Red-Bull-Pilot Mark Webber:Ungeliebt im Dosenimperium

Red-Bull-Pilot Mark Webber: Red Bulls Mark Webber: kennt seinen Stand im Konzern

Red Bulls Mark Webber: kennt seinen Stand im Konzern 

(Foto: AFP)

Die Sympathien bei Red Bull sind klar verteilt: Während Sebastian Vettel für den Konzern den nächsten Titel holen soll, gilt Mark Webber als Auslaufmodell. Vor dem Start der Formel-1-Saison wird Webber ungewöhnlich hart kritisiert.

Von René Hofmann, Melbourne

Mark Webber mag die Frage nicht. Und das lässt er den Fragesteller auch gleich deutlich spüren. "Diese Frage", sagt der Australier, der sonst stets ausgesprochen höflich auftritt, im schneidenden Ton, "diese Frage habe ich in den letzten sechs Wochen schon oft beantwortet. Er hat seine Agenda. Und auf der stehe ich eben nicht. Aber das ist okay."

Die Agenda, um die es geht, ist keine unwesentliche für die Formel-1-Saison, die an diesem Sonntag um sieben Uhr deutscher Zeit mit dem Großen Preis von Australien beginnt. Immerhin geht es um die Pläne eines der einflussreichsten Männer in dem Team, das in den vergangenen drei Jahren den Weltmeister stellte: Dr. Helmut Marko, 69, Motorsport-Berater von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz.

Nach der vergangenen Saison hat der Österreicher in seltener Offenheit bekannt, was er von Sebastian Vettels Teamkollegen hält. O-Ton: Webber habe pro Saison zwei Rennen, in denen er unschlagbar sei. "Aber er kann diese Form nicht übers Jahr halten. Und sobald er in der WM aussichtsreich ist, tut er sich mit dem Druck, der dadurch entsteht, etwas schwerer." Wenn Vettels Formkurve ansteige, flache die von Webber regelmäßig ab. Er gerate bei technischen Defekten "in eine Spirale, die sich relativ leicht nach unten bewegt". Die Enttäuschung, dass Vettel ihm 2010 den Titel im letzten Rennen entriss, habe Webber lange mitgeschleppt. Dass Webber, just in dem Moment, in dem er nach einem langen Anlauf endlich in einem titeltauglichen Auto saß, von einem deutlich jüngeren Rivalen geschlagen wurde: "Psychologisch ist das natürlich nicht einfach, das kann schon an der Persönlichkeit nagen - mehr als verständlich", so Marko.

Dass seine onkelhafte Attitüde boshaft zugespitzt transportiert wurde, darauf konnte der promovierte Jurist sich nicht rausreden. Die Breitseiten erschienen im Red Bulletin, einer Hochglanz- Publikation, die ebenfalls aus dem großen Reich des mächtigen Mateschitz stammt und in der ansonsten die schillernden Taten des Getränkeherstellers in süßen Worten gefeiert werden. "Gas geben, bis der Doktor kommt", so lautete der Titel der Geschichte. Seit sie erschien, ist öffentlich, was vorher mühevoll kaschiert worden war: Die Sympathien für die beiden Fahrer, mit denen die Firma auch in diesem Jahr wieder den Titel holen will, sind sehr unterschiedlich verteilt.

Auf eigene Faust durchs Fahrerlager geboxt

Da half es auch wenig, dass Teamchef Christian Horner, ein Brite, sich bemühte, Webber zur Seite zu springen. "Wir hätten ihn nie verpflichtet, wenn wir mit ihm nicht glücklich wären", sagte Horner, "wir geben beiden Fahrern die gleichen Möglichkeiten. Es liegt an ihnen, was sie daraus auf der Strecke machen." Selbst der sonst meist zurückhaltende Firmenchef öffnete den Honigtopf: "Mark ist ein starker und charismatischer Charakter und ein außergewöhnlicher Rennfahrer", richtete Mateschitz über die Gazzetta dello Sport aus. Ob die Botschaft ankam? Webber selbst teilte auf seiner Homepage mit, er habe kein Problem damit, dass er in Markos Plänen keine Rolle spiele. Das sei doch schon seit Jahren so.

Derlei leidenschaftlich beharken sich in der Formel 1 öffentlich sonst nur Rivalen. Die Spannungen, mit denen die Titelverteidiger ins Jahr starten, sind ein Überbleibsel aus der vergangenen Saison. Beim Saisonfinale in São Paulo verhielt sich der im Titelkampf chancenlose Webber nicht gerade kollegial. Er drängte Vettel vor der ersten Kurve von der Ideallinie. In der Folge geriet der Deutsche an Williams-Fahrer Bruno Senna, der ihn umdrehte. Gegen die Fahrtrichtung gewendet, musste Vettel das Feld vorbeirauschen lassen und sich echte Sorgen um den dritten Titel machen. Am Ende ergatterte er diesen doch. Trotz Webber, nicht auch dank ihm, wie das bei einem Teamkameraden eigentlich sein sollte. Der Händel war nicht der erste zwischen den beiden.

2010 waren Vettel und Webber beim Rennen in der Türkei in Führung liegend kollidiert, weil es Unstimmigkeiten über die Vorfahrtsregelung gegeben hatte. Und nach seinem Sieg in Großbritannien hatte Webber sich in jenem Jahr heftig beschwert, weil er sich benachteiligt gefühlt hatte: Von seinem Auto war das einzige Exemplar eines neu entwickelten Front- flügels abgeschraubt worden, um ihn anschließend an Vettels Wagen zu montieren. Auch damals hatte Marko sich in beiden Fällen auf Vettels Seite geschlagen.

Sebastian Vettel ist ein Zögling des Grazers Marko, er kam dank der Red-Bull-Nachwuchsförderung nach oben, die Marko beaufsichtigte. Mark Webber dagegen ist ein Späteinsteiger ins Dosenimperium. Auf eigene Faust boxte er sich auf verschlungenen Wegen in die Formel 1 hoch. Dort arbeitete er sich von hinten durchs Fahrerlager: Minardi, Jaguar, Williams. Erst in einem Alter, in dem die meisten dem Ende ihrer Karriere nahekommen, schaffte er es in ein Auto, mit dem er um Siege fahren kann. Inzwischen ist er 36 und damit der älteste der 22 Starter.

Red Bull offeriert ihm länger schon nur noch Einjahresverträge. Dass er 2013 erneut in einem Auto mit rotem Bullen auf der Seite sitzt, hat er wohl auch Ferrari zu verdanken. Im vergangenen Sommer, als Felipe Massa durchhing, musste Red Bull fürchten, Webber und sein Knowhow an die direkte Konkurrenz zu verlieren. Vermutlich auch deshalb wurde sein Kontrakt ungewöhnlich früh verlängert. Marko wertete das damals noch als gutes Zeichen, "als Signal für 2013".

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