Süddeutsche Zeitung

Real Madrid:Kroos schmückt den königlichen Hof

Mit seiner Vertragsverlängerung bis 2022 ist Toni Kroos auf dem Weg zu einer Real-Madrid-Legende. Der Deutsche soll dem Klub in einer Zeit des Wandels Stabilität garantieren.

Von Javier Cáceres

Vor ein paar Tagen wartete Real Madrid mit Zahlen auf, die stutzig machten. Spaniens Rekordmeister machte bekannt, dass am 23. Oktober die Jahreshauptversammlung stattfinden solle, unter anderem, um dort die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr vorzustellen, die sich durchaus sehen lassen kann.

Gut, der Profit sank demnach in der Saison 2015/16 um knapp 23 Prozent, auf allerdings immer noch beachtliche 43,3 Millionen Euro vor Steuern. Der Umsatz aber stieg im gleichen Zeitraum um sieben Prozent, auf 620 Millionen Euro. Vor allem machte aber Staunen, dass Real Madrid flüssig ist wie nie zuvor. In der Vereinsschatulle hätten sich zum Stichtag 30.6.2016 glatte 211,5 Millionen Euro befunden.

Das ist so schon erstaunlich viel Geld auf der hohen Kante; erst recht aber aktuell. Was will man in Zeiten historisch niedriger Zinsen mit so viel Geld auf der Bank? Dennoch hat Real im vergangenen Sommer ausnahmsweise mal keinen Megatransfer getätigt, das beachtliche Sammelsurium an galaktischen Superstars wie Ronaldo, Bale, Benzema, James oder Modric nicht erweitert. Allmählich deutet sich an, warum: Der Verein ist mit umfassenden Renovierungen beschäftigt, sie betreffen Steine und Beine.

Am Dienstag stellte Real Madrids Präsident Florentino Pérez den umfassenden Umbau des Estadio Santiago Bernabéu vor, der rund 400 Millionen Euro verschlingen soll. Unter anderem sollen - im künftig futuristisch überdachten Stadion - ein Einkaufszentrum und ein Luxushotel entstehen. Am Mittwoch folgte dann die offizielle Verkündung der Vertragsverlängerung eines strategischen Mitarbeiters: Toni Kroos. Der deutsche Mittelfeldspieler, der bisher schon mit einem Vertrag bis 2020 ausgestattet war, unterzeichnete nun einen Kontrakt bis 2022.

Sollte Kroos, 26, diesen Vertrag erfüllen, würde er die bisherige deutsche Real-Legende überholen: den heutigen südkoreanische Nationaltrainer Uli Stielike, der von 1977 bis 1985 gleich 215 Spiele für die Madrilenen bestritt. Bei Vertragsende wird Kroos schon 32 sein, was im Fußball noch kein Alter ist, andererseits erinnerte Kroos am Donnerstag selbst daran, dass er nun auch schon seit seinem 17. Lebensjahr Profi ist.

Daher sei es für ihn "eine gute Option", die Karriere in der spanischen Hauptstadt zu beenden. Er wolle auf einem "hohen Niveau" abtreten - mit Mitte 30 oder 40 Jahren sehe er sich jedenfalls nicht mehr als Profi. Und schon gar nicht in Madrid.

Nach Angaben der Bild soll Kroos ein Jahresgehalt von angeblich 20 Millionen Euro brutto erhalten. Damit würde sich sein derzeitiges Salär wohl verdoppeln - und in jedem Fall satt reichen, um mal warm zu speisen. "Das nächste Essen geht auf Dich", twitterte Tonis Bruder Felix Kroos, der beim 1. FC Union Berlin in der zweiten deutschen Bundesliga spielt.

In die Liga von Cristiano Ronaldo und Gareth Bale, deren Verträge ebenfalls möglichst bald verlängert werden sollen, ist Kroos damit zwar nicht vorgestoßen. Ronaldo verdient angeblich rund 20 Millionen, Bale immerhin 17 Millionen Euro - netto. Aber Kroos ist in der Madrider Gehaltsskala sehr weit oben angesiedelt - oberhalb des spanischen Abwehrchefs Sergio Ramos, der angeblich 8,5 Millionen Euro netto erhält und zuletzt nicht von ungefähr mit englischen Top-Vereinen in Verbindung gebracht wurde. Weil er sich bei Real nicht ausreichend gewürdigt sah.

Ein solches Gefühl kennt Kroos nur zu gut, aus seinen Zeiten beim FC Bayern München, die 2014 endeten, ehe er sich nach Madrid begab. In München strebte Kroos einen Vertrag zu verbesserten Bedingungen an - und hatte dabei die Unterstützung des damaligen Trainers Pep Guardiola.

Dessen Biograf Martí Perarnau schildert in seinem in diesen Tagen erscheinenden Buch "Pep Guardiola: Das Deutschland-Tagebuch", dass Guardiola zwei Mal "sehr nachdrücklich" beim Bayern-Vorstand interveniert habe, um Kroos zu halten, aber auf taube Ohren stieß. Ein anderer an Guardiolas Stelle hätte ein Ultimatum gestellt, schreibt Perarnau, doch Guardiola beugte sich dem Willen des Klubs. Zur Freude Madrids, wo Kroos nach der WM 2014 für eine kolportierte Ablösesumme von 30 Millionen Euro landete.

Mittlerweile ist dort die Zuneigung derart groß, dass Kroos für einen Mecklenburger nachgerade sentimental wurde: "Die Wärme, die Liebe, die ich hier bekomme, ist wirklich schön", sagte er, als er am Donnerstag mit Reals Generaldirektor Emilio Butragueño vor die Presse trat und Schmeicheleien der Real-Legende hörte: "Du weißt, dass Du für uns sehr wichtig bist."

Das gilt nicht nur in fußballerischer, sondern auch in strategischer Hinsicht. Abgesehen von der Verlässlichkeit des geborenen Ball-Vergolders aus Greifswald (Kroos hat 107 Pflichtspiele für Real bestritten, war nie verletzt), ist er für Reals Marketing-Abteilung eine Schlüsselfigur für den deutschen Markt, dem auch Vereinsboss Pérez große Bedeutung beimisst.

Das gilt weniger für den Verkauf von Toni-Kroos-Trikots, sondern vor allem für die Aushandlung von Sponsorenverträgen. Eine Identifikationsfigur aus dem wirtschaftlich stärksten Land der Europäischen Union in den eigenen Reihen zu haben, steigert den Markenwert von Real Madrid - zum Beispiel gegenüber dem Ausstatter, den Kroos und Real praktischerweise teilen.

"Ich werde Real nicht verlassen, bevor ich nicht die spanische Liga gewonnen habe", sagt Toni Kroos

Das heißt nicht, dass Erfolge unerheblich wären, im Gegenteil, und da ist noch Luft nach oben. Kroos kann zwar auf einen Champions-League-Titel zurückblicken, mit der Pflicht aber hapert es. Reals letzter spanischer Meistertitel liegt fünf Jahre zurück; eine Zeitspanne, die für madridistas länger ist als fünf Minuten für Verliebte.

"Ich werde Real nicht verlassen, bevor ich nicht die Liga gewonnen habe", versicherte Kroos und meinte damit wohl, dass er schon nicht werde warten müssen, bis er 40 ist. Und wenn doch? Ist auch vorgesorgt: Butragueño sagte, dass Kroos "mindestens bis 2022" in Madrid bleiben werde - mit der Betonung auf mindestens.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2016/jbe
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