Real Madrid:Neue Ekstase nach schweren Stunden

Real Madrid v Bayern Muenchen - UEFA Champions League Semi Final Second Leg

Keylor Navas und Sergio Ramos (o.): Prägende Spieler gegen den FC Bayern

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Real Madrid und die Fans feiern den Einzug ins Champions-League-Finale mit einer Verve, die man im Bernabéu noch nicht gesehen hat.
  • Stürmer Karim Benzema und Torwart Keylor Navas sind neben Innenverteidiger Sergio Ramos die entscheidenden Figuren eines faszinierenden Duells.
  • Benzema steht seit Monaten in der Kritik. Und Navas muss damit leben, dass der Klub ständig mit anderen Keepern flirtet.

Von Javier Cáceres, Madrid

Zu Beginn der 90er-Jahre wurde der Werbespot eines japanischen Autobauers in Spanien zum Running Gag. Das Auto, das angepriesen wurde, käme auch an Orte wie Majaelrayo, die so entlegen sind, dass an den Bewohnern die Entwicklungen der vorangegangenen Jahrzehnte vorbeigegangen sind, zum Beispiel: der Tod des Diktators Francisco Franco im Jahre 1975. "Ach, Franco ist tot, sagen Sie?", fragte der Protagonist des Spots, ein alter Mann mit Baskenmütze, der als "Opa von Majaelrayo" aber vor allem deshalb zur Legende wurde, weil er in dem Clip eine weitere Frage stellte: "Und? Ist Real Madrid wieder Europapokalsieger ...?" Amüsant war das damals, weil Reals letzter Königsklassentriumph aus der Zeit stammte, als es nur Schwarz-Weiß-Bilder gab: 1966.

Nun droht die damals spöttisch-ironisch gemeinte Frage einen ernsthaften Charakter zu bekommen. Real Madrid hat zum vierten Mal in fünf Jahren - und zum 16. Mal überhaupt - das Königsklassen-Finale erreicht. Und blickt nach dem Einzug ins Endspiel von Kiew (26. Mai) dem dritten Sieg in Serie entgegen.

Niemand hatte ihnen versprochen, dass es im Halbfinale gegen den FC Bayern leicht werden würde. Doch als der türkische Schiedsrichter Cüneyt Cakir am Dienstagabend im Estadio Santiago Bernabéu die Partie abgepfiffen hatte und Real durch ein 2:2 (Hinspiel 2:1 für Real) "die deutsche Belagerung" überstanden hatte, wie die rechtskonservative Tageszeitung ABC am Mittwoch titelte, war mehr als nur Erleichterung zu spüren. Es war: elektrisierende Ekstase.

Zidane ist zum dritten Mal in Serie im Champions-League-Finale

Dass die Fans so lange auf ihren Plätzen ausharrten, die Spieler sich an der Hand nahmen und auf die Südgerade des Stadions zuliefen, wo zur Melodie des kubanischen Gassenhauers "Guantanamera" gesungen wurde ("Reyes de Europa, somos los Reyes de Europa ...", "Wir sind die Könige von Europa"), hatte man in dieser Verve im Bernabéu noch nicht gesehen. Es entsprach dem Charakter einer Partie, die man so rasch nicht vergessen dürfte.

"Es war ein verrücktes, frenetisches Spiel, eines dieser Sorte, die den Menschen gefällt", resümierte Trainer Zinédine Zidane, den man bei einer nur dreijährigen Amtszeit irgendwie immer noch als Trainernovizen katalogisieren kann, und der doch in seiner Amtszeit Unglaubliches vollbracht hat. Er ist der erste Coach seit Marcelo Lippi, der drei Champions-League-Finals in Serie erreicht; der italienische Weltmeistercoach von 2006 führte Juventus Turin 1996, 1997 und 1998 ins Endspiel.

Real Madrid hat von 1956 bis 1960 einmal sogar fünf Endspiele hintereinander gewonnen, mehr als zwei Finalteilnahmen nacheinander kamen für einen Trainer aber nicht herum: Nur José Villalonga (1956, 1957) und Luis Carniglia (1958, 1959) konnten zwei Finals nacheinander bestreiten. Und damit an einem Mythos stricken, den Zidane als Grund dafür anführte, dass sein Team sich von anderen Champions-League-Teilnehmern unterscheide: "Es ist nicht dieses Team. Es ist dieser Klub. Die Geschichte kommt von sehr weit her, wir schreiben sie nun fort", erklärte Zidane.

"Ich bin ein anderer", juxte Navas

Die Feder beim Fortschreiben der Geschichte führten am Dienstag kurioserweise nicht Ronaldo, Kroos, Marcelo oder Modric, sondern die Verfemten: Stürmer Karim Benzema und Torwart Keylor Navas. Sie waren - neben Innenverteidiger Sergio Ramos - die entscheidenden Figuren eines faszinierenden Duells. Der Franzose Benzema erzielte die beiden Treffer Reals (11./46.); der Nationaltorwart Costa Ricas verhinderte mit glanzvollen Paraden, dass der FC Bayern nur durch Joshua Kimmich (3.) und James Rodríguez (63.) Tore erzielte. "Ich freue mich für Karim, er hat nie aufgehört zu arbeiten und hat heute den Unterschied ausgemacht", sagte Zidane über seinen Landsmann. Auch Navas lobte er: "Er hat uns das Leben gegeben."

Beide zahlten damit das Vertrauen zurück, das er ihnen in schweren Stunden der laufenden Saison gab. Benzema steht seit Monaten in der Kritik, vor dem Spiel gegen die Bayern hatte er in der Champions League nur gegen Nikosia getroffen, er galt längst als transferierbar. Und Navas muss damit leben, dass der Klub ständig mit anderen Keepern flirtet. Nachdem die Bemühungen um De Gea (ManUnited) scheiterten, buhlte Real im Winter um den (grandiosen) Kepa Arrizabalaga von Athletic Bilbao. Zidane legte sein Veto ein.

"Die weiße DNA treibt dich dazu, bis zum Ende zu kämpfen"

"Was ich denen sagen würde, die an mir zweifelten? Dass sie einen neuen Torwart haben. Ich habe mir die Haare geschnitten, ich bin ein anderer", juxte Navas, nachdem er mit seinen Paraden wie kaum ein Zweiter das "Betonkinn" verkörperte, das Real Madrid gegen die Bayern zeigte, wie die Zeitung El País am Mittwoch schrieb.

"Es ist nicht normal, was diese Spieler leisten", lobte Zidane, der sich in den vergangenen Sommern erfolgreich gegen größere Einkäufe wehren konnte, allmählich aber wohl einer Erneuerung des Kaders zustimmen muss. Real hat in dieser Saison auch mit dem Feuer gespielt. Im Bernabéu-Stadion konnte Real gegen keinen der ersten sechs der spanischen Liga gewinnen; im Pokal blamierte man sich gegen Fuenlabrada, Numancia und Leganés, in der Champions League gab es weder gegen Tottenham, Juventus Turin noch gegen den FC Bayern einen Triumph.

Und doch steht der zwölfmalige Königsklassen-Sieger im Finale. Wieder einmal. "Die weiße DNA treibt dich dazu, bis zum Ende zu kämpfen", sagte Sergio Ramos, als er bereits ein weißes T-Shirt trug, auf dem das Motto für Kiew stand: "Auf zum 13.!"

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