Real Madrid nach der Dortmund-Pleite:Königliches Schweigen

Borussia Dortmund v Real Madrid - UEFA Champions League Semi Final: First Leg

Ideenloser Trainer: José Mourinho

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Verantwortlichen von Real Madrid sind nach der 1:4-Abfuhr in Dortmund ratlos. Trainer José Mourinho muss sich fragen lassen, ob er überhaupt eine Idee hatte, wie er der Dortmunder Wucht begegnen wollte. Gedanklich scheint der Coach schon bei Chelsea zu sein.

Von Philipp Selldorf, Dortmund

Bevor er in die bereitstehende schwarze Limousine stieg, nahm Florentino Perez noch einen kleinen Umweg und schaute in der Kabine vorbei, in der die Spieler des Klubs saßen, dem er als Präsident vorsteht. Nicht bekannt wurde, was Perez zu den Profis sagte, das könnte aber auch daran liegen, dass er möglicherweise überhaupt nichts gesagt hat. Als Kommentar zur Leistung des Teams dürfte ihm der beleidigte Blick genügt haben, den er nach dem Verlassen der Umkleide im Gesicht trug - ein Blick, der einen frösteln ließ.

Sein Rückzug vom Ort der Schmach war dann ebenfalls ein sehenswertes Schauspiel: Ein halbes Dutzend äußerst nervöser spanischer Kameraleute rannte hinter dem schweigenden Perez her, während Sicherheitskräfte die Autos umstellten, in denen Real Madrids Patron und dessen familiäres Gefolge Platz nahmen. An der Ausfahrt warteten johlende Dortmunder Fans und riefen "Auf Wiedersehen", was nicht unbedingt als höflicher Abschiedsgruß gedacht war.

Ähnlich amüsant verlief aber auch die Abreise der Madrider Spieler, die nicht minder gekränkt und kaum redseliger waren als ihr Präsident (Sami Khedira hatte für Anfragen nach einer Stellungnahme nur die Nuance eines Kopfschüttelns übrig). Schließlich verließ Reals Mannschaft das Stadion in einem gemieteten Reisebus, der den Schriftzug trug: "Urlaub mit Chauffeur".

Noch mehr glatzköpfige Beschützer als Perez versammelte lediglich José Mourinho um sich. Real Madrids Trainer legte die Strecke von der Kabine zum Pressesaal mit einer Leibgarde zurück, die des amerikanischen Verteidigungsministers würdig gewesen wäre. Passanten mussten auf Geheiß der Wächter zur Seite treten. Mourinho nahm es nicht zur Kenntnis. Er beschäftigte sich damit, etwas in sein Handy zu tippen. Wie bereits während des Spiels schien er gedanklich nicht anwesend zu sein.

Hatte Mourinho eine Idee?

Mit welcher Idee hatte Mourinho seine Leute ausgestattet, als er sie auf die Begegnung mit der Borussia einstimmte? Zu dieser elementaren Frage hat die Uefa, die ansonsten jeden kurzen, mittleren und langen Pass jedes einzelnen Spielers statistisch dokumentiert, keinerlei Datenmaterial zur Verfügung gestellt. Womöglich deshalb, weil es kein methodisches System zu erfassen gab. Dem simplen Augenschein nach zu urteilen, war Mourinhos Matchplan eine Hommage an Franz Beckenbauers berühmtes Bonmot ("Geht's raus und spielt's Fußball").

Natürlich wird auch Mourinho eine Tafel aufgestellt und ein paar Namen und Pfeile darauf gemalt haben, aber ein Effekt ließ sich nicht erkennen. Was man sah, war eine Mannschaft mit brillanten Fußballern, die imstande waren, brillante Kombinationen aufs Feld zu zaubern. Diese Momente schienen jedoch meist das Resultat geglückter Improvisationen und Pioniertaten zu sein, wobei sich Cristiano Ronaldo und auch Luka Modric deutlich mehr hervortaten als Mesut Özil, der sich auf seiner rechten Seite offenbar nicht wohlfühlte.

Reals auffälligster Mannschaftsteil war jedoch die unsortierte Defensivabteilung, in der ständig jemand falsch stand oder über den Ball trat. Diesem traditionellen Real-Madrid-Makel konnten auch die als Schwerarbeiter engagierten Sami Khedira und Xabi Alonso nicht entgegenwirken.

Reals Spiel war nicht königlich, es hatte nicht einmal großbürgerliches Format. Es war, abzüglich der individuellen Reize, konventionell und beinahe gestrig. Mourinho verfolgte es teilnahmslos, es gab kein Coaching und keine Unterweisungen, er stand, Hände in den Taschen, unbewegt am Spielfeldrand, als ob es ihn nichts anginge. Immerhin nahm er sich Zeit, mitten im Spiel seinen früheren Schüler Nuri Sahin zu begrüßen, und man konnte ihm auch nicht nachsagen, dass er ein schlechter Verlierer wäre. "Ich habe eine Mannschaft gesehen, die dominiert und deswegen verdient gewonnen hat", sagte er. Er tadelte zwar in den Interviews, dass allen Dortmunder Toren Fehler seiner Spieler vorausgegangen seien, aber er blieb cool und entspannt.

Der portugiesische Trainer war vor drei Jahren in Madrid dazu angetreten, die Champions League zum dritten Mal zu gewinnen. Er hat dem FC Porto und Inter Mailand dieses Glück verschafft, mit Real wird es ihm wohl nur gelingen, wenn beim Rückspiel in Bernabeu etwas Großes geschieht. Zum Saisonende, das wird nicht erst seit Mittwoch in der Branche kolportiert, nimmt er seinen Abschied in Spanien, um zum FC Chelsea zurückzukehren.

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