung mit, sondern soll auch in puncto Mentalität neue Impulse setzen.

Die Regionalliga-Konkurrenz ist beeindruckt. "Sehr gut verstärkt" habe sich Bayreuth, sagte Ex-Bayern-Profi Martin Demichelis, der nun Bayern II trainiert. Deshalb habe er die SpVgg auf seinem Aufstiegs-Zettel. Eichstätts Trainer Markus Mattes bezeichnet die Bayreuther neben Bayern II als "Meisterschaftskandidaten", weil sich der Verein "immer professioneller aufgestellt" habe. Selbst in der Bundesliga wird über die SpVgg gesprochen. Zumindest bei Arminia Bielefeld, die am 7. August in der ersten DFB-Pokalrunde zu Gast in Bayreuth sind und deren Trainer Frank Kramer sagte: "Es hätte angenehmere Lose geben können."

Die SpVgg selbst formuliert ihr Saisonziel trotz des externen Lobes wieder konservativ. Nachdem die vergangene Saison, die mit dem Aus in den Playoffs um Platz eins der Liga geendet war, unter dem Motto "Alles kann, nichts muss" stand, sagt Trainer Timo Rost nun: "Wir wollen in einer ganz starken Liga ebenfalls wieder oben mitspielen." Geschäftsführer Gruber kann aber nicht verhehlen, dass die "Verantwortung, mehr zu erreichen", durchaus da sei.

Viktoria Aschaffenburg

Es braucht nicht allzu viel, um Jochen Seitz anzudichten, dass seine Mannschaft auch in der kommenden Saison zum Kreis der Favoriten zählt. Im Grunde genügt es ja schon, dem Aschaffenburger Trainer die Tabelle der vergangenen Saison unter die Nase zu halten. Gut, die Tabelle bildet zwar nicht die ganze Saison ab, weil diese am Ende ja doch noch abgebrochen wurde - aber siehe da: Die Viktoria steht ganz oben.

Klammheimlich hat Seitz, 44, in den vergangenen beiden Jahren eine Mannschaft komponiert, die besser war, als sie selbst wusste. Auf einmal gewannen die Aschaffenburger auch gegen die Guten und waren plötzlich selbst so gut, dass sie potentere Mitstreiter wie Schweinfurt und Bayreuth nicht nur ärgerten, sondern zur Weißglut trieben. Alles nur eine Laune der Natur? Nein, sagt Seitz: "Es kamen viele Faktoren zusammen. Wir waren topfit und hatten Selbstvertrauen. So sind wir in einen Lauf gekommen." Dieser Lauf führte sein Team an die Spitze, trotzdem sagt Seitz jetzt: "Das zu wiederholen, wird extrem schwierig. Es sogar zu fordern, wäre utopisch und würde der jungen Mannschaft nicht gerecht werden."

Mit Marcel Schelle ist ja ein wichtiger Akteur nach nur neun Spielen für die Viktoria wieder gegangen, und mit Simon Schmidt hat sich der Anführer schlechthin nach zwölf Jahren am Schönbusch verabschiedet. Zwei Verluste, die die Mannschaft unter Umständen nicht nur schlechter machen, als sie selbst denkt, sondern auch hierarchisch eine Lücke auftun. Diese sollen der ehemalige Lübecker Nicolas Hebisch und Max Grün schließen. Als Ersatztorwart in Wolfsburg, Darmstadt und Mönchengladbach hat Grün in den vergangenen acht Jahren zwar nur 22 Pflichtspiele bestritten, Seitz aber sagt: "Von Max können wir einiges erwarten." Vielleicht sogar so viel, dass die Viktoria auch dieses Jahr besser ist, als sie selbst glaubt.

SpVgg Unterhaching

Als der heutige Aschaffenburger Coach Seitz noch als Profi in Haching spielte, war die Spielvereinigung in der ersten Liga und das Medieninteresse riesig. Mittlerweile ist der Klub - zum zweiten Mal nach 2015 - in die Viertklassigkeit abgestürzt. Und dennoch tummelten sich zuletzt fast so viele Reporter im Sportpark wie vor 20 Jahren zu Bundesligazeiten. Das liegt am neuen Chefcoach Sandro Wagner, der als Fernsehexperte bei der Europameisterschaft positive Kritiken und viel Popularität einheimsen konnte und nun von Präsident Manfred Schwabl die Aufgabe anvertraut bekommt, den Klub zurück in die Drittklassigkeit zu führen.

Dass der Wiederaufstieg nicht gleich im ersten Jahr absolute Pflicht ist, war eine Grundvoraussetzung für Wagner, seinen ersten Trainerjob im Herrenbereich anzunehmen. Denn es dürfte kompliziert werden, eine weitgehend neue Mannschaft zu formen. In Präsidentensohn Markus Schwabl, Mittelfeldspieler Dominik Stahl, Verteidiger Josef Welzmüller und Stürmer Stephan Hain blieben nur vier Routiniers aus dem Drittligakader - die drei Letztgenannten hatten allerdings zuletzt mit schweren Verletzungen zu kämpfen. "Diese Achse ist unglaublich wichtig, wir brauchen diese Jungs", sagt Sandro Wagner.

Bei den anderen, die geblieben sind, handelt es sich ausschließlich um hoffnungsvolle Talente, der Großteil kommt direkt aus der eigenen Jugend. Was externe Zugänge angeht, so stehen bislang nur Torwart Alexander Weidinger (Jahn Regensburg), sowie die Angreifer José Pierre Vunguidica (1. FC Saarbrücken) und Patrick Hobsch (VfB Lübeck) fest, nach einem Verteidiger und einem Mittelfeldspieler wird noch gefahndet. Wagner bleibt bei der Frage nach den zahlreichen Aufstiegsfavoriten völlig gelassen: "Es ist mir vollkommen wurscht, ob ein starker Gegner mehr oder weniger in der Liga ist. Die anderen haben womöglich mehr Grund, sofort hochzugehen. Wir bleiben da ganz entspannt."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: