Real Madrid:"Jeder hätte an deiner Stelle das Gleiche getan"

Real Madrid v Club Atletico de Madrid - Supercopa de Espana Final

Sensenmann: Federico Valverde (links) geht auf Nummer sicher, dass Álvaro Morata den Alleingang in der 115. Minute nicht fortsetzen kann. Der Übeltäter von Real Madrid nahm die rote Karte gern in Kauf - sein Team gewann.

(Foto: Francois Nel/Getty Images)
  • Real Madrid gewinnt den spanischen Supercup gegen Atlético, weil Valverde im richtigen Moment eine Notbremse setzt.
  • Er bekommt hinterher fast nur Anerkennung für seinen Akt der Unfairness.
  • Sogar Trainer Zidane sagt: "In dem Moment musste er es tun, und er hat gut daran getan."

Von Javier Cáceres

Die Charrúas, die zu den indigenen Völkern Südamerikas zählten und vor allem auf dem heutigen Gebiet Uruguays lebten, sind, soweit bekannt, mit den nordamerikanischen Sioux nicht verwandt oder verschwägert. Und doch: Wenn es einen Fußballstamm gibt, der die Worte des legendären Sioux-Häuptlings Sitting Bull verinnerlicht, dann die Uruguayer, deren Fußballauswahl im Volksmund die selección charrúa genannt wird.

Ein Krieger sei in den Augen der Sioux nicht ein Kämpfer, sondern "einer, der sich selbst für das Wohl der anderen opfert", soll Sitting Bull einmal gesagt haben - und wer denkt da nicht an jenes legendäre Handspiel von Luis Suárez bei der Fußball-WM 2010, dessentwegen er im Viertelfinale gegen Ghana zwar die rote Karte sah, mit dem er aber sein Team rettete: Den fälligen Strafstoß setzte Asamoah Gyan an die Querlatte, im Elfmeterschießen setzte sich Uruguay durch.

Am Sonntag trat ein Uruguayer in die Fußstapfen von Suárez und den Sioux. Denn beim spanischen Supercupfinale gegen Atlético Madrid opferte dieser sich, einem Märtyrer gleich, für die Causa seines Teams Real Madrid auf. Er rettete Spaniens Rekordmeister ins Elfmeterschießen - und schaute dann dabei zu, wie seine Kollegen sich vom Kreidepunkt deutlich mit 4:1 durchsetzten.

Valverde wird sogar als MVP des Finales ausgezeichnet

Es lief die 115. Minute, als sich Atléticos Angreifer Álvaro Morata beim Stand von 0:0 auf einer sehr, sehr einsamen Reise in Richtung des Tores von Real Madrid befand. Federico Valverde, der zuvor als defensiver Mittelfeldmann ein sehr gutes Spiel geliefert hatte, rannte hinter Morata her, rechnete seine Chancen hoch und kam zu einem nachvollziehbaren Ergebnis. Es lautete: Den hole ich nicht mehr ein. Schon gar nicht rechtzeitig.

Die Konsequenz, die Valverde aus der Lageeinschätzung zog, war ein Tritt in die Beine Moratas, der in hinreichender Weise an das bestialische Foul 1983 von Antoni Goikoetxea an Diego Maradona erinnerte, um hernach von Glück zu reden, dass Morata nicht auf dem Operationstisch eines Spitals in Dschidda landete, Spaniens Verband hat ja für 40 Millionen Euro jährlich das Supercupfinale nach Saudi-Arabien verlegt. Gemessen an der dortigen Rechtsprechung (knapp 200 Hinrichtungen in 2019) war Valverde noch gut bedient, als der Schiedsrichter Rot zog.

Doch das war so ziemlich die einzige Reaktion, die sich im Rahmen des Erwartbaren bewegte. Zusammen natürlich mit der herzzerreißend begeisterten Botschaft seiner Lebensgefährtin Mina: "Herz und Eier pur!", schrieb sie in einem sozialen Netzwerk.

Valverdes Foul sei "vulgär" gewesen, sagt Zidane

Ansonsten gab es: im Grunde nur Anerkennung für einen Akt der Unfairness. Von Diego Simeone erhielt Valverde, als er den Rasen geknickt verließ, einen zweifellos aufmunternd, vielleicht auch anerkennend gemeinten Klaps auf den Hinterkopf - wozu man wissen muss, dass Simeone bei Atlético Madrid Trainer ist, unter anderem von Morata. "Es war die entscheidende Szene des Finales, er hat es gewonnen", sagte Simeone, der auch verriet, was er Valverde gesagt habe: "Sorge dich nicht, jeder hätte an deiner Stelle das Gleiche getan."

Real Madrids Kapitän Sergio Ramos wiederum herzte Valverde und brüllte ihm "¡de puta madre!" ins Ohr, ein "ganz ausgezeichnet!", nur halt in der unmissverständlichen Diktion des Rasens. DFB-Mittelfeldspieler Toni Kroos, der seinen 13. Titel mit Real Madrid holte, wollte zwar ausdrücklich nicht dem Foulspiel das Wort reden, zollte dem Kollegen Valverde aber Anerkennung dafür, seine Mannschaft möglicherweise vor einem Rückstand bewahrt zu haben. Trainer Zinédine Zidane, der nun schon neun von neun Endspielen als Real-Madrid-Coach gewonnen hat, wertete das ähnlich. Valverdes Foul sei "vulgär" gewesen, "aber in dem Moment musste er es tun, und er hat gut daran getan".

Und Valverde? Wurde trotz - oder wegen? - seiner schlachterinnungsverdächtigen Aktion als MVP des Finales ausgezeichnet. Sprich: als bester Spieler der Partie. Das brachte ihm, den sie daheim pajarito nennen, das Vögelchen, einen bemerkenswerten Auftritt vor den Medien ein. Dass er froh sei über den Titel, musste Valverde fast schon betonen. "Was ich getan habe, schmerzt wie ein Dorn, denn es war nicht in Ordnung", sagte er. Er bitte Morata um Pardon, denn "so ein Foul sollte man an einem Kollegen nicht begehen", erklärte Valverde - und war damit der Einzige, der entfernt daran erinnerte, das Sport mal im Geiste der Fairness betrieben wurde. Und somit war Valverde auch so etwas wie der einsame Rufer in der arabischen Wüste.

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