Real Madrid:Bei Ronaldo steht die Null

Real Madrid: Erst gesperrt, nun im Pech: Cristiano Ronaldo (rechts; hier gegen Sevillas Torwart Antonio Adan) wartet weiter auf sein erstes Saisontor.

Erst gesperrt, nun im Pech: Cristiano Ronaldo (rechts; hier gegen Sevillas Torwart Antonio Adan) wartet weiter auf sein erstes Saisontor.

(Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Montagvormittag bediente der deutsche Nationalspieler Toni Kroos das Konto, das er bei einem sozialen Netzwerk unterhält. Er suchte aus den sogenannten Emojis das Flugzeug und die deutsche Fahne aus und zerstreute damit jeden Zweifel: Kroos hat seine Rippenblessur überwunden - und dürfte am Dienstagabend mit Real Madrid bei Borussia Dortmund auf dem Platz stehen. "Ihm geht es gut. Wir wissen, wie wichtig er für unsere Mannschaft ist", sagte Trainer Zinedine Zidane am Montagabend. Für den Champions-League-Titelverteidiger und spanischen Rekordmeister ist das freilich eine gute Nachricht. Denn für das Team geht es nach holprigem Saisonstart schon wieder um alles.

Wer hätte das gedacht? Vor ein paar Wochen noch begutachteten die Madrilenen entspannt, wie der FC Barcelona im Chaos zu versinken schien. Der ewige Rivale, sei es im Kampf um die Hegemonialmacht in der Primera División oder um Weltmarktanteile im globalen Fußball-Business, hatte den Verlust von Neymar zu verkraften und kam bei der Suche nach Nachfolgern nicht voran. Zudem holte Real gegen Barça den spanischen Supercup, und die Siege in Hin- und Rückspiel (3:1/2:0) waren vor allem stilistisch derart unanfechtbar, dass Barcelonas Verteidiger Gerard Piqué stöhnte, er habe erstmals seit Jahren das Gefühl gehabt, Real Madrid sei Barcelona überlegen.

Doch als die Liga begann, waren der FC Barcelona und Lionel Messi mit einer Effektivität zur Stelle, die Real zurzeit fehlt. "Dies ist kein glänzender Moment, da müssen wir durch", sagte Zidane, nachdem sein Team beim Tabellenletzten CD Alavés 2:1 gewonnen hatte. Trotz des Sieges liegt Real Madrid in der Tabelle sieben Punkte hinter dem noch immer verlustpunktfreien FC Barcelona. Die Tore gegen Alavés erzielte Dani Ceballos - weshalb bei Stürmer Cristiano Ronaldo, der wegen einer Rotsperre vier Spieltage lang aussetzen musste, nach 18 Torschüssen aus zwei Partien eine runde Zahl an Treffern zu Buche steht, die ihn schmerzt: eine Null.

Ronaldo steht damit exemplarisch für eine Debatte, die so nachvollziehbar wie abstrus anmutet. Denn bei Real, wo man in Jahren spielerischer Armut davon lebte, dass man einen härteren Punch hatte als der frühere Preisboxer Sonny Liston, wird tatsächlich über einen Mangel an Effizienz geredet.

Das ist verständlich, weil die Zahlen nun mal kaum zu widerlegende Argumente liefern. Real Madrid hat nur elf Saisontore in der Liga und damit kaum mehr als die Hälfte, die der FC Barcelona aufweist. Und in der Champions League hat Real Madrid sein erstes Spiel der Gruppe H zwar 3:0 gewonnen, aber gegen Apoel Nikosia. Nicht von ungefähr rechnet die Sportzeitung As bereits vor, dass die drei Offensivspieler, die Real Madrid im Sommer abstieß, zum aktuellen Zeitpunkt in ihren jeweiligen Ligen mehr Tore geschossen haben als das gesamte Rest-Ensemble Real Madrids.

Unglücklich: Vor allem die Abgänge treffen bei ihren neuen Klubs

Mariano, 24, hat für Olympique Lyon in Frankreich schon fünf Tore erzielt, der Kolumbianer James Rodríguez hat beim FC Bayern immerhin schon einen Bundesliga-Treffer bejubelt, vor allem aber hat Álvaro Morata beim FC Chelsea dafür gesorgt, dass dort niemand mehr an Diego Costa denkt. Morata kommt in sechs Premier-League-Spielen auf sechs Tore.

Abstrus wirkt die Debatte aber nicht nur, weil Real erst vor vier Monaten in Cardiff den dritten Champions-League-Titel innerhalb von vier Jahren holte, sondern vor allem, weil der Klub erst in der Vorwoche eine nahezu beispiellose Marke verfehlte. Wie der legendäre FC Santos von Edson Arantes do Nascimento alias Pelé in den Sechzigerjahren, kam Real bis zum vergangenen Mittwoch in 73 Spielen nacheinander zu mindestens einem Treffer. Und: Noch in jedem Spiel der laufenden Saison hat Real Madrid 18 Torschüsse oder mehr fabriziert, und immer flogen zehn davon auch aufs Ziel.

Die dünne Erfolgsquote von rund elf Prozent war nicht nur dem Pech geschuldet (Ronaldo traf am vergangenen Samstag zweimal Aluminium), sondern auch grandiosen Leistungen der gegnerischen Torhüter. Dortmunds Torwart Roman Bürki hat am Dienstag die Gelegenheit, sich in eine Reihe mit Neto (Valencia), Raúl (Levante), Adán (Betis) oder Pacheco (Alavés) zu stellen. Denn diese Keeper fühlten sich im Angesicht der Madrid-Leibchen zu famosen Leistungen animiert.

Real Madrid plagen auch Verletzungssorgen

Begünstigt wurde dies allerdings auch durch eine Reihe von Verletzungsproblemen bei den Madrilenen, die am Wochenende nicht nur Kroos ersetzen mussten, sondern auch Stürmer Karim Benzema und vor allem Linksverteidiger Marcelo. Dass der Franzose Benzema fehlt, ist nur bedingt ein Problem; im Grunde befreit es Trainer Zidane von den üblichen Problemen, wen er für die sogenannte BBC (Benzema, Gareth Bale und Cristiano) auf die Bank setzen muss. Einen natürlichen Ersatz für Marcelo gibt es hingegen nicht, weil Theo Hernández ebenfalls verletzungsbedingt fehlt. Anstelle Marcelos dürfte daher Reals defensive Allzweckwaffe Nacho spielen. Dabei würde er auf der anderen Seite eher gebraucht, denn Rechtsverteidiger Dani Carvajal ist der Einzige aus dem Kader, der bisher alle Pflichtspielminuten Reals absolviert hat - und er pfeift schon aus dem letzten Loch.

Und dennoch: Eine gewisse Grundgelassenheit ist bei Real Madrid wieder zu spüren. Dass das Team derzeit nicht so gut drauf sei, gab Benzema zwar freimütig zu, als er vor wenigen Tagen seinen Vertrag bis 2021 verlängerte. "Aber besser jetzt als in der Rückrunde", fügte er hinzu, "denn erst da kommt es wirklich drauf an."

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