Clásico in Spanien:Bei Real knallen die Korken

Real Madrid Clasico

Präzisionsarbeiter: Federico Valverde erzielt mit einem Flachschuss das 2:0 für Real, seine Kollegen lassen ihn dafür hochleben.

(Foto: Thomas Coex/AFP)

Das 3:1 gegen ein weitgehend wirkungsloses Barcelona beschert den Madrilenen die Tabellenführung in Spanien. Die Katalanen verharren in der Sinnkrise - und um Trainer Xavi dürfte es bald intensive Debatten geben.

Von Javier Cáceres, Madrid

An diesem Montag begibt sich eine Delegation von Real Madrid nach Paris, und sie wird danach allen Grund haben, einen neuen Weltrekordversuch im Champagnerkorken-Knallen anzumelden. Anlass der Reise ist die Verleihung des Ballon d'Or, des Preises für den besten Fußballer des Jahres, dessen Vergabe am Abend ansteht. Der designierte Sieger: Karim Benzema, Stürmer bei Real.

Seit dem späten Sonntagnachmittag gibt es einen weiteren Grund, den Vorrat an hochpreisigem Schaumwein zu reduzieren: Der Sieg gegen Erzrivale FC Barcelona, der nach dem virtuellen K.-o. in der diesjährigen Champions League nur mühsam verbergen konnte, in einer tiefen Sinnkrise angekommen zu sein. Im Clásico Nummer 250 der Geschichte siegte Real Madrid mit 3:1. Und Real war in diesem Traditionsduell Barça lange Zeit dermaßen überlegen, dass die Katalanen trauriger wirkten als Heidi am Muttertag.

Vielleicht war nichts sinnbildlicher als die Riesenchance, die Barças teuerster Einkauf, Robert Lewandowski, in der 26. Minute seines ersten Clásicos vergab. Außenstürmer Raphinha hatte sich auf der rechten Seite durchgesetzt und passte scharf nach innen. Erst verfehlte Frenkie de Jong zentral, dann rutschte Lewandowski in den Ball - und schaffte es auf physisch nachgerade unerklärliche Weise, ihn über die Querlatte zu jagen. Aus drei Metern. Beim Stand von 0:1, das Benzema erzielt hatte - am Vorabend der größten persönlichen Ehrbezeugung seiner Karriere.

Die Entstehung dieses 1:0 ließ Barças deutschen Torwart Marc-André ter Stegen toben. Aus guten Gründen. An der Mittellinie hatte Barças Kapitän Sergio Busquets nichts unversucht gelassen, um ter Stegens Landsmann Toni Kroos umzureißen. Es gelang ihm auch.

Clásico in Spanien: Die Feier geht weiter: Aller Voraussicht nach wird Torschütze Karim Benzema mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet

Die Feier geht weiter: Aller Voraussicht nach wird Torschütze Karim Benzema mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet

(Foto: Thomas Coex/AFP)

Nur: Der spektakulär aufspielende Kroos vermochte es, die Kugel mit dem rechten Fuß und letzter Kraft präzise in den Lauf von Vinícius Júnior zu spielen, der davoneilte, als habe ihm jemand einen Vespa-Motor eingebaut. Das persönliche Duell mit ter Stegen verlor Vinícius: Der deutsche Nationaltorwart wehrte seinen Schuss aus kurzer Distanz ab. Die zurückgeeilten Abwehrspieler Barcelonas bewegten sich allesamt auf die Linie. Doch keiner dachte daran, dass im Rückraum noch Benzema stand. Und der Franzose hatte nicht die geringste Mühe, einzuschieben - zum Verdruss ter Stegens.

Was folgte, war eine Vorführung. Real regierte mit Souveränität, indem es tief verteidigte und sich nicht darum kümmerte, dass sich die Katalanen steril den Ball zuschoben, ohne dabei die von Beginn an spürbare Verunsicherung abschütteln zu können. Spürbar war sie vor allem bei Baldé, dem jungen Linksverteidiger, der jedes Mal rote Ohren bekam, wenn Federico Valverde "Buh!" rief.

Federico Valverde nannten sie einst "Pajarito", Vögelchen. Der Stürmer ist ein Falke geworden

Dass Madrid durch ebendiesen Valverde zum zweiten Treffer kam, hatte freilich nur bedingt mit Baldé zu tun. Vielmehr stürzte Innenverteidiger Eric García die eigene Innenverteidigung ins Chaos, indem er eine harmlose Flanke Benzemas mit dem Kopf verlängerte, die sein Kollege Jules Koundé wohl abgefangen hätte. Der Ball landete bei Vinícius, und über Aurélien Tchouameni und Benjamin Mendy bei Valverde. Den nannten sie kürzlich noch "Pajarito", also "Vögelchen". Doch die uruguayische Offensivkraft ist längst ein Falke geworden. Er zog aus 17 Metern präzise und flach ab, ter Stegen war ohne Chance. Und der FC Barcelona durfte als technisch K.-o. betrachtet werden.

Der Eindruck wurde auch nach der Pause nicht korrigiert. Barça war eine Mannschaft, die ihre Knie nicht mehr vom Boden bekam. Sie konnte von Glück sprechen, dass ein weiteres Tor (von Benzema, von wem sonst?), wegen Abseits keine Anerkennung fand. Und sie entwickelte ihrerseits keinen Druck gegen eine Madrider Mannschaft, die eine fabulöse, stets aufmerksame Defensive aufwies. Die Ballstaffetten der Madrilenen wurden länger und länger, bis sie von langgezogenen "Olé"-Rufen des Publikums untermalt wurden. Das änderte sich erst, als Barças Trainer Xavi nach gut einer Stunde reagierte - und Ferrán Torres, Jordi Alba, Gavi und vor allem den fantastischen Ansu Fati einwechselte. Und selbst das bedurfte einiger Zeit.

Dann hatte Lewandowski immerhin noch einen nennenswerten Auftritt. Er fiel nach einem Dribbling im Strafraum zu Boden - ein Grenzfall, der aber in den Augen des Schiedsrichters zu wenig für einen Elfmeter (75.) war. Drei Minuten später merkte Ansu Fati auf, doch sein Schuss aus 18 Metern strich knapp am Tor vorbei. All das waren Vorboten des Anschlusstreffers, der in der 85. Minute kam: Fati setzte sich auf der linken Angriffsseite mit hohem Tempo durch und passte in den Strafraum.

Lewandwoski ließ den Ball passieren, in seinem Rücken brauchte Ferran Torres nur noch einzuschieben. Sekunden danach hätte Barcelona fast den Ausgleich erzielt: Ein Scherenschlag von Fati aus zehn Metern landete knapp neben dem rechten Pfosten, obwohl er den Ball nicht richtig traf. Doch dann führte ein Konter Madrids doch zum 3:1-Endstand.

Eric García trat den für Benzema eingewechselten Rodrygo auf den Fuß, der Videoschiedsrichter beorderte den Referee an den Schirm, danach war jeder Zweifel ausgeräumt: Elfmeter! Rodrygo verwandelte sicher - und ließ die Madrilenen zu den kaltgestellten Flaschen greifen. "Xavi, quédate", rief das Publikum im Bernabéu-Stadion, "Xavi, bleib!" Doch die Debatten um eine mögliche Ablösung der Klublegende beginnen in Barcelona zu keimen.

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