Süddeutsche Zeitung

Real Madrid: José Mourinho:Die Demut des Exzentrikers

Sogar Real Madrids Trainer José Mourinho erkennt die Vorherrschaft des FC Barcelona an. Selbstkritik übt der Coach jedoch nicht - auch die Hauspresse springt ihm eifrig bei.

Javier Cáceres, Madrid

Auch der Fußballbetrieb hat, wie die Geschichte der Menschheit, einen feinen Sinn für Ironie, insofern war es nur logisch, was sich am Sonntagabend beim Besuch von Real Madrid im Estadio Reyno de Navarra zu Pamplona zutrug. Wochenlang hatte José Mourinho, seit vergangenem Sommer Trainer bei Real, nichts anderes getan als Madrids Strukturen umzustülpen. Er diskreditierte Vorgesetzte, warf Hierarchien um und machte sich den ganzen Klub gefügig.

Das jüngste greifbare Resultat seines Machtkampfs: Die leihweise Verpflichtung des togolesischen Stürmers Emmanuel Adebayor von Manchester City als Ersatz für den bandscheibengeschädigten Argentinier Gonzalo Higuaín; Präsident Florentino Pérez hatte sich erst nach Kräften gesträubt, dem Portugiesen am Ende aber doch nachgegeben. Nicht, dass der bis zum Saisonende eine Ausrede für etwaigen Misserfolg parat hat.

Womit wir wieder beim Sonntag und der Ironie wären. Denn kaum, dass Adebayor offiziell das weiße Leibchen überstreifen durfte, setzte es für Real Madrid bei CA Osasuna de Pamplona eine 1:0-Niederlage (das Tor glückte Camuñas in der 62. Minute), die den Vorsprung von Tabellenführer FC Barcelona auf nunmehr sieben Punkte anschwellen ließ. "In jeder Liga wären sieben Punkte aufholbar", seufzte Reals Nationalverteidiger Álvaro Arbeloa, "aber in dieser wird das ziemlich schwierig werden."

Barça nämlich gab sich nicht nur keine Blöße - das katalanische Ausnahmeteam hat es sich auch noch zum Sport gemacht, historische Bestmarken umzuwerfen. Am Wochenende stellte es mit dem 15. Liga-Sieg nacheinander (3:0 bei Hércules Alicante) einen Rekord ein, der seit den Tagen von Di Stéfano, Puskas und Gento - seit der Spielzeit 1960/61 also - bei Real Madrid lag.

Nach Ansicht von Barcelonas Klub-Legende Johan Cruyff gibt es keinen Anlass für die Vermutung, Barcelona könne nachlassen, und der Mann spricht aus Erfahrung. Als Trainer hat er mit Barça mal 26 Pflichtspiele ohne Niederlage hingelegt; die Reihe riss, als man vorzeitig den Liga-Titel gewonnen hatte. "Und warum belief sich der Rekord von Di Stéfanos Madrid auf 15 und nicht auf 16 Spiele? Weil Real damals nach dem 15.Sieg Meister geworden war", schrieb Cruyff in seiner Kolumne für El Periódico. Sogar die Kampfansagen und Durchhalteparolen, die von Madrids Verantwortlichen formuliert werden müssen, spielen also Barcelona in die Hände.

Wobei: So laut waren die gar nicht, selbst Mourinho blieb seltsam zahm. Selbstkritik zwar äußerte der Exzentriker trotz diskussionswürdiger Aufstellung nicht. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Auftritten aber fand er aufgrund einer guten Schiedsrichterleistung und dem engagierten Auftritt seiner Elf weder Sündenbock noch Ausreden.

Der einzig nennenswerte Ausbruch bestand darin, dass der Portugiese in seinen Ausführungen zur eigenen Pleite daran erinnerte, dass beim Gastspiel Barcelonas in Pamplona vor ein paar Monaten ein möglicher Elfmeter für Osasuna übersehen wurde: Wie soll man da auch die Liga gewinnen?

Dafür sprang ihm Real Madrids Hausblatt Marca bei. Dessen zu unfreiwilliger Komik neigender Chefredakteur führt die Krise allen Ernstes darauf zurück, dass die am Sonntag von No-name-Spielern wie Casillas, Sergio Ramos, Ronaldo, Özil und Benzema angeführte und in der zweiten Halbzeit durch Auswechselspieler wie Kaká, Xabi Alonso und Adebayor aufgefrischte Belegschaft nicht gut genug besetzt sei.

Und überhaupt: Mourinho habe seine Wunschspieler nicht bekommen. Zur Erinnerung: Der begnadete Zündelmeister Mourinho fing an, den mittlerweile von den Mannschaft-Reisen ausgeschlossenen Generaldirektor Jorge Valdano (stellvertretend für den Klubchef Pérez) öffentlich zu demütigen, weil niemand im Bernabéu-Stadion hatte einsehen wollen, dass Real unbedingt (den von Mourinhos Manager Jorge Mendes beratenen) Hugo Almeida verpflichten müsse. Ja, den Hugo Almeida, vormals Werder Bremen.

Ein wenig dürfte José Mourinho doch geahnt haben, dass es in diesem Jahr nichts werden würde mit dem Triumph in der Liga: Für den Hinspiel-Auftritt beim FC Sevilla schonte er vor Wochenfrist unter anderen seinen jungen Spielmacher Özil; es wirkte fast schon wie eine Bestätigung, dass Mourinho in dieser Spielzeit alles auf den Pokal setzen will.

An diesem Mittwoch steht das Rückspiel im Bernabéu-Stadion an, und im Ende April anstehenden Finale wartet nach Lage der Dinge: der FC Barcelona. Wer sonst. "Die Liga ist tot, es lebe der Pokal, es leben die Champions", titelte das Sportblatt As.

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SZ vom 01.02.2011/ebc
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