Real Madrid gegen FC Bayern:Kalkül statt Kunst

Lesezeit: 3 min

Umsichtiger Dirigent im spanischen Mittelfeld: Weltmeister Toni Kroos. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Bei Real Madrid herrscht neuerdings Ordnung - das soll der FC Bayern im Finale des Sponsoren-Cups zu spüren bekommen.
  • Das Mittelfeld soll weiterhin Toni Kroos dirigieren.
  • Der Nationalspieler plaudert über Mario Götze und Bastian Schweinsteiger.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Haare sind ein guter Anhaltspunkt, um Menschen zu erkennen - insofern lag die spanische Reporterin richtig, als sie vor dem Kabinengang der Münchner Arena nach Marcelo rief. Ungünstig nur, dass das vorbeischlurfende Wollknäuel nicht Real Madrids Brasilianer war, sondern Dante, ein echter Münchner.

"Marcelo ist noch drinnen", half der verletzt pausierende Bayern-Verteidiger der Frau auf die Sprünge. Er nahm den Irrtum mit Humor. So ganz ernst ging es beim Testturnier im Münchner Tropensommer noch nicht zu, das war den Beteiligten anzumerken.

FC Bayern beim Vorbereitungscup
:Fußballzerstörer erzürnt Guardiola

Ein Tritt von Nigel de Jong erbost Bayern-Coach Pep Guardiola. Nicht mal das flinke Spiel seiner Zugänge beim 3:0 gegen Mailand kann ihn aufheitern.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Aber wenn Real Madrid seine Fußballer auf Tour schickt, lohnt sich jederzeit eine Betrachtung - selbst wenn es nur um Haare geht. Zu sehen war neben dem Model "Afro" von Marcelo schließlich auch die Variante "wilder Kriegerzopf" (Gareth Bale), der "Schuljungenmop" (Luka Modric) und der, nunja, "spanische Oberkellner" (Rafael Benitez). Beim neuen Trainer der Königlichen sind die Tage der Frisuren-Experimente längst passé, er bevorzugt ganz pragmatisch Kurzgeschorenes - das passt zu seinem Wesen.

Benitez liebt die Ordnung

Wer die Vorstellung der Madrilenen beim 2:0 gegen Tottenham Hotspur verfolgte, bekam Einblicke in die dezent veränderte Spielphilosophie des edlen Kollektivs. Wo es unter Benitez' Vorgänger Carlo Ancelotti auch gerne mal hübsch zugehen durfte, herrscht jetzt das Prinzip der Ordnung und Machbarkeit. Das aktuelle Real ist mehr Kalkül denn Kunst - und Benitez ist sein sportlicher Zuchtmeister.

"Wir sind als Mannschaft inzwischen stabiler und stehen besser zusammen", erklärte der 55-Jährige Coach, "dabei ist es noch sehr früh in der Saison. Diese Balance sehe ich als sehr positiv." Die Schande einer titellosen Vorsaison soll sich am königlichen Hof nicht wiederholen - dass seit 2012 kein Meisterpokal mehr im Vereinsmuseum gelandet ist, nagt gewaltig am Selbstverständnis.

Zuletzt trieb den Klub das monatelange Vertragsgeschacher um Sergio Ramos um. Der Kapitän fühlte sich nicht genug geschätzt, er prangerte die herzlose Entsorgung seines Kumpels Iker Casillas an - ehe ein neues, fürstlich ausgestattetes Arbeitspapier bis 2020 die Wogen glättete. Auch um Bale und Karim Benzema kursieren Wechselgerüchte, doch wenn es nach Benitez geht, sollen alle bleiben: "Es gibt viele Spekulationen, aber die stören mich nicht. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit. Und dazu gehören auch diese Spieler." Zu seinem schicken Kader zählt weiterhin auch Toni Kroos, der nach einem Jahr als Königlicher erstmals wieder nach München zurückkehrt.

Wie Ancelotti schätzt auch Benitez den deutschen Weltmeister, der mit seiner Übersicht in der Mitte das Spiel organisieren soll. "Kroos wird für uns noch sehr wichtig, denn er hat große Qualität", lobte der Coach. Und weil Kroos schon mal da war, plauderte er nach einem lockeren 45-Minuten-Einsatz gegen die Spurs über seinen ehemaligen Verein, den FC Bayern. "Ich habe hier sehr, sehr schöne Jahre gehabt. Mit Leverkusen war ich davor ja auch schon mal als Rückkehrer hier", sagte der Nationalspieler, "jetzt ist es das erste Mal mit Real Madrid. Das ist auch etwas Besonderes."

Kroos' Abschied geriet im Sommer 2014 zum Politikum, als die Münchner ihm nicht die gewünschte Gehaltsaufbesserung bieten wollten. Zwar hätte Pep Guardiola gerne weiterhin über ihn als Mittelfeld-Gehirn verfügt, aber die Vereinsbosse hielten Forderungen in Richtung zehn Millionen Jahresgage für überzogen. Die Entwicklung seiner alten Kollegen ist dem 25-Jährigen aus der Ferne nicht entgangen - so hatte Kroos diesmal etwa für Mario Götze aufmunternde Worte parat: "Natürlich kenne ich Mario gut und würde ihm natürlich wünschen, dass er ein paar mehr Spielanteile bekommt."

Im Finale gegen die Bayern

Und auch zum Weggang von Bastian Schweinsteiger nach Manchester ließ Kroos einen interessanten Satz folgen: "So wie es nach außen gesagt wurde, dass er gerne eine neue Herausforderung haben wollte, hat er die jetzt. Dann ist doch alles gut."

Das klang natürlich nett - bot aber gleichzeitig Raum für Interpretationen. Werden bei den Bayern die Verkäufe ehrenwerter deutscher Spieler nach innen etwa anders kommuniziert? Schweinsteiger und Kroos teilen zumindest ein ähnliches Schicksal. Beide waren arrivierte Profis, ehe man sie einfach in die Ferne schickte. Immerhin: An diesem Abend bekommt Kroos die Chance auf ein weiteres Wiedersehen. Im Finale des Testturniers trifft Real Madrid auf die Bayern. Was die Haare betrifft, wird Kroos dabei zu den Unauffälligsten gehören.

© Süddeutsche.de/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

BVB-Geschäftsführer Watzke
:"Klopp und Bayern würde zu 100 Prozent gutgehen"

Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kann sich ein Engagement von Jürgen Klopp beim FC Bayern vorstellen. Mit Uli Hoeneß hält der BVB-Chef Kontakt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: