Real-Fan vor dem Bayern-Spiel:"Die Bestia Negra ist eine tolle Erfindung der Bayern-Fans"

Enrique Viturro ist Mitglied im einzigen Real-Madrid-Fanklub in München. Vor dem Champions-League-Halbfinale erklärt er, warum es den Spitznamen des FC Bayern in Spanien gar nicht gibt. Und wann sich Cristiano Ronaldo verwandelt.

Interview von Thomas Hummel

FC Bayern gegen Real Madrid - das Halbfinale in der Champions League ist ein Klassiker im europäischen Fußball. Am Mittwochabend kommen die Spanier zum insgesamt 25. Duell nach München. Dort werden sie erwartet von "I Peña Madridista De Múnich", dem einzigen Real-Fanklub in München. Enrique Viturro, 40, kam vor 13 Jahren beruflich aus Spanien, ist seit acht Jahren Mitglied im Fanklub und erklärt die spanische Sicht auf das Spiel.

SZ: Es heißt, der FC Bayern sei die "Bestia Negra" für Real Madrid. Das bedeutet im Spanischen Angstgegner.

Enrique Viturro: Genau. Das ist jemand, der dich immer kaputt macht. Eine Art Sprichwort, das man auch bei anderen Gelegenheiten benutzt. Nicht nur im Hinblick auf Bayern und Real.

Hat der FC Barcelona auch eine Bestia Negra?

Oh, da muss ich nachdenken. Ich glaube nicht. In den neunziger Jahren haben sie mal gegen den AC Mailand 0:4 verloren. Aber ehrlich gesagt spricht man in Spanien in Bezug auf den FC Bayern nie von der Bestia Negra. Die Bezeichnung habe ich erst in München zum ersten Mal gehört.

Für Bayern-Fans hört es sich vermutlich cool an: Wir sind die Bestia Negra!

Das ist eine tolle Erfindung der Bayern-Fans. Wobei ich schon gespannt bin, ob sie nach den beiden vergangenen Niederlagen (Real setzte sich in den Champions-League-Spielen 2014 und 2017 durch; Anm. d. Red.) auch diesmal Plakate mit der Aufschrift "Bestia Negra" im Stadion zeigen.

Die sportliche Rivalität der Klubs ist groß. Wie lebt es sich als Real-Fan in München?

Das wird sehr humorvoll gelebt. Ich habe viele Bayern-Fans als Freunde, die schenken mir dann ein Weißbier-Glas mit dem Bayern-Emblem darauf oder Ähnliches. Es gab nie Aggressionen. Im Stadion vielleicht ein bisschen, aber im Vergleich zu vielen anderen Städten in Europa ist München in dieser Beziehung ein ruhiger und sicherer Ort.

Wo gab es denn mehr Probleme?

Letztens in Paris war es überhaupt nicht angenehm. Da wird am Rande des Fußballs die alte Feindschaft zwischen Spanien und Frankreich gelebt. Zumal Paris Saint-Germain eine aggressive Ultra-Szene hat. In Turin war es nicht unbedingt schön, auch Neapel ist problematisch, wenn man mit Real-Schal durch die Straßen läuft. In Deutschland mussten wir bisher nur in Dortmund aufpassen. Dort haben uns Fangruppen vor dem Spiel in der Stadt gesucht und wollten uns provozieren. Die Real-Fans gingen aber nicht darauf ein. Das liegt auch daran, dass es bei uns praktisch keine aktive Ultra-Szene mehr gibt. Unter Präsident Florentino Pérez wurde die einst berühmte Gruppe Ultra Sur aus dem Stadion verbannt.

Woran liegt das?

In Spanien sind die Ultra-Gruppen oft politisch aktiv, sie sind das Schaufenster für politische Botschaften. Man denkt an die katalanische Separatismus-Bewegung beim FC Barcelona. Bei den Real-Ultras gab es leider Einflüsse von Rechtsradikalen. Da Pérez eher auf Marketing fokussiert ist, konnte er diese Schlagzeilen nicht gebrauchen.

Zum Sportlichen. Cristiano Ronaldo ist in einer Superform. In Deutschland wird er zwar respektiert als Sportler, er gilt vielen aber als selbstverliebter Gockel, der ständig sein Trikot auszieht. Wie wird er von den eigenen Fans gesehen?

