Fußball in Spanien:Bei Real Madrid kippt die Stimmung

Fußball in Spanien: Fassunglosigkeit bei Real Madrid: Stürmer Karim Benzema zeigt sich beim Spiel gegen Barcelona sichtlich ratlos.

Fassunglosigkeit bei Real Madrid: Stürmer Karim Benzema zeigt sich beim Spiel gegen Barcelona sichtlich ratlos.

(Foto: AP)
  • Real Madrid verliert im Rückspiel des spanischen Pokal-Halbfinals 0:3 gegen den Erzrivalen aus Barcelona.
  • Fans der Königlichen fordern nach dem Spiel den Rauswurf des Trainers und den Rücktritt des Präsidenten.
  • Beim FC Barcelona wird nach dem Schlusspfiff vor allem Torhüter Marc ter Stegen gefeiert.

Von Javier Cáceres, Madrid

Ehe sich rund um das Bernabéu-Stadion alles mit Stille füllte, weil niemandem mehr der Sinn nach einem Drink, sondern nur nach einem raschen Heimweg stand, bebte die Straße vor Zorn. Vor dem Tor 57 wurden die Fans von Real Madrid von Fernsehteams abgepasst, die dem Volk aufs Maul schauen sollten. Und die Antworten, die sie einfingen, wuchsen flugs an zu einem Chor aus Dutzenden Kehlen voller Groll.

Mit 0:3 hatte Real Madrid das Halbfinalrückspiel im Pokal gegen den FC Barcelona verloren, nach dem 1:1 aus dem Hinspiel bedeutete dies das Aus für Real. "Solari, hau ab!", rief die Menge auf den Trainer gemünzt, und Präsident Pérez wurde im Stakkato zum Rücktritt aufgefordert ("Flo-ren-ti-no! Di-mi-sión"). Die Lösung allen Übels hatte der Flashmob ebenfalls parat: "José Mourinho, José Mourinho...", sangen die Fans zur Melodie von "La Donna È Mobile". Es ließe sich trefflich streiten, ob dies repräsentativen Charakter hatte. Nicht aber darüber, dass die berühmte Canzone aus Verdis "Rigoletto" zum Soundtrack einer handfesten Krise wurde.

Jene, die gute Drähte in die Führungsetage Real Madrids haben, hatten schon vor dem Spiel gegen Barça davon berichtet, dass auf der Ehrentribüne die Nerven blank lagen - angesichts des dreifachen Salto mortale, in dem es für Real um alles oder nichts geht: zwei Clásicos (in Liga und Pokal) sowie eine Champions-League-Partie (gegen Ajax Amsterdam) binnen einer Woche. Am Mittwoch begutachteten sie von ihren gepolsterten Sesseln aus den befürchteten Salto nullo - den Verlust des ersten von drei möglichen Titeln.

Dass Real Madrid am Mittwochabend die vielleicht sogar beste erste Halbzeit der Saison hinlegte und Barcelona spielerisch und physisch überlegen war, machte die Dinge nicht besser. Barça legte genau jene Effektivität an den Tag, für die Real einmal berühmt war. Der Gast kam mit nur zwei eigenen Schüssen aufs gegnerische Tor zu drei Treffern: Luis Suárez traf in der 50. Minute zur Führung und stellte per Elfmeter den Endstand her (73.), das 2:0 hatte Real-Verteidiger Raphael Varane mit einem Eigentor besorgt (69.). Ein TV-Sender entlarvte, dass Sergio Ramos nach dem 0:3 die Panik beschlich: "Die schenken uns sechs ein!", rief der Kapitän von Real.

Als die Partie vorüber war und sich die Ränge in Madrid schnell gelichtet hatten, weil Zehntausende enttäuscht das Weite suchten, wurde ein Profi des FC Barcelona von seinen Kollegen außergewöhnlich innig geherzt: Marc André ter Stegen. Vor allem sein Ersatzmann Jasper Cillesen fiel ihm um den Hals, aus Dank. Im Pokal steht üblicherweise der niederländische Nationaltorwart in der Startelf; weil er aber gerade erst von einer Verletzung genesen ist, musste der nominelle Stammkeeper ter Stegen im Bernabéu-Stadion eine Extraschicht schieben - und dafür sorgen, dass Cillesen nun die Chance hat, Ende Mai im Finale von Sevilla um den 31. Pokalgewinn Barcelonas mitzukämpfen.

Eine neuerliche Pleite wäre vor allem für Vereinsboss Pérez ein Drama

Es kam dem einstigen Gladbacher ter Stegen zugute, dass Reals neue Hoffnung, der 18-Jährige Brasilianer Vinicius Junior, zwar seine extraordinäre Begabung unter Beweis stellte, aber eben auch offenbarte, dass er am Abschluss feilen muss: Vinicius war für sechs von zehn Torschüssen Reals verantwortlich, doch keiner fand das Ziel. Besonders überragend reagierte ter Stegen auch bei einem Kopfball von Linksverteidiger Sergio Reguilón. Er flog und flog, bis es wirkte, als hielte er Zeit und Raum fest. Dann lenkte er den Ball zur Ecke.

"Außergewöhnlich" nannte Barças Trainer Ernesto Valverde die Leistung ter Stegens, der Torwart wiederum gab bescheiden zurück, dass er lediglich versuche, "da zu sein, um die Null festzuhalten". Es sei "ein schöner Tag", aber nun gelte es, "an das Spiel vom Samstag zu denken". Da muss ter Stegens Barça wieder ins Bernabéu-Stadion reisen, um in der Meisterschaft den derzeitigen Vorsprung von neun Punkten zu verteidigen. Gemessen an der Stimmung, die am Mittwoch herrschte, wäre es wenig überraschend, wenn das Ungeheuerliche passieren würde: dass sich das Bernabéu nicht füllt.

Eine neuerliche Pleite wäre vor allem für Vereinsboss Pérez ein Drama, die Rücktrittsforderungen waren nicht nur nach dem Spiel, sondern auch im Stadion zu hören - ebenso unüberhörbar wie die Pfiffe gegen den walisischen Stürmer Gareth Bale. Die Fans werfen Pérez vor, den zu Juventus Turin abgewanderten Cristiano Ronaldo nicht ersetzt zu haben; der Baulöwe spart Geld für die aufwendige Modernisierung des Stadions. Ronaldo war stets für 50 Tore pro Saison gut, die nun vermisst werden, bei Barça hingegen regiert weiter Messi, auch wenn er am Mittwoch kaum zu sehen war und die Protagonistenrolle an den früheren Dortmunder Ousmane Dembélé abtrat, der an zwei Toren beteiligt war.

"Uns fehlt Durchschlagskraft", sagte der seit Oktober amtierende Trainer Santiago Solari nach dem 0:3. In Reals Vorstandsetage war man über den Fingerzeig des Coaches auf den Boss mäßig amüsiert. Auch deshalb gilt es als wahrscheinlich, dass Solari das gleiche Schicksal erleiden wird wie sein Vorgänger Julen Lopetegui. Auch der hatte sich über den Mangel an Torgefahr beklagt, ehe er nach einem 1:5 bei Barça gefeuert wurde. Solari dürfte das Saisonende kaum überstehen, obwohl sein Vertrag bis 2021 läuft. Und dann? Kehrt vielleicht tatsächlich Mourinho zurück. Der Portugiese wurde schon Ende 2018 kontaktiert, als er noch bei Manchester United angestellt war. Damals zierte er sich. Doch seit Dezember ist er ohne Job - und wild darauf, wieder zu arbeiten.

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