Fußball in der Regionalliga:Mehr Zuschauer als Einwohner

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Aufopfern ist Pflicht: Aubstadts Timo Pitter (li.) und Christian Köttler (re.) im Test gegen Würzburg.

(Foto: Heiko Becker/Imago)
  • Das bayerische Aubstadt ist seit dieser Saison die kleinste Gemeinde Deutschlands mit einem Regionalligisten.
  • Beim ersten Heimspiel waren gleich mehr Zuschauer da, als das Dorf Einwohner hat.
  • Als Macher gilt vielen in der Gemeinde der Trainer Josef Francic, der den Klub von der Landesliga in die Regionalliga geführt hat.

Von Christian Bernhard

Nur ein Zaun trennt das Maisfeld von Aubstadts neuestem Prunkstück: dem Fußballplatz. Wochenlang wurde daran gewerkelt, Wege gepflastert, Kabinen erneuert, eine digitale Anzeige installiert. Die Medienvertreter können nun auf Höhe der Mittellinie in einem Zelt mit Glasfaseranschluss Platz nehmen. Zahlreiche Freiwillige investierten viel Zeit, wodurch eine niedrige sechsstellige Summe reichte, um den Platz und das Drumherum für das größte Abenteuer in der Geschichte des TSV Aubstadt tauglich zu machen: die Regionalliga Bayern.

Der sportliche Start kann sich ebenfalls sehen lassen. Nach vier Spieltagen hat der TSV bereits sechs Punkte auf dem Konto, am vergangenen Wochenende gab es einen 4:1-Heimerfolg gegen Viktoria Aschaffenburg. Der Rückstand auf Rang drei beträgt nur einen Zähler. "Wir sind noch richtig beeindruckt, was da alles abläuft", sagt Trainer Josef Francic. "Man glaubt immer noch nicht, dass wir dabei sind."

Der TSV ist eine Besonderheit in der Regionalliga - nicht nur, weil er erstmals in seiner knapp hundertjährigen Geschichte in der vierthöchsten deutschen Fußball-Liga am Start ist. Es sind die Umstände, die ihn speziell machen. Das unterfränkische Dorf Aubstadt im Landreis Rhön-Grabfeld hat nur 709 Einwohner, was es zur kleinsten Gemeinde Deutschlands mit einem Fußball-Regionalligisten macht. Welche Rolle der TSV im Dorfalltag spielt, macht schon seine Mitgliederzahl deutlich: 475. Beim ersten Regionalliga-Heimspiel der Geschichte gegen den SV Heimstetten waren 720 Zuschauer da - mehr, als das Dorf Einwohner hat.

Dorf und Verein sind eng miteinander verbunden. Bürgermeister Burkhard Wachenbrönner, der einst in der Landesliga für den TSV spielte, hat ein Goldenes Buch für die Gemeinde in Auftrag gegeben. Der erste Eintrag sei "unseren Fußballern" vorbehalten, stellte er in der Main-Post klar. Als Platzwart fungiert der 79 Jahre alte Rentner Werner Gerner, er macht diesen Job bereits seit 1996. "Was in Aubstadt geleistet wird, verdient allen Respekt", sagt Rainer Koch, der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV).

Trainer Francic arbeitet seit acht Jahren in Aubstadt

Francic rechnet vor, dass pro Heimspiel an die 50 freiwillige Helfer im Einsatz sind - also fast ein Zehntel der Dorfbevölkerung. "Ich weiß, wie sie sich aufopfern", sagt er. "Das erwarten sie sich auch von der Mannschaft." Das umzusetzen, sei Pflicht. "Wir versuchen immer wieder den Spielern zu vermitteln, wie das Dorf tickt", erzählt er. Wie stolz die Bewohner auf "die Jungs" seien, die sie wie Aubstädter behandeln, auch wenn sie aus Schweinfurt oder Würzburg kommen. Das Feuer in der Mannschaft "muss ständig brennen", betont der Trainer.

Das ist an den ersten Spieltagen gelungen - nicht nur wegen der zwei Siege. Die gegnerischen Trainer waren von der körperlichen Präsenz des TSV beeindruckt, Heimstettens Trainer Christoph Schmitt sprach sogar davon, dass er vor dem Spiel den Eindruck gehabt habe, eine Männer- träfe auf eine Jugend-Mannschaft. Julius Benkenstein, Aubstadts erster Regionalliga-Torschütze der Geschichte, fand nach dem 1:2 zum Auftakt im Derby in Schweinfurt: "Wir rannten wie die Götter." Francic behandelt dieses Thema etwas zurückhaltend, er will erst nach zehn, zwölf Spielen ein Zwischenfazit über die körperliche Stärke seiner Mannschaft abgeben, da "im Moment viel Adrenalin drin" sei und "die Jungs wirklich über die Grenzen gehen".

Hinter der Entwicklung des TSV steht vor allem eines: Kontinuität. "Wir haben uns für langfristige Arbeit statt kurzfristigen Erfolg entschieden", sagt Francic, der das beste Beispiel für diesen Weg ist. Er ist seit acht Jahren Aubstadts Trainer, hat die Mannschaft von der Landesliga in die Regionalliga geführt. Obwohl der TSV laut Francic weniger professionell als so mancher Bayernligist aufgestellt sei, hat er sich Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Auch, weil ein Tiefbau-Unternehmen aus der Region seit Jahren als Hauptsponsor fungiert und dessen Geschäftsführer, der sich im Hintergrund halten möchte, früher - so wie der Bürgermeister - für den TSV gespielt hat. Francic schätzt es, dass die Entscheidungen im Verein "sehr schnell in kleinen Gremien" getroffen werden. Die Spieler werden langfristig an den Verein gebunden, jetzt schon haben 15 einen Vertrag für die nächste Saison. "Der Verein bietet ihnen eine sportliche Zukunft", sagt Francic. Er selbst genießt hohes Ansehen im Ort - auch unter den Lokalpolitikern. Landrat Thomas Habermann, der den TSV Aubstadt schon lange begleitet, bezeichnet Francic als "ruhigen, fachlich absolut kompetenten Mann" und als "Vater der Erfolges".

Francic zeigt sich demütig. "Seien wir ehrlich", sagt er, "alle rechnen damit, dass wir unter die letzten Vier kommen. Dagegen werden wir uns stemmen." Mit fußballerischem Engagement und einer gewissen Portion Selbstvertrauen: "Wir müssen vor niemandem Angst haben - und haben auch keine." Schweinfurts Präsident Markus Wolf findet jetzt schon, dass Aubstadt "auf jeden Fall" eine Bereicherung für die Regionalliga sei. Und Francic gibt den Weg vor: "Wir wollen keine Angsthasen sein und sehr engagierten Fußball spielen." Für sich selbst, den Verein - und das Dorf.

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