Süddeutsche Zeitung

Real Madrid:Warum wechselte Zidane Toni Kroos so früh aus?

Als erster Deutscher gewinnt Toni Kroos mit zwei Teams die Champions League - doch er erlebt den Moment des Triumphs abseits des Platzes, wie damals mit den Bayern.

Von René Hofmann

Toni Kroos kennt das: In den entscheidenden Minuten eines Champions-League-Finales nur in der Zuschauerrolle zu sein. 2012, als sein damaliger Verein, der FC Bayern, im "Finale dahoam" gegen den FC Chelsea ins Elfmeterschießen zog, da wollte Kroos nicht ran; im Halbfinale gegen Real Madrid hatte er verschossen. So sah er zu, wie seine Kollegen die große Chance verspielten. Im Jahr darauf gewann das Team den Titel, aber Kroos blieb wieder nur eine Nebenrolle: Ab dem Halbfinale war er verletzt. Und nun das: Beim ersten großen Titel mit Real Madrid durfte Toni Kroos zwar lange dabei sein, aber eben nicht bis zum Schluss.

Als seinen Kameraden im Verlauf der Partie gegen Atlético Madrid die Beine schwer wurden, als sie sich trotzdem wacker weiterschleppten, durch die Verlängerung und ins Elfmeterschießen, da saß Toni Kroos draußen auf einem der bequemen Ledersessel, auf denen im Giuseppe-Meazza-Stadion diejenigen Platz nehmen dürfen, die noch nicht ein- oder schon ausgewechselt sind. In seinem Gesicht ließ sich in diesen Minuten wenig lesen.

Hatte er Schmerzen und war deshalb vom Platz gegangen? War er sauer über die Entscheidung von Trainer Zinédine Zidane? Oder einfach nur angespannt? Vieles blieb im ersten Moment unklar - und was Kroos nach dem Abpfiff äußerte, ließ zumindest Raum für Spekulationen. Ob er verletzt gewesen sei? Antwort Kroos: "Nee, mir ging es gut. Und das Spiel lief auch wirklich gut. Vielleicht wollte er aber einfach einen frischen Mann bringen."

Zidane wollte das 1:0 über die Zeit retten

Kroos hatte in der Startelf gestanden, doch nach gut 70 Minuten hatte ihn Trainer Zidane vom Platz befohlen, jener Zinédine Zidane, der als Spieler oft so virtuos auf dem Grün gezaubert hatte wie ein großer Musiker im Konzertsaal. Zidane wollte sein Orchester in den letzten 20 Minuten wohl nicht mehr groß aufgeigen lassen, er wollte das 1:0 über die Zeit retten, den Rhythmus des Gegners stören, deshalb brachte er Isco.

Das Manöver wäre beinahe schiefgegangen. Yannick Ferreira-Carrascos Ausgleich (79.) öffnete das Tor zur Verlängerung. Trotz seiner Erfahrung mit solchen Situationen - die entscheidenden Minuten am Spielfeldrand zu erleben, sei "immer schwieriger als auf dem Platz", verriet Kroos, er sei dann stets "ein bisschen hibbeliger".

Der Plan sei gewesen, "dass wir das über die reguläre Zeit rumkriegen", so Kroos, "darum haben wir schon dreimal gewechselt." Die frühen Umstellungen (52. Danilo für den angeschlagenen Carvajal, 77. Vazquez für Benzema) waren ein deutlicher Nachteil, als es in die Verlängerung ging. "Das hat viel Kraft gekostet, aber am Ende ist alles gut": Die Erleichterung über das 5:3 im Elfmeterschießen war Kroos deutlich anzuhören.

Als erster Deutscher hat er nun mit zwei Klubs die Champions League gewonnen. Bei der Nationalmannschaft, wo er in wenigen Tagen erwartet wird, freuen sie sich nun auf einen, der mit positiven Gefühlen kommt, ohne dafür das Äußerste gegeben zu haben. "Unbeschreiblich" sei ein solcher Triumph, versicherte Kroos, wirklich "unbeschreiblich". Die überwältigende Freude war ihm nicht anzusehen, aber der 26-Jährige beteuerte: "Die, die mich wirklich kennen, wissen schon, dass ich emotional sein kann." Ein echter Showman wird aus dem Rostocker vermutlich nie.

Ob das ein Nachteil sein muss? Bei Real ist diese Rolle ja ohnehin schon vergeben. An Cristiano Ronaldo. Der Portugiese feierte am Samstag seinen dritten Champions-League-Titel. Und natürlich feierte er ihn in dem ihm stets eigenen Stil. Ronaldo spielte 120 Minuten, obwohl ihm deutlich anzumerken war, dass ihm nach einigen Verletzungen dafür eigentlich die Kraft fehlte.

Nur Ronaldo spielt, so lange er will

Zwei Minuten vor Ende der regulären Spielzeit versuchte er, den Ball aus aussichtsreicher Position mit der Hacke im Tor unterzubringen. Und obwohl ihm das nicht glückte und obwohl er am Ende kaum mehr sprinten konnte, trat er doch voller Selbstbewusstsein zum fünften Elfmeter für Real an, dem ersten, der die Entscheidung bringen konnte.

Ronaldo spielt, wie er will und so lange er will - wer mag, kann diese Botschaft aus diesem Abend lesen. Es ist eine Botschaft, die im Kontrast zu der steht, die Toni Kroos aussendete. Vielleicht ist das Zufall. Vielleicht aber auch nicht. Cristiano Ronaldo verwandelte seinen Elfmeter auf jeden Fall sicher, fest ins rechte Eck. Anschließend riss er sich schreiend sein weißes Trikot vom Leib, sank zu Boden und erklärte: "Ich wusste, dass ich das Tor machen würde. Da war ich mir ganz sicher."

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SZ vom 29.05.2016/ebc
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