Real Madrid vor dem Clásico:Die Madridistas sind verstört

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Seit Monaten zwickt die Patella-Sehne: Cristiano Ronaldo hat massive Knieprobleme. (Foto: AP)
  • Ronaldo angeschlagen, Bale in der Kritik: Vor dem Clásico in Spanien herrscht irrwitzig schlechte Stimmung bei Real Madrid.
  • Gegen den FC Barcelona ist das Team von Trainer Ancelotti nur Außenseiter.

Von Javier Cáceres

Manchmal würde man doch gerne Antworten auf hochspekulative Fragen haben. Zum Beispiel: Ob nicht vielleicht der Blutdruck von Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti ins Bodenlose sackte, als er Mittwochabend die formidable Vorstellung von Lionel Messi bei Barcelonas Champions-League-Sieg (1:0) gegen Manchester City sah?

Oder ob Real Madrids Präsident Florentino Pérez sich nach den (regulär nicht vorhandenen) Möglichkeiten erkundigte, kurzfristig den gleichfalls formidablen Torwart der Citizens, Joe Hart, zu verpflichten, der gegen Messi und Kollegen in Barcelonas Nou Camp ein Debakel verhindert hatte?

Mittlerweile liegt Real einen Punkt zurück

Ebendort, in Barças berühmtem Stadion, muss Spaniens Rekordmeister Real Madrid an diesem Sonntag (21 Uhr) antreten, zum 170. Clásico der spanischen Liga. Das ist per se schon ein Grund zur Angst, erst recht aber, wenn Barcelona auch noch in Hochform ist. Einer wie Hart käme da gerade recht, zumal die Debatten um den Real-Torwart Iker Casillas nicht abreißen.

"Es wäre anmaßend, wenn wir uns als Favoriten sehen würden", sagte Barcelonas Trainer Luis Enrique. Doch auch er weiß, dass die meisten der 20 Millionen Euro, die in Spanien nur durch den Clásico auf dem Online-Wettmarkt umgesetzt werden, auf seinen FC Barcelona gesetzt werden. Für einen Barcelona-Sieg gibt es pro Euro 1,70 Euro; für einen Madrid-Triumph hingegen 4,30 Euro.

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Noch zum Jahreswechsel hätte man derartige Verhältnisse für unmöglich gehalten. Mit national unübertroffenen 22 Siegen in Serie hatte Real das Kalenderjahr 2014 abgeschlossen. Überdies wurde die Klub-WM gewonnen und damit an den Champions-League-Finalsieg gegen den Stadtrivalen Atlético Madrid erinnert. Als es dann aber zu ersten Madrider Ausrutschern kam, war Barcelona dämlich genug, ebenfalls zu stolpern.

Mittlerweile liegt Real Madrid nach 27 Spieltagen jedoch einen Punkt hinter Tabellenführer Barcelona. Denn Real hat in diesem Jahr bereits drei Ligaspiele verloren (in Valencia, bei Atlético Madrid und jüngst bei Athletic Bilbao), eins endete unentschieden (gegen Villarreal), zudem unterlag die Mannschaft gegen Schalke 04 im Achtelfinale der Champions League (3:4) und bewegte sich trotz des 2:0-Hinspielsiegs am Rande des Ausscheidens. Das Ergebnis: Eine derzeit irrwitzig schlechte Stimmung.

Es sind ja nicht nur die Ergebnisse, es ist vor allem der verloren gegangene Spielfluss, der die Madridistas verstört. Zuletzt stellten führende Kolumnisten der spanischen Fachpresse sogar Madrids Trainer Ancelotti infrage. Er gilt ihnen als zu zurückhaltend und ruhig - was insofern kurios ist, als er noch vor wenigen Monaten dafür gefeiert wurde, dass er zurückhaltend ist und ruhig.

Klubpräsident Pérez trommelte in der Vorwoche sogar die Medien zu einer außerplanmäßigen Pressekonferenz zusammen. Vordergründig ging es darum, vor den Augen der Öffentlichkeit den Trainer zu verteidigen: "Ich erkläre mit Bestimmtheit, dass wir volles Vertrauen in Ancelotti haben. Egal, was passiert, er wird bleiben", sagte der Präsident.

Ein neuer Cristiano Ronaldo wird schon gesucht

Doch dann druckste er seltsam herum, als er gefragt wurde, ob das auch für die kommende Saison gelte. Und ließ ein paar Bemerkungen fallen, die man auch als eine verkappte Drohung an Ancelotti auffassen konnte. Denn die eigentliche Kernbotschaft des Präsidenten war, dass man keinesfalls vergessen dürfe, dass der walisische 100-Millionen-Einkauf Gareth Bale "in den beiden Finals der vergangenen Saison entscheidende Tore erzielt hat". Und er sich über die "konstanten Angriffe auf Bale" ärgere. Bemerkenswert daran war, dass Ancelotti sehr deutlich hatte durchblicken lassen, dass er Florentinos neuen Liebling auf die Bank setzen wolle.

Dem lag eine gewisse Logik zugrunde. In der laufenden Saison hatte Real Madrid stets dann die besten Partien geliefert, wenn die Mannschaft im 4-4-2-System und nicht (mit den Angreifern Bale, Benzema, Cristiano Ronaldo) im 4-3-3- System agierte. Mit dem Sturmtrio hat Real Madrid 75 Prozent seiner Spiele gewonnen und durchschnittlich 2,6 Treffer geschossen. In den Spielen mit nur zwei Spitzen gewann Real 86 Prozent und schoss durchschnittlich 3,6 Treffer.

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Das liegt auch daran, dass Bale augenscheinlich die Bindung zum Publikum und zu seinen Mitspielern fehlt. Sie halten ihn für selbstverliebt, was sich auf dem Platz vor allem dadurch äußert, dass er Probleme hat, Mitspielern in aussichtsreicher Position den Ball hinüberzuschieben. Dafür schenkt er den Säuseleien von Pérez Glauben, der ihm versichert, er sei der Cristiano der Zukunft. Ein Problem freilich ist, dass Real Madrid sehr dringend einen neuen Cristiano benötigt. Denn der Cristiano der Gegenwart hat massive Knieprobleme, schon seit Monaten zwickt seine Patella-Sehne.

Und dennoch: Beim FC Barcelona gibt man nicht sonderlich viel auf die Krisensymptome beim Erzrivalen. Real sei weiterhin "respekteinflößend", sagte Lionel Messi. Der Alarmismus aus Madrid sei vielmehr als Warnung zu verstehen: "Real ist in solchen Situationen noch gefährlicher", sagte der Argentinier. Er allein aber hat 2015 schon 17 Tore erzielt. Zwei mehr als Benzema, Bale und Ronaldo zusammen.

© SZ vom 21.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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