Real Madrid:Bei Real lodert der Zorn auf

Real Madrid: Cristiano Ronaldo: Erste Titelchance vergeben

Cristiano Ronaldo: Erste Titelchance vergeben

(Foto: AFP)

Das überraschende Pokal-Aus in der Provinz sorgt bei den Anhängern von Real Madrid für ungnädige Pfiffe - Erinnerungen an eine Saison unter Carlo Ancelotti werden wach.

Von Javier Cáceres

Die Erinnerung verglüht im Fußball schneller als ein Komet, doch nirgends so rasant wie in Spaniens Hauptstadt. Neulich noch schrieb Real Madrid Geschichte: Das Team von Trainer Zinédine Zidane reihte 40 Spiele ohne Niederlage aneinander, doch im Lichte der Gegenwart wirkt der Rekord, als wurde er im Pleistozän erzielt: Aus den jüngsten fünf Spielen holte der Klub nur einen Sieg, und nun schied Real am Mittwochabend nach einem 2:2 bei Celta de Vigo (Hinspiel 1:2) auch noch aus dem Pokal aus. Der Traum vom "triplete", wie das "Triple" auf Spanisch genannt wird, ist dahin. Real ist zwar Tabellenführer in der Liga, doch der einst bequeme Vorsprung auf den FC Sevilla und den FC Barcelona ist auf einen Punkt beziehungsweise zwei Zähler geschmolzen. Und so riecht es im Estadio Santiago Bernabéu so, wie es immer riecht, wenn sich Pleiten aneinanderreihen: als würden sich Rauchschwaden auftürmen. Als sei Feuer unterm Dach.

Die Reservisten können die Verletzten nicht ersetzen

Zidane kennt diesen Geruch nur zu gut, er war in Madrid, wo er heute als Coach amtiert, um die Jahrtausendwende bereits als Spieler unterwegs. Und so versuchte er, nach dem Pokal-K. o. in Vigo die Glut schnell wieder auszutreten: "Ich bin weder sauer noch besorgt." Doch die Gelassenheit, die der Franzose in der Provinz vorschützte, ist den Fans in der Hauptstadt abhandengekommen. Der Grund: Nicht nur die Offensivkräfte Gareth Bale und Luka Modric fehlen verletzungsbedingt, auch Innenverteidiger Pepe, Linksverteidiger Marcelo und Rechtsverteidiger Dani Carvajal werden von den Medizinern wochenlange Ausfallzeiten prognostiziert. Was wiederum bedeutet, dass Ersatzleute gefragt sind, für die der Einsatz vor heimischer Kulisse im Bernabéu zur Qual geworden ist.

Das gilt vor allem für Rechtsverteidiger Danilo, 25. Der Brasilianer kam 2015 nach Madrid. Dass er sich allen Vorschusslorbeeren zum Trotz nicht durchsetzen konnte, wurde bislang an der Ablöse festgemacht, die der FC Porto seinerzeit einstrich: 35 Millionen Euro. Zuletzt spielte Danilo so, als habe man ihm das Kreuz aufgehalst, das Real Madrid soeben - aus Marketingmotiven für den arabischen Raum - aus dem offiziellen Vereinswappen tilgte.

Schon bei Reals Hinspiel-Niederlage gegen Vigo hatte er eine schlechte Figur gemacht, am vergangenen Wochenende erhielt er dafür die Quittung: Vor dem 2:1-Sieg gegen Málaga wurde er bei der Verlesung der Aufstellung von Reals Anhang in Grund und Boden gepfiffen und kam dann trotz Bedarf nicht zum Einsatz. Offiziell wurde von Trainer Zidane eine allseits überraschende Knieblessur als Grund angegeben, womöglich aber schmerzte die Seele des Brasilianers nach der Zurückweisung durch das Publikum mehr als der Körper.

Pessimisten wird übel

Fern des eigenen Stadions und damit der eigenen Fans, in Vigo also, lief Danilo jedenfalls wieder auf, und er spielte passabel - bis er per Eigentor das 0:1 (35.) verursachte. Nach einem Angriff Celtas, den der Chilene Marcelo Díaz (im Jahr 2015 ein Nichtabstiegsheld des Hamburger SV) durch einen grandiosen Hackentrick einleitete, prallte der Ball nach einer Parade von Reals Torwart Kiko Casilla ans Bein von Danilo - und flog von dort ins Netz der Madrilenen. Er wird nicht mal gewusst haben, dass er der erste Spieler in der Geschichte Reals war, der in einer einzigen Pokalsaison zwei Mal ins eigene Tor traf, dennoch war Danilo nach dem Malheur wieder ganz der Alte: Er schwang sich zum Spieler mit den meisten Ballverlusten auf.

"Pech, das kann passieren", sagte Zidane, als er gefragt wurde, ob Danilo Madrid "gekillt" habe, und verwies darauf, dass sein komplettes Team nur ein Tor vom Weiterkommen entfernt war. In der Tat: Nach dem 1:1 durch den Freistoßtreffer von Cristiano Ronaldo (62.) ging Celta durch den Dänen Daniel Wass (85.) erneut in Führung; am Scheitern Reals änderte auch das späte 2:2 (90.) von Lucas Vázquez nichts mehr.

Aus Real Madrids Perspektive ist das Beste an der Lage nun, dass durch den frühen K. o. prestigeträchtige Pokalduelle gegen Barcelona oder Atlético Madrid vermieden werden, statt Abnutzungskämpfen stehen längere Ruhephasen ins Haus. Die pessimistische Variante weckt bei den Madrilenen hingegen Übelkeit, stehen doch wegweisende Duelle an. Am Sonntag gastiert der Tabellenfünfte Real Sociedad San Sebastián im Bernabéu, und in drei Wochen steigt das Champions-League-Duell gegen den SSC Neapel, dem Tabellendritten der Serie A. So wird nun in Madrid bereits an die Saison 2014/2015 gedacht, in der Real unter dem heutigen Bayern-Trainer Carlo Ancelotti gleich nach dem Champions-League-Gewinn 22 Siege in Serie obendrauf packte, die Spielzeit aber ohne einen einzigen Titel beendete. Manchmal leben Erinnerungen, die längst als abgehakt und somit vergessen galten, dann doch wieder auf.

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