Timo Werner bei Chelsea:"Er muss das Kinn hochnehmen"

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Timo Werner beim Anstoß im Estadio Alfredo Di Stéfano. (Foto: Bagu Blanco/BPI/Shutterstock via www.imago-images.de; /imago images/Shutterstock)

Thomas Tuchel ärgert sich: Für Chelsea wäre im Halbfinal-Hinspiel der Champions League mehr möglich gewesen, aber Timo Werner unterläuft ein kapitaler Fehlschuss. Die spanische Presse spottet.

Von Javier Cáceres, Madrid, Berlin

Thomas Tuchel haderte, und das aus guten Gründen. Doch nach dem Unentschieden im Hinspiel des Champions-League-Halbfinales bei Real Madrid (1:1) lag ihm viel mehr daran, seinen Stürmer Timo Werner aufzubauen, als über das unbefriedigende Resultat zu lamentieren. "Wir sind traurig, und wir ärgern uns", gestand Tuchel offen ein, in Madrid wäre für Chelsea mehr drin gewesen. Wenn Werner nicht noch viel mehr Grund gehabt hätte, Frust zu schieben. Frust über sich selbst. "Auch er ist traurig, auch er ist enttäuscht", sagte Tuchel.

Werner, 25, hatte im Estadio Alfredo Di Stéfano, in das Real Madrid wegen des teuren Umbaus des Bernabéu-Stadions umgezogen ist, für die Szene der Partie gesorgt: ein Fehlschuss aus maximal vier Metern Entfernung. Obschon er alle Zeit der Welt und das Tor Madrids offen stand, traf er den rechten Fuß von Torwart Thibaut Courtois. Es war eine Aktion, die von mangelndem Selbstvertrauen erzählte, das durch die vergebene Chance aus dem Spiel gegen West Ham United in de englischen Permier League nicht gerade größer geworden war.

Werner stand sinnbildlich dafür, dass der FC Chelsea "im Angriff Messediener" aufzubieten hatte, wie die Zeitung El País so treffend wie dankbar bemerkte. Denn dass "Madrid überlebt" hatte, lag auch an der lammfrommen Attitüde der mutmaßlichen Chelsea-Killer. Allen voran von Timo Werner.

Tuchel ist als Trainer gegen Madrid nun seit fünf Spielen ungeschlagen

"No jokes with names", sagt der Engländer, doch daran hielten sich die Spanier anderntags in ihrer Begeisterung über den Fehlschuss des DFB-Stürmers und vormaligen Leipzigers nicht einmal ansatzweise. "Chelseas Nummer 9 ist mehr Timo als Werner", wortspielte die Zeitung As und hob damit darauf ab, dass "timo" im Spanischen für das Wort "Betrug" steht. Das war alles andere als freundlich, aber in England wundern sie sich allmählich auch. Der Ex-Leipziger hat in den vergangenen 33 Spielen nur drei Tore erzielt. Werner komme zu Gelegenheiten, gab Trainer Tuchel zu bedenken, was so viel hieß wie: Irgendwann werden sie auch wieder hineinrutschen. "Er muss das Kinn hochnehmen", mahnte er. Nur: Tuchel weiß auch, dass so manche Mannschaft der Vergangenheit Anlass zur Reue hatte, wenn sie bei Real Madrid ohne Not Gnade walten ließ. So viel Gnade wie Chelsea am Mittwoch.

Timo Werner trifft in dieser Szene den ausgestreckten rechten Fuß von Torwart Thibaut Courtois. (Foto: Kiko Huesca/imago images/Agencia EFE)

Andererseits: So ein Remis in Madrid ist nicht das schlechtes Resultat in einer K.-o.-Runde. Drei Mal hat Real Madrid in einem Halbfinalhinspiel des Königsklassenwettbewerbs daheim ein 1:1 erzielt, drei Mal schieden die Spanier aus: 1976 gegen den FC Bayern (0:2 im Rückspiel), 1988 gegen PSV Eindhoven (0:0) und 1989 gegen den AC Milan (0:5). Und nimmt man die erste Halbzeit zum Maßstab, so ist noch lange nicht gesagt, dass Real Madrid das Rückspiel zwingend erfolgreich gestalten und das Finale von Istanbul am 29. Mai erreichen muss. Im Gegenteil: Einerseits ist Trainer Tuchel gegen Real Madrid in nunmehr fünf von fünf Spielen ungeschlagen geblieben, andererseits spielte sein blendend eingestelltes Team den Gegner anfangs und lange Zeit an die Wand. Und erzielte eine vollauf verdiente Führung, durch den früheren Dortmunder Christian Pulisic.

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Nach einem langen Ball von DFB-Verteidiger Antonio Rüdiger wackelte er im Strafraum erst Courtois aus und schoss dann ungerührt ein. Von wegen: Messdiener. Doch dann brachte Karim Benzema die Madrilenen zurück ins Spiel. Erst traf er den Pfosten, dann per Seitfallzieher aus sechs Metern ins Tor. Es war sein 71. Champions-League-Treffer. Benzema teilt sich nun mit der früheren Real-Madrid-Legende Raúl González den vierten Platz in der ewigen Torschützenliste der Champions League, hinter Cristiano Ronaldo (Juventus Turin/135 Tore), Lionel Messi (FC Barcelona/120) und Robert Lewandowski (FC Bayern/73).

Die zweite Halbzeit war nicht weiter der Rede wert - wenn man davon absieht, dass der französische Weltmeister Ngolo Kanté im defensiven Mittelfeld eine markerschütternde Omnipräsenz zeigte. Und der Schiedsrichter Makkelie durch sein pinkes Shirt auffiel, aber eher nicht durch seine Leistung, die von Real-Madrid-affinen Medien unter Verdacht gestellt worden war. Unter anderen von der Zeitung Marca, die am Mittwoch wieder einschwenkte. Ein Schiedsrichterkomplott hätte es "vielleicht noch in der Ära der Bisonmäntel, der goldenen Uhren, der üppigen Abendessen und anderer Geschenke" geben können, aber diese Epoche sei längst "in der Erinnerungskiste gelandet", weiß Marca.

Makkelie hätte allenfalls den Ausgleich wegen eines möglichen Fouls von Real-Mittelfeldspieler Casemiro beim Kopfballduell abpfeifen können, oder auch einen Strafstoß gegen Real Madrid wegen eines Remplers von Carvajal an Ben Chilwell geben können. Doch als die Partie vorüber war, war es Tuchel, der dem Referee die Hand reichte, während sein Kollege Zinédine Zidane in der Kabine verschwand, mit den Gedanken schon beim Rückspiel, das am 5. Mai an der Stamford Bridge steigt. Sollte Chelsea weiterkommen, stünde der vormalige PSG-Trainer Tuchel zum zweiten Mal nacheinander im Champions-League-Endspiel.

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