Real Madrid und die Trainer:Der Hitzkopf hat genug

Nach vier deprimierenden Spielen tritt José Antonio Camacho als Trainer von Real Madrid zurück.

Von Peter Burghardt

Madrid - Er ertrug es nicht, jeder sah das. José Antonio Camacho ist keiner dieser hübsch gescheitelten Schauspieler, die ihre Wut hinter einer Maske verbergen.

José Antonio Camacho

"Ich kann das nicht mehr ändern" - José Antonio Camacho tritt als Trainer von Real Madrid zurück.

(Foto: Foto: dpa)

Mit zerfurchtem Gesicht saß der nun wieder ehemalige Trainer von Real Madrid auf der Bank, als die teuerste Elf der Welt vergangene Woche in der Champions League 0:3 bei Bayer Leverkusen unterging.

Oder hüpfte wie Rumpelstilzchen an der Linie entlang. Camacho schrie, schwitzte, fast hätte er geheult, und nachher erschien er zerknittert zum Kreuzverhör, wo er sich selbst anklagte.

"Ich bin schuld"

Mea culpa. "Ich bin schuld." Dass die berühmten Multimillionäre nicht laufen. Für das Meisterschaftsspiel am Samstag gab er sich und dem Team eine letzte Chance, doch das Debakel wiederholte sich.

0:1 bei Espanyol Barcelona nach einer erneut schaurigen Vorstellung. Danach hatte der Hitzkopf genug. Am Sonntag ging das Gerücht, Camacho gebe auf. Am Montag trat er zurück.

Niemand konnte ihn umstimmen, Präsident Florentino Pérez brauchte es gar nicht mehr zu versuchen. Am frühen Nachmittag rief er stattdessen zur finalen Pressekonferenz ins Bernabéu-Stadion, rechts Camacho, links den vormaligen Assistenten Mariano García Remón, der bis auf weiteres der Nachfolger wird.

"Die Leistung dieser Mannschaft ist nicht angemessen", erläuterte Camacho, 49, dem Anlass gemäß im schwarzen Anzug, "ich kann das nicht mehr ändern."

Zum dritten Mal ein Amt niedergelegt

So legte er zum dritten Mal ein Amt nieder und stellte dabei mindestens einen Vereinsrekord auf. Unter Pérez' Vorgänger Lorenzo Sanz war er 1998 nach 22 Tagen geflüchtet, weil er "kein Vertrauen in mein Projekt" erkannte.

Als Nationaltrainer verabschiedete er sich nach der Weltmeisterschaft 2002, weil er sich von Fußballverband und Medien veralbert vorkam. Jetzt nimmt er nach vier Pflichtspielen reißaus, weil ihm zwei lächerliche Niederlagen und zwei enttäuschende Siege genügen.

Dahinter steckt ein Charakter zwischen grenzenloser Ehrlichkeit und einem Hang zu emotionalen Kurzschlüssen. Choleriker Camacho sollte das verwöhnte Ensemble aufwecken, nachdem es in der vergangenen Saison der weltmännische Portugiese Carlos Queiroz in den Schlaf gewogen hatte; am Ende verlor Real fünfmal hintereinander.

Camacho wollte Profis, die sich im weißen Trikot die Seele aus dem Leib rennen wie er einst als Verteidiger auf der linken Außenbahn, die Stutzen runtergekrempelt.

Zuhause im Wolkenkuckucksheim

Jungs, ihr spielt für Real Madrid! Stattdessen traf er auf eine Mischung aus überforderten Nachwuchskickern und so genannten "Galaktischen", die im Wolkenkuckucksheim zuhause sind.

Zwar haben Zinedine Zidane und Luis Figo ihre Nationalteams verlassen, um sich ganz auf Real Madrid zu konzentrieren, doch die beiden gehören ohnehin zu den zuverlässigeren Superstars.

Der Rest? Aus Argentinien ließ der drogenkranke Diego Maradona ausrichten, dieses Real Madrid sei "eine Bande von Hunden".

Camachos Schuld? "Unsere Schuld", findet Roberto Carlos. Jedenfalls kam die Botschaft vom Patriotismus auf dem Rasen bei der Söldnertruppe nicht an.

Überhaupt ist dieser Zirkus nicht Camachos Welt. Werbetourneen durch Asien. Multimediatrainingszentrum. Er kam sich in dem ganzen System Pérez deplatziert vor.

Dazu setzte ihm der Patron statt eines defensiven Mittelfeldstrategen nach Art von Patrick Vieira (oder dem unnötig verkauften Claude Makelele) den Stürmer Michael Owen vor die Nase.

Auch Owen versagte in Barcelona, wo Camacho außerdem die Reservisten Juanfran, Albert Celades und Fernando Morientes mitmachen und neben dem verletzten Zidane noch Figo, Ronaldo, David Beckham und Kapitän Raúl González zuschauen ließ.

Dafür sicherten sich gleich drei Mann eine Sperre: Walter Samuel wegen zweier Fouls, Míchel Salgado wegen Ellbogenschecks und nachträglich der besonders ungezogene Guti wegen Schiedsrichterbeleidigung.

Aufräumen soll nun also ein gewisser Mariano García Remón, bald 54 Jahre alt, der früher Torwart war und vor der Rückkehr nach Madrid mehrere mittelmäßige Klubs betreut hat.

Von ihm wünscht sich Pérez jenen Effekt, den nach dem Rauswurf von John Toshack 1998 die Berufung von Vicente del Bosque hatte, bis 2003 auch der entlassen wurde.

Auf den ersten Blick ist der Neue ein ähnlich stiller Geselle. Gleichzeitig wird natürlich nach einem prominenten Ersatz gefahndet, die Rede ist von Englands Nationalcoach Sven-Göran Eriksson, dem Argentinier Carlos Bianchi und sogar Ottmar Hitzfeld.

"Eine Botschaft des Vertrauens und der Ruhe" gab Pérez "der ganzen Madrider Familie" und dozierte, "das Wichtigste ist die Institution." Im übrigen bleibe Camacho dem Verein in anderer Funktion erhalten.

García Remón klang weniger optimistisch. "Ein trauriger Tag", verkündete er zum Einstand, sein Debüt gibt er am Dienstag gegen Osasuna, ohne Zidane, Salgado, Samuel und Guti. Es sieht so aus, als schwane ihm Böses.

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