Er ist nicht unumstritten. Wenn Cristiano Ronaldo in Barcelona spielen würde, hätte ich vermutlich eine negative Meinung von ihm. Dann könnte ich ihn eventuell nicht mögen (lacht). Er kommt schon arrogant rüber. Aber wenn man sich näher mit ihm beschäftigt, ändert sich sein Bild. Er stammt aus sehr armen Verhältnissen, dann ist er plötzlich Millionär geworden - das ist nicht leicht. Er tut eine Menge für arme Leute, für kranke Kinder, etc. Er gibt immer Autogramme, lässt Selfies mit sich machen. Neben dem Fußballplatz tritt er nicht so arrogant auf. Doch auf dem Platz verwandelt er sich. Dort will er zeigen, dass er der Beste ist.

Toni Kroos? "Das wird fast als Geschenk gesehen"

Das zeigt er fast bei jedem Spiel. Er schießt unglaublich viele Tore.

Vor allem in der Champions League. Wobei das auch ein bisschen ärgerlich ist, aber das gilt für die gesamte Mannschaft. Man hat das Gefühl, sie hat von September bis Februar fast nix gemacht und dann erst Gas gegeben. Das ist für einen Real-Fan nicht tolerierbar, weil Real sollte immer alles gewinnen. Das ist wie beim FC Bayern. In der Liga jetzt 15 Punkte hinter Barcelona zu stehen (Real ist derzeit Dritter. Anm.d.Red.), das ist keine normale Situation. Viele Fans sagen: Egal, ob wir wieder die Champions League gewinnen oder nicht - im Sommer muss die Mannschaft renoviert werden.

Dabei war sie sehr erfolgreich zuletzt.

Sollte Real die Champions League wieder gewinnen, dann hätten wir sie vier Mal in fünf Jahren geholt. Dass die Fans trotzdem nicht zufrieden sind, sagt viel aus über die hohen Ansprüche in Madrid.

Real-Fan vor dem Bayern-Spiel: Der Münchner Fanclub von Real Madrid

Der Münchner Fanclub von Real Madrid

(Foto: Enrique Viturro)

Sind Sie eigentlich dankbar, dass der FC Bayern 2014 Toni Kroos für den relativ kleinen Preis von 30 Millionen Euro an Real verkauft hat?

Das wird fast als Geschenk gesehen. Er ist ein sehr beliebter Spieler, wir hoffen, dass er länger in Madrid bleibt. Bei uns im Fanklub wird er Antonio genannt. Wobei jetzt die Revanche mit James Rodríguez kam (wechselte im vergangenen Sommer von Madrid nach München; Anm. d. Red.). James war zwar nicht so geachtet in Madrid, aber die Konditionen des Transfers nach München werden wie ein Geschenk wahrgenommen. Wir würden uns dafür nun gerne wiederum revanchieren und endlich Robert Lewandowski nach Madrid holen (lacht).

Das Spiel in München gegen Real muss für Sie was Besonderes sein.

Wir erwarten viele andere Real-Fanklubs und spielen für sie den Gastgeber. Wir zeigen ihnen München, trinken ein bisschen was. Dann geht's in die Arena.

Sie haben Karten?

Wir kriegen Karten von Real Madrid. Als offizieller Fanklub können wir beim Verein eine Anfrage stellen, diesmal haben wir mehr als hundert Karten gekriegt.

Und nun die entscheidende Frage: Wie geht's aus?

Von Real-Fans habe ich viele Meinungen gehört, danach stehen die Chancen bei 50:50. Die einen sagen, wir verlieren diesmal. Die anderen widersprechen und glauben, es gibt wieder einen deutlichen Sieg.

Der Fanklub "I Peña Madridista De Múnich" hat etwa 350 Mitglieder. Die meisten sind eingewanderte Spanier, oder Kinder von spanischen Einwanderern. Doch es sind auch Dänen, Polen, Russen sowie Kroaten und Serben darunter. Einige bleiben Mitglieder, auch wenn sie nach Spanien zurückkehren, wie Austausch-Studenten. Viele machen es wie Enrique Viturro: Sie heiraten, kriegen Kinder und bleiben in München.

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