Süddeutsche Zeitung

Real unterliegt Paris 0:3:Zerlegt von der B-Formation

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Scheele

Es war natürlich Ángel Di María, der traf. Sogar doppelt. 2014 wurde der Argentinier bei Real Madrid offiziell als entbehrlich eingestuft, er musste den königlichen Hof verlassen - um Real nun am Mittwochabend die erste Demütigung dieser Champions-League-Spielzeit einzubringen. Nach seinem Führungstreffer in der 14. Minute formte Di María mit seinen Händen ein Herz. Als er nach 33. Minute auf 2:0 erhöhte, streckte er die Arme weit aus und ließ seine Zunge aus dem aufgerissenen Mund baumeln. Zurückhaltung, weil er gegen seinen Ex-Klub traf? Dafür sah Di María nicht den Hauch einer Veranlassung.

2014 hatte der Stürmer Real im Zustand tiefster Kränkung verlassen. Madrid wollte nach der Weltmeisterschaft unbedingt James Rodríguez verpflichten, was noch während der WM das Aus für Di María bedeutete. Auf Geheiß von Real sollte er sogar auf das Endspiel gegen Deutschland verzichten, um sich nicht noch zu verletzen, was den Verkaufspreis gedrückt hätte. So hat es Di María einmal selbst berichtet. Er verließ Madrid, ging erst zu Manchester United, ehe er bei Paris Saint-Germain landete.

An diesem Abend war Di María bei PSG gar nicht als Hauptdarsteller vorgesehen. Für diese Rolle sind normalerweise andere eingeplant, es hätte sich vermutlich niemand nach Di María erkundigt, wäre bei PSG nicht das Offensivtrio aus Kylian Mbappé, Edison Cavani und Neymar ausgefallen. Alle drei waren entweder verletzt (wie auch die deutschen Nationalspieler Thilo Kehrer und Julian Draxler) oder gesperrt, "vielleicht hat die Abwesenheit von Cavani, Neymar und Mbappé dem Team geholfen", sagte ihr deutscher Trainer Tuchel: "Vielleicht war der Druck dann etwas geringer, weil sich jeder gefragt hat, wie wir nur ohne diese drei Spieler gewinnen können."

"Sie waren uns überlegen im Spiel, im Mittelfeld, in allem"

Tuchel konnte etwas variabler aufstellen als sonst, auf dem Rasen blühten Spieler auf, oben auf der Tribüne jubelten Neymar und Mbappé im Freizeitdress mit. Erledigt von der Pariser B-Formation, das machte die Angelegenheit noch blamabler für Real. Trainer Zinédine Zidane verbrachte die Nacht nach dem 0:3 (0:2) in einem Gemütszustand zwischen Ärger und Fassungslosigkeit. "Sie waren deutlich besser", moserte der Trainer auf der Pressekonferenz, "sie waren uns überlegen im Spiel, im Mittelfeld, in allem."

Der Trainer hat nun die Gewissheit, dass sein für rund 300 Millionen Euro üppig verstärkter Kader vor einer sehr schweren Spielzeit steht. In der Liga hat Real bislang so viele Unentschieden wie Siege gesammelt, nun die derbe Pleite zum Auftakt der Königsklasse. Zidane war sauer: "Zu diesem Zeitpunkt der Saison darf uns das nicht mehr passieren." Die normalerweise Real-freundliche Marca urteilte scharf: "So kann man in Europa nicht herumlaufen."

Ähnlich fiel die Einschätzung von Toni Kroos aus. Seine Mannschaft habe "schlecht angefangen und eigentlich auch schlecht aufgehört", klagte Kroos. Das erste Tor kassierte Real nach einem recht einfachen Manöver über links, als Juan Bernat unbedrängt flanken und Di María unbedrängt einschießen durfte. Bei seinem zweiten Treffer wurde der Argentinier dann auf Höhe des Sechzehners fatal vernachlässigt. "Es ist perfekt gelaufen", jubilierte Di María nach seinen ersten beiden Treffern gegen seinen Ex-Verein. Das dritte Tor besorgten kurioserweise die konternden Außenverteidiger Thomas Meunier und Bernat.

Das machte den Ärger bei Real perfekt. Insbesondere Gareth Bale hatte Grund zum Frust. Ihm wurden gleich zwei vermeintliche Treffer aberkannt, erst sprang ihm der Ball unmittelbar vor seinem Abschluss an die Hand (wie der Videoschiedsrichter bemerkte), dann stand er knapp abseits. Um sein Glück perfekt zu machen, setzte Bale auch noch einen direkten Freistoß auf die Latte. "Es war ein schlechter Tag", analysierte sein Kollege James, der aber Hoffnung hat, dass Real aus dieser Niederlage lernen kann. "Ich glaube nicht, dass das noch mal passiert", kündigte der Kolumbianer an. "Wenn doch, dann sind wir dumm."

